Formpflicht

Formpflicht

Als Formmangel wird im katholischen Kirchenrecht das Fehlen der für eine kirchenrechtlich gültige Eheschließung unter Katholiken erforderlichen kanonischen Eheschließungsform bezeichnet. Die für Katholiken geltende Pflicht zur Einhaltung dieser Form wird Formpflicht genannt.

Die kanonische Eheschließungsform – eingeführt durch das Dekret Tam etsi des Konzils von Trient – schreibt vor, dass eine Ehe nur von zwei rechtlich dazu befähigten Personen unterschiedlichen Geschlechts unter Assistenz des Ortsordinarius, des Ortspfarrers oder eines von einem der beiden delegierten Priesters oder Diakons vor zwei Zeugen geschlossen werden kann (can. 1108 CIC). Sinn der Formpflicht war ursprünglich, die Ehefähigkeit der Brautleute im Vorfeld überprüfen und Doppelehen vermeiden zu können.

Da es sich bei der Formpflicht um ein kirchliches Gesetz handelt, gilt sie grundsätzlich nur für diejenigen Rechtssubjekte, die dem kirchlichen Recht unterliegen, das sind im Fall des CIC also im Prinzip nur die Mitglieder der lateinischen Kirche. Insbesondere nichtkatholische Christen, aber auch so genannte „abgefallene“ Katholiken, die sich in der Öffentlichkeit von der Kirche losgesagt haben, unterliegen der Formpflicht demzufolge nicht. Das ist insofern bedeutsam, als eine bspw. unter evangelischen Christen ohne Einhaltung der katholischen Form (also z. B. vor dem evangelischen Pfarrer oder bloß standesamtlich) geschlossene Ehe nach katholischer Ansicht trotzdem gültig zustande kommt, soweit keine anderweitigen Hinderungsgründe vorliegen, und daher (da jede Ehe unter Beteiligung von Christen grundsätzlich als sakramental und unauflöslich angesehen wird) eine kirchliche (katholische) Wiederheirat ausgeschlossen ist.

Schließt dagegen eine formpflichtige Person, d. h. ein römisch-katholischer Christ, der nicht durch einen formalen Akt von der Kirche abgefallen ist, die Ehe ohne entsprechende Dispens (Befreiung von der Formpflicht) in einer nichtkatholischen Form, ist diese Eheschließung kirchenrechtlich nicht gültig. Einer späteren kirchlichen (katholischen) Wiederheirat steht in diesem Fall nichts entgegen, weil die Person nach katholischer Ansicht überhaupt nicht verheiratet war.

Das Zusammenleben in einer kirchenrechtlich ungültigen Ehe steht vom Standpunkt der traditionellen kirchlichen Moral dem Konkubinat gleich. Zwar wird einer solchen Partnerschaft heute eine gewisse Verbindlichkeit auch kirchlicherseits nicht mehr abgesprochen, aber noch immer können ein Mann und eine Frau, die ohne gültige Eheschließung zusammenleben, bis zur Behebung dieses von der Kirche als „öffentliches Ärgernis“ qualifizierten Umstands nicht zu den Sakramenten (bspw. zur Kommunion) zugelassen werden. Das gilt für rein standesamtlich verheiratete Katholiken, die zum Zeitpunkt ihrer bürgerlichen Eheschließung nicht aus der Kirche ausgetreten waren, ebenso wie für gänzlich unverheiratet zusammen lebende Paare.

Von der Formpflicht kann vor der Eheschließung durch den katholischen Ortsordinarius befreit werden, wenn schwerwiegende Gründe vorliegen (z. B. der andere Partner verweigert eine kirchliche Eheschließung). Daneben gibt es eine Anzahl von Sonderfällen (etwa Lebensgefahr), in denen die Eheschließung auch unter Nichteinhaltung der Form für gültig angesehen wird. Ebenso kann eine nicht kirchlich geschlossene Ehe nachträglich und rückwirkend anerkannt werden (so gen. sanatio in radice, d. h. „Gültigmachung von Anfang an“), sofern der Ehewille beider Partner zum Zeitpunkt der Gültigmachung andauert.

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