Forfaiting

Forfaiting

Forfaitierung (nach franz. à forfait: „in Bausch und Bogen” ohne Regress) bezeichnet den Ankauf von Forderungen unter Verzicht auf einen Rückgriff gegen den Verkäufer bei Zahlungsausfall (echte Forfaitierung). Allerdings haftet der Verkäufer für den Rechtsbestand der Forderung. [1]

Bei der unechten Forfaitierung ist ein Rückgriff dagegen nicht ausgeschlossen.

Der Verkäufer der Forderung wird „Forfaitist”, der Käufer „Forfaiteur” genannt.


Inhaltsverzeichnis

Rechtsnatur

Die Forfaitierung ist ein Forderungskauf. Der Forfaitist tritt die verkaufte Forderung an den Forfaiteur ab. Die Übernahme des Bonitätsrisikos durch den Forfaiteur und die Haftung des Forfaitisten für den Bestand der Forderung (Veritätshaftung) entspricht der Rechtslage beim Forderungskauf.[2]. Nur wenn das Bonitätsrisiko nicht vollständig übernommen wird, liegt ein Darlehensvertrag vor.[3]


Erscheinungsformen

Die Forfaitierung oder auch Forfaiting ist ein klassisches Instrument der Exportfinanzierung.

Daneben hat sie bei der finanziellen Abwicklung von Leasinggeschäften erhebliche Bedeutung gewonnen.

In den letzten Jahren werden Forfaitierungen auch als Instrument zur Finanzierung von Projekten im Bereich des Public Private Partnerships (PPP) bzw. Öffentlich Privaten Partnerschaften (ÖPP) eingesetzt.

Die Forfaitierung wird bei modernen Finanzierungskonstrukten, wie z.B. Asset Backed Securities (ABS), als Teil der Transaktion eingesetzt. Soll beispielsweise bei ABS Transaktionen ein sog. "True Sale" erreicht werden, so ist der regresslose Forderungsverkauf notwendige Voraussetzung.


Forfaitierung als Mittel der Exportfinanzierung

Besonders für mittelständische Unternehmen sind Factoring und Forfaitierung als Finanzierungsmöglichkeiten wichtig, da die Fremdfinanzierung über Bankkredite infolge des verschärften internationalen Wettbewerbes zunehmend schwieriger wird. Im heutigen Wirtschaftsleben gewinnt die Forfaitierung zur Exportfinanzierung zunehmend an Bedeutung, da Banken auf Grund von Basel II nicht mehr so leicht Kredite bewilligen und deshalb Lieferantenkredite aufgenommen werden müssen.


Geschichte

Die Erfindung der Forfaitierung wird der ehemaligen Sowjetunion zugeschrieben, die in den Endsechzigern des 20. Jahrhunderts Weizenliefungen aus den USA mit mittelfristigen Wechseln der sowjetischen Außenhandelsbank unter Wechselgarantie des sowjetischen Staates nach Diskontierung bei westeuropäischen Banken bezahlten.


Ablauf der Forfaitierung

Der Importeur stellt für einen ihm eingeräumten Lieferantenkredit eine Sicherheit (z.B. in Form eines Bankavals auf einem Solawechsel oder indem er ein deferred payment-Akkreditiv eröffnen lässt). Der Exporteur (Forfaitist) verkauft die Forderung abzüglich Zinsen an den Forfaiteur (Bank des Exporteurs) und überträgt die Rechte aus dem Sicherungsinstrument an diesen. Bei Fälligkeit zieht der Forfaiteur den Betrag ein.


Voraussetzung an die Forderungen

  • kurz-, mittel- oder langfristige Forderungen
  • müssen abstrakt und vom Grundgeschäft losgelöst sein
  • Schuldner muss von einwandfreier Bonität sein
  • Land (Sitz) der Bank des Importeurs als international kreditwürdig angesehen
  • Forderung muss auf Hartwährung (z.B. Euro, Dollar) lauten
  • Forderungen müssen abtretbar sein
  • Forderungen müssen frei von Rechten Dritter sein.


Vorteile für den Exporteur

  • schnelle liquide Mittel (durch Verkauf an Bank)
  • Abgabe des Ausfallrisikos
  • vollständige Bilanzentlastung (liquide Mittel statt Forderungen)
  • vollständige Fremdfinanzierung (keine Eigenmittel)
  • keine Deckung eines Kreditversicherers erforderlich
  • Erlöschen des Kursrisikos zum Zeitpunkt des Forderungsverkaufs
  • der Forfaiteur übernimmt die Inkassofunktion
  • Finanzierungskosten niedriger als bei anderen Finanzierungsformen, da die Bonität des Forderungsschuldners i.d.R. besser ist als die des Forderungsverkäufers.


Forfaitierung als Mittel der Leasingrefinanzierung

Wirtschaftliche Bedeutung

Die Forfaitierung ist neben der herkömmlichen Darlehensaufnahme die wichtigste Refinanzierungsform von Leasing-Gesellschaften.[4] [5] Die Leasinggesellschaften verschaffen sich damit Liquidität für den Kauf der nächsten Leasingobjekte, sparen Steuern und vermeiden Kosten, die beim Einzug der verkauften Forderungen entstehen.

Die wirtschaftliche Bedeutung der Forfaitierung zur Leasingrefinanzierung illustriert der FlowTex-Betrug. Bei diesem größten Fall von Wirtschaftsbetrug in Deutschland, der zu einem Schaden in Milliardenhöhe geführt hat, war die Forfaitierung der Leasingraten durch Leasinggesellschaften Teil des Schneeballsystem-artigen Geldkreislaufs. Die forfaitierten Leasingraten wurden bis zur Entdeckung des Betrugssystems aus den Kaufpreisen für immer neue nicht existierende Leasinggeräte bezahlt.[6]


Ablauf der Forfaitierung

Der Leasinggeber erwirbt das Leasinggut, um es an den Leasingnehmer zu verleasen. Zur Refinanzierung des Kaufpreises verkauft er als Forfaitist seine Ansprüche auf Zahlung der Leasingraten aus dem Leasingvertrag an die Bank als Forfaiteur. Die Bank zieht die Leasingraten bei Fälligkeit ein. Der Kaufpreis für die Leasingraten entspricht deren Barwert abzüglich Verwaltungskosten und Mehrwertsteuer. [7]

Mit dem Kauf der Leasingforderungen übernimmt die Bank als Forfaiteur auch das Bonitätsrisiko, also das Risiko der Leistungsunfähigkeit des Leasing-Nehmers, den sie vorher nach den Bestimmungen des Kreditwesengesetzes (KWG) zu überprüfen hat. Der Rückgriff für den Fall der Zahlungsunfähigkeit des Leasing-Nehmers ist ausgeschlossen.

Als Sicherheit - insbesondere zur Absicherung ihres Anspruchs aus der Veritätshaftung - lässt sich die Bank in der Regel das Leasingobjekt übereignen bzw. bei Eigentumsvorbehalt des Lieferanten das Anwartschaftsrecht übertragen. Denn im Unterschied zur Forfaitierung von Exportgeschäften liegt der Leasingforfaitierung ein noch nicht abgewickeltes Dauerschuldverhältnis zu Grunde; es besteht daher die Möglichkeit, dass Leistungsstörungen noch Auswirkungen auf den rechtlichen Bestand der verkauften Forderung bekommen.[8]

Die Abtretung der verkauften Forderung erfolgt in der Regel als stille Zession ohne Offenlegung an den Leasingnehmer.

Die Vorausabtretung der Leasingraten ist auch in der Insolvenz des Forfaitisten (Leasinggebers) insolvenzfest.


Steuerliche Vorteile

Wenn auch das Ausfallrisiko auf die Banken übergeht, gelten solche Forfaitierungsverträge mit Banken nicht als Dauerschuld-Kreditverträge im Sinne des Gewerbesteuergesetzes, Leasing-Gesellschaften zahlen auf die Forfaitierungsbeträge keine Dauerschuldzinsen. Die Forfaitierung reduziert damit nicht nur das Kreditobligo der Leasing-Gesellschaft, sondern ermöglicht auch eine von der Gewerbesteuer befreite Finanzierung. [9] [10]


Finanzierung bei Public Private Partnership

In ähnlicher Weise wie bei der Leasingrefinanzierung funktioniert die Forfaitierung im Rahmen einer Public Private Partnership (PPP): Der öffentliche Auftraggeber, in der Regel eine Gemeinde[11], finanziert ein öffentliches Bauvorhaben nicht selbst, sondern überträgt Planung, Bau und Betrieb, ggf. auch nur den Betrieb, einem privaten Investor, der als Gegenleistung während eines festgelegten Zeitraumes ein jährliches Entgelt (als Miete oder gestundeter Werklohn) erhält. Statt die erforderlichen Mittel durch Darlehensaufnahme zu beschaffen (sogenannte Projektfinanzierung), kann der private Investor zur Refinanzierung die Forderungen an die Kommune als Forfaitist durch einen Forfaitierungsvertrag an eine Bank verkaufen.


Forfaitierung mit Einredeverzicht

Der eigentliche Forfaitierungsvertrag wird dabei durch die Erklärung eines Einredeverzichts ergänzt: Die Kommune verpflichtet sich, der finanzierenden Bank das mit dem Privaten vertraglich vereinbarte PPP-Entgelt bedingungslos zu zahlen. Hierdurch wird die Forfaitierungsvereinbarung zu einem dreiseitigen Vertrag. Auf diesem Weg lassen sich Konditionen ähnlich wie für Kommunalkredite erreichen, die Kommune kann jedoch keine Einwendungen gegenüber der Bank geltend machen und ihr gegenüber Zahlungen nicht wegen Schlechtleistungen reduzieren.


Vor- und Nachteile der PPP-Forfaitierung

Als Vorteile der kommunalen Forfaitierung werden insbesondere angesehen: [12] [13]

  • Die Verringerung des Finanzierungsbedarfs und damit auch die Entlastung des kommunalen Haushalts durch Zinsersparnis aufgrund Kommunalkonditionen (ohne Bürgschaft).
  • Die Verringerung des Zinsänderungsrisikos während der Forfaitierungslaufzeit, da auch Zinsbindungen länger als 10 Jahre mit dem Investor vereinbart werden können und dadurch die Planungs- und Kalkulationssicherheit verbessert werden kann.
  • Die Einrede- u. Einwendungsverzichtserklärung als Finanzierungsabsicherung durch die Kommune wird nicht auf den Bürgschaftsrahmen angerechnet, denn sie wirkt zwar wie eine Bürgschaft, ist aber formaljuristisch keine.
  • Die Gewerbesteuerentlastung beim Investor durch fehlende Dauerschuldzinsen.

Eine vollständige, von vornherein erfolgende Forfaitierung mit Verzicht auf Einreden bei Schlechtleistung in Bezug auf künftige Gewerke wird allerdings kritisch gesehen. [14] [15]


Gemeindewirtschaftsrechtliche Genehmigungsfähigkeit

Die kommunale Forfaitierung mit Einredeverzicht bedarf der Genehmigung durch die Kommunalaufsicht, wird jedoch als kommunal-rechtlich genehmigungsfähig angesehen, da für die öffentliche Hand die einredefreie Forfaitierung für den investiven Teil eines PPP-Projektes keine Übernahme zusätzlicher Risiken darstelle. [16]

  • Denn die öffentliche Hand ist auch bei der öffentlichen Eigenrealisierung in der herkömmlichen Weise des Kommunalkredits der Schuldner.
  • Während bei einem PPP-Projekt die öffentliche Hand erst nach erfolgter Bauausführung mit der Zahlung der Vergütung beginnt, muss bei der Realisierung in der herkömmlichen Weise die öffentliche Hand bereits entsprechend Baufortschritt bezahlen.

Die kommunalrechtliche Genehmigungsfähigkeit eines PPP-Vertrages, der ein kreditähnliches Rechtsgeschäft darstellt, hängt insbesondere von den folgenden beiden Voraussetzungen ab: [17]

  • Die Wirtschaftlichkeit eines PPP-Vorhabens im Vergleich zu einer konventionellen Lösung muss nachgewiesen werden.
  • Die Gemeinde muss auch unter Berücksichtigung ihrer anderen Aufgaben in der Lage sein, den langfristigen Verpflichtungen zur Zahlung der laufenden PPP-Raten nachzukommen

Einzelangaben

  1. BGH-Urteil vom 10.11.2004 (Volltext)
  2. in Deutschland: § 437 BGB [1], § 438 BGB [2]
  3. Martinek/Oechsler in: Schimanski/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, Band II, ,§ 103, 14
  4. Schmalenbach, in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, Kommentar (Band 2: Bank- und Börsenrecht), V Rdn 60
  5. Leasing-Glossar der Deutsche Leasing
  6. BGH-Urteil vom 10.11.2004 (Volltext)
  7. [3] Yvonne Matz, „Regulierung typischer Leasingtransaktionen im neuen Schuldrecht”, Dissertation Karlsruhe 2002, S.62
  8. Martinek/Oechsler in: Schimanski/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, Band II, ,§ 103, 34
  9. Leasing-Glossar der Deutsche Leasing
  10. BMF-Schreiben vom 9.1.1996 - IV B 2 - S 2170 - 135/95
  11. zu realisierten Projekten vgl. Bauakademie Biberach „Chance PPP”, S. 12 f. Auch Hochschulprojekte können durch PPP finanziert werden, vgl. Hochschul Informations Service HIS GmbH „PPP – Eignung und Vorgehensweise bei Hochschulprojekten”
  12. Commerzbank/IHK Bielefeld, „Finanzierung von PPP-/ Öpp - Projekten”
  13. WL Bank, „PPP – Neue Wege zur Realisierung öffentlicher Bauvorhaben”
  14. N-Bank „Public PrivatePartnership in Niedersachsen”
  15. Werner Rügemer, „Forfaitierung mit Einredeverzicht” Artikel in Freitag v. 7.9.2007
  16. Bauakademie Biberach „Chance PPP”, S. 9
  17. Bauakademie Biberach „Chance PPP”, S. 9

Literatur

Michael Hakenberg, Das Forfaitierungsgeschäft, in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, Kommentar (Band 2: Bank- und Börsenrecht), 2. Auflage 2008, V Rdn 35 ff., ISBN 978-3800633821


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