Fortschritt Herrenbekleidung

Fortschritt Herrenbekleidung
VEB „Fortschritt“ Herrenbekleidung
Rechtsform Volkseigener Betrieb
Gründung 15. Mai 1945
Sitz Berlin-Lichtenberg
Mitarbeiter 3.000 (1967)
Umsatz 90.000 Anzüge im Jahr 1967
Branche Textilhersteller
Produkte Herrenbekleidung: Sakkos, Hosen, Mäntel
Hauptgebäude des ehemaligen Betriebes „Fortschritt“

Der VEB „Fortschritt“ Herrenbekleidung war der größte Betrieb für Herrenkonfektion in der DDR mit Sitz in der Rudolf-Reusch-Straße in Berlin-Lichtenberg.

Inhaltsverzeichnis

Chronik

Im Jahre 1907 wurde auf dem Gelände zwischen der späteren Rudolf-Reusch-Straße, der Normannenstraße und der Möllendorffstraße ein Textilbetrieb errichtet. In den Folgejahren erfolgte eine Vergrößerung der Produktionspalette um industrielle Herrenoberbekleidung und eine umfangreiche bauliche Erweiterung mit den damals typischen Fassaden mit glasierten Klinkern in den Farben weiß mit grünen Schmuckelementen. Ein sechsstöckiger Block mit großem Innenhof und einem eigenen Heizhaus wurde errichtet. Viele hundert Menschen fanden hier Arbeit.

Die Initialen der ersten Fabrikbesitzer „L & S“
Gründungshinweis: „anno 1907“

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Herstellung von Bekleidung zu einem wichtigen Anliegen. Deswegen wurden bereits im Mai 1945 mit Hilfe der sowjetischen Besatzungsmacht aus dem ehemaligen Bekleidungsbetrieb die Maschinen arbeitsfähig gemacht, Schutt und Asche aus den Werkhallen entfernt und 14 Tage später die Produktion von einfachen Jacken, Mänteln und Hosen mit einer kleinen Belegschaft wieder aufgenommen.

Schrittweise wurden Maschinen erneuert, Produktionsräume modernisiert sowie neueste Technologien eingeführt. Nach der Gründung der DDR im Oktober 1949 sorgte die Leitung des verstaatlichten Betriebes des VVB Leichtindustrie Berlin für die Verbesserung des sozialen Umfeldes der Arbeiter: 1951 wurde ein betriebseigener Kindergarten eröffnet, später sogar eine eigene Betriebspoliklinik mit mehreren Ärzten und Schwestern, wofür man auf dem Betriebsgelände einen zweigeschossigen Plattenbau errichtete. Die Ausbildung von Textil-Facharbeitern und die Qualifizierung der Mitarbeiter wurden zu einem ständigen Anliegen. Auch in diesem Konfektionsbetrieb waren viele Ingenieure tätig. Das Neuererwesen sollte ständige Verbesserungen in der Produktion erbringen.

Schichtwechsel 1949
Das Verwaltungsgebäude in der Möllendorffstraße (damals Jacques Duclos-Straße)

In den Jahren 1964 und 1967 wurden einige kleine Berliner Oberbekleidungsbetriebe dem VEB „Fortschritt“ angegliedert: zuerst der VEB „Elegant“ (dieser hatte unter anderem die gesamte Kleidung für die DDR-Olympioniken 1956, 1960 und 1964 hergestellt), 1967 wurde das Wäschewerk „Tadellos“ mit dem VEB „Fortschritt“ vereinigt.

Nun hatten die Produktion und die Belegschaft so zugenommen, dass ein Erweiterungsbau am Hauptstandort vorgenommen werden musste. Dazu ließ die Betriebsleitung direkt an der Möllendorffstraße ein fünfstöckiges Gebäude errichten, in welchem die Verwaltung eigene Räume und damit bessere Arbeitsbedingungen erhielt, in den anderen Gebäuden und Betriebsteilen war nun mehr Platz für Maschinen.

Einige wirtschaftliche Daten

Folgende Angaben können hier gemacht werden:

  • die produzierte Warenmenge stieg von 1949 bis 1960 auf 300 Prozent, die Arbeitsproduktivität im gleichen Zeitraum auf 260 Prozent
  • im Jahr 1967 wurden etwa 3000 Mitarbeiter beschäftigt,
  • der Betrieb war um 1967 der größte Produzent von Herrenmode in der DDR, zum Beispiel wurden etwa 25 Prozent aller Mäntel hier hergestellt,
  • der Export erfolgte 1967 in neun Länder auf vier Kontinenten.

Die Wende bei „Fortschritt“

Durch Umbenennung des VEB Fortschritt in becon GmbH – Berliner Confektion versuchte man nach der Wende, den Bekleidungsbetrieb aufrecht zu halten. Als Großbetrieb für Herrenoberbekleidung bestand jedoch nach der Wende für den Betrieb keine wirtschaftliche Überlebenschance; das Sortiment war nicht mehr marktfähig. Die West-Berliner Max Schröder GmbH kaufte das Grundstück, um dort eigene Bekleidungskollektionen zu produzieren. Die fast neue Hängetransportanlage aus den Gebäuden des ehemaligen VEB Treffmodelle wurde extra eingebaut. Doch die zwischenzeitlich in der Greifswalder Straße produzierende Max Schröder Classicmoden ging in Konkurs. Der Geschäftsstandort der becon wurde in die Eldenaer Straße in Berlin-Friedrichshain verlegt. Dadurch konnte das Überleben gesichert werden, allerdings mit nur wenigen Arbeitskräften. Die großen Fabrikgebäude dienten bis Ende 2009 wenigen kleinen Dienstleistern als preisgünstige Unterkunft.

Neugründung als „Fortschritt-Berlin“

Im Jahr 2005 wurde die Firma Fortschritt-Berlin neu gegründet und 2009 im Handelsregister eingetragen. Die neue Firma hat weder mit dem alten VEB noch mit dem bisherigen Standort etwas gemeinsam, sie befindet sich in der Lottumstraße in Berlin-Prenzlauer Berg. Die Anlehnung an den alten Namen rührt daher, dass eine der Gründerinnen vor ihrem Studium beim VEB „Fortschritt“ Herrenbekleidung Berlin eine Lehre als Schneiderin absolvierte. „Fortschritt-Berlin“ beschäftigt sich im Schwerpunkt mit dem Entwerfen von Strickwaren für Damen und Herren und entwirft und vertreibt unter dem Markennamen Plastetasche gehäkelte Taschen aus Nylongarn hauptsächlich in Japan, wo im Frühjahr 2011 die erste Auslands-Dependance von „Fortschritt-Berlin/Plastetasche“ entstand.[1]

Umbau zu Loftwohnungen

Abriss von Gebäudeteilen in der Rudolf-Reusch-Straße, im Mai 2010

Die denkmalgeschützten Altbauten und der ehemalige Plattenbau an der Möllendorffstraße wurden ab April 2010 zu Appartements und Loftwohnungen umgebaut, Heizhaus und das Produktionsgebäude an der Rudolf-Reusch-Straße wurden abgerissen. Seit April 2010 führt die zur CG-Gruppe mit Sitz in Leipzig gehörende Firma Lichtenberger Loft GmbH & Co. KG die nötigen Sanierungs- und Abbruchmaßnahmen auf dem Gelände durch. Mit einem Investvolumen von rund 50 Millionen Euro sollen auf den 18.000 m2 180 Lofts entstehen.[2] Auf dem Gelände entstehen in einer zweiten Bauphase, die bis Ende 2012 abgeschlossen sein soll, zusätzlich 11.500 m2 Wohnraum in 138 Wohnungen. Dafür werden entlang der Rudolf-Reusch-Straße zwei Blockrandbebauungen vorgenommen, sowie fünf einzeln stehende Häuser errichtet.[3]

Literatur

  • G. Flügge: „Fortschritt“, In: Berliner ABC, Fortsetzungsgeschichten in der Berliner Zeitung, 1967 (Tag und Monat nicht bekannt)

Einzelnachweise

  1. Homepage Fortschritt-berlin
  2. Neues Leben im alten Haus in Berliner Kurier, 9. Mai 2009. Abgerufen am 8. April 2010.
  3. Einladung zur Anwohnerversammlung von September 2011. Bezirksamt von Lichtenberg von Berlin, Bezirksamt für Stadtentwicklung.

Weblinks

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