Franz Josef Wetz

Franz Josef Wetz

Franz Josef Wetz (* 19. März 1958 in Rockenberg) ist ein deutscher Philosoph. Er lehrt Philosophie und Ethik in Schwäbisch Gmünd.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Studium der Philosophie, Germanistik und Theologie in Mainz, Frankfurt/M. und Gießen; Stipendiat des Cusanuswerks; 1984 Erstes Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien; 1985 Magister Philosophie; 1989 Promotion; 1989 Dissertationspreis der Justus-Liebig-Universität Gießen; 1992 Habilitation in Philosophie. Von 1981 bis 1993 beschäftigt am Zentrum für Philosophie und Grundlagen der Wissenschaft der Universität Gießen als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Assistent von Odo Marquard. Habilitanden-Stipendium und Heisenberg-Stipendium wurden gewährt, aber nicht in Anspruch genommen. 1991 bis 1996 freier Mitarbeiter im Bildungsbereich des Arbeitgeberverbands der Elektro- und Metallindustrie. Lehrstuhlvertretungen im Inland und Gastprofessuren im Ausland. Seit 1992 freier Mitarbeiter an württembergischen, bayerischen und thüringischen Instituten für Lehrerfortbildung und Lehrplanentwicklung.

Hauptarbeitsgebiete: Kulturphilosophie und Ethik mit der Frage, welche Konsequenzen die Erkenntnisse der modernen Naturwissenschaften für das menschliche Selbst- und Weltverständnis haben - in existentieller, weltanschaulicher, gesellschaftlicher, ethischer und juristischer Hinsicht.

Wetz ist Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der religionskritischen Giordano Bruno Stiftung.

Philosophie

Franz Josef Wetz vertritt einen gemäßigten naturalistischen Standpunkt. Von diesem Standpunkt aus sind die Erkenntnisse der Naturwissenschaften mit all Ihren Konsequenzen bedingungslos anzuerkennen. Im Kern seines Denkens steckt aber mehr als dies. Der Mensch wird entlarvt als ein vergängliches Stück um sich selbst bekümmerte Natur ohne Anspruch auf eine Mittelpunktstellung im Gefüge des Daseins. So liest man in seiner "Kunst der Resignation" im Kapitel "Bringt Wissen Glück?" die folgenden Zeilen "Viertens die Unerheblichkeit und Nichtigkeit des Menschen im unermeßlichen Weltraum, seine Verbannung an den Rand einer durchschnittlichen Spiralgalaxie. Sie löst seine jahrhundertelang beanspruchte Sonder- und Mittelpunktstellung auf."[1][2][3] Trotz dieser eindeutigen Abfuhr an eine etwaige Sonderstellung des Menschen bleibt Wetz sensibel für Fragestellungen und Themen der traditionellen Geistes- und Kulturwissenschaft.[4][5] Gerade auf dieser Grundlage einer konsequenten Ablehnung höherer Instanzen, stellt er sich der Frage nach der Aushaltbarkeit einer solchen Existenz.[6]
Wetz findet in diesem Zusammenhang beispielhaft folgende Worte "Nun stellt sich allerdings die prekäre Frage, ob denn eine Ausschaltung der sehnsuchtsvollen Erinnerung an vormalige Sinnmodelle und eine Minderung der überschwenglichen Sinnerwartungen ohne weiteres möglich sind. Läßt sich der Sinnbecher so einfach aus der Welt schaffen?"[7]Ein metaphysisches Sinnmodell verabschiedet er im Kontext der Existenz von Milliarden Sonnen im Weltall und einer ungeheuer kurzen Präsenz des Menschen in eben diesen Weiten "Vielen Wissenschaftlern gilt als sicher, daß im Ganzen des kosmischen Geschehens das Auftreten von bewußtem Leben, das an die Funktionsfähigkeit eines Gehirns gebunden ist und ohne neurophysiologische Prozesse nicht ablaufen kann, höchst unwahrscheinlich war. Dieses und darüber hinaus die wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Mechanismen der Vererbung sowie die Naturgeschichte des menschlichen Verhaltens lassen kaum noch die anthropozentrischen Aussagen und Traditionen zu und berauben alle metaphysischen Sinnmodellen ihre Plausibilität."[8]
Hieraus leiten sich nun vielfältige Fragestellungen und Themenkomplexe ab. Trotz der hier anzutreffenden enormen Bandbreite verbindet sie doch eine Klammer. Diese versucht eine Grauzone zu beleuchten. Die Grauzone der letzten großen Menschheitsfragen im Kontext unseres täglichen Handelns und Denkens. In diesem Zusammenhang seien einige zentrale Themen angeschnitten.

Zentrale Themen und Fragestellungen

  • Ist ein sinnvolles Leben ohne Religion möglich? Dieser Frage widmet sich Wetz in seiner „Kunst der Resignation“.[9]
  • Der Mensch als ein unbedeutender Klecks im Universum. Mehr eine Feststellung als eine aufgeworfene Frage. Das uns gegenüber stumme Universum mit all seinen Fragen an die menschliche Existenz bildet den Kern seiner umfangreichen Habilitationsschrift „Lebenswelt und Weltall“.[10]
  • Auf welchen Trost kann der Mensch dann überhaupt noch hoffen? Der Frage nach einer die Religion ersetzenden Quelle des Trostes widmet sich Franz Josef Wetz in seinem Buch „Magie der Musik“.[11]
  • Der Mensch muss groß von sich denken um in der Welt zu bestehen. Doch wie soll er dies schaffen, wenn er eigentlich klein und nichtig ist? In der „Illusion Menschenwürde“ steht eine von metaphysischen Einfärbungen bereinigte Menschenwürde im Zentrum der Betrachtung. Einer gänzlichen Verwerfung des Würdebegriffs stellt sich Wetz allerdings entgegen, da dieser für ein stabiles Leben als unumgänglich erscheint.[12]
  • Das Leben in seiner Intensität und als Genuss zu empfinden stellt eine große und oft vernachlässigte Herausforderung in unserem Dasein dar. Das aktuellste Werk „Lob der Untreue“ widmet sich diversen Tabuthemen einer nur vordergründig offenen und aufgeklärten Gesellschaft. Lügen begleiten unser Dasein und sind nicht nur unumgänglich. Geradezu notwendig erscheinen diese vor dem Lichte dieser Zusammenschau unserer sexuellen Existenz. Wetz plädiert in diesem Zusammenhang für eine neue Sexualkultur, welcher die „Kunst des Begehrens“ abhanden gekommen zu sein scheint und lenkt den Blick auf die „Hinterbühne“ unserer Gesellschaft, deren weißes Hemd bei näherer Betrachtung durchaus befleckt erscheint.[13]

Einflüsse

Wie bereits festgestellt wurde, stehen letztlich drei Begriffe im Zentrum seines philosophischen Schaffens: die Selbstachtung, die Suche nach Trost und die nach Intensität. Die Diskussion über die Stellung des Menschen innerhalb dieser Begriffsnetze, welche unser Leben spinnen, erhellen dessen Doppelcharakter. Auf der einen Seite tritt der Mensch als ein Mängelwesen in Erscheinung. Diese Sichtweise wurde vor allem durch Odo Marquard, Hans Blumenberg und Arnold Gehlen beeinflusst. Doch nicht nur als ein solches Mängelwesen kann der Mensch ausgemacht werden. Zudem ist dieser überaus talentiert und verfügt über große Lustquellen. Diese Sichtweise auf den Menschen folgt der Linie von Nietzsche bis Bataille.

Werk (Auswahl)

Autor

  • Lob der Untreue. Eine Unverschämtheit, Diederichs, München 2011.
  • Baustelle Mensch. Bioethik der Selbstachtung, Klett-Cotta, Stuttgart 2009.
  • Illusion Menschenwürde. Aufstieg und Fall eines Grundwerts, Klett-Cotta: Stuttgart 2005. ISBN 3608941223
  • Die Magie der Musik. Warum uns Töne trösten, Klett-Cotta: Stuttgart 2004.
  • Hans Blumenberg zur Einführung, Junius: Hamburg 1993, Neufassung 2004.
  • Die Kunst der Resignation, Klett-Cotta: Stuttgart 2000, dtv: München 2003. ISBN 3608942521
  • Tote hoch zu Ross. Vom Triumph der Statue zum Verbot des Plastinats, Arts and Sciences: Heidelberg 2003.
  • Die Würde der Menschen ist antastbar. Eine Provokation, Klett: Cotta: Stuttgart 1998, 2. Auflage.
  • Friedrich W. J. Schelling zur Einführung, Junius: Hamburg 1996.
  • Edmund Husserl, Campus: Frankfurt/M. 1995.
  • Die Gleichgültigkeit der Welt, Campus: Frankfurt/M. 1994.
  • Hans Jonas zur Einführung, Junius: Hamburg 1994.
  • Lebenswelt und Weltall. Hermeneutik der unabweislichen Fragen, Klett-Cotta: Stuttgart 1994.
  • Das nackte Daß. Zur Frage der Faktizität, Neske: Pfullingen 1990.
  • Tübinger Triade. Zum Werk von Walter Schulz, Neske: Pfullingen 1990.

Herausgeber

  • Texte zur Menschenwürde, Reclam, Stuttgart 2011.
  • Kolleg Praktische Philosophie in vier Bänden, Reclam: Stuttgart 2008.
    • Band 1: Ethik zwischen Kultur- und Naturwissenschaft
    • Band 2: Grundpositionen und Anwendungsfelder der Ethik
    • Band 3: Zeitdiagnose
    • Band 4: Recht auf Rechte
  • Francesco Petrarca. Das einsame Leben, Klett-Cotta: Stuttgart 2004.
  • Der Grenzgänger, Arts and Sciences: Heidelberg 2004.
  • Glück. Eine Auswahl, Klett-Cotta: Stuttgart 2002, 2. Auflage.
  • Schöne Neue Körperwelten. Der Streit um die Ausstellung, Klett-Cotta: Stuttgart 2001, 2. Auflage.
  • Die Kunst des Überlebens. Zur Philosophie von Hans Blumenberg, Suhrkamp: Frankfurt 1999.
  • Hermeneutik und Naturalismus, Mohr-Siebeck: Tübingen 1998.

Einzelnachweise

  1. Wetz, Franz Josef: Die Kunst der Resignation, Klett-Cotta: Stuttgart 2000, dtv: München 2003, S. 89.
  2. Wetz, Franz Josef: Lebenswelt und Weltall. Hermeneutik der unabweislichen Fragen, Klett-Cotta: Stuttgart 1994.
  3. Wetz, Franz Josef: Die Kunst der Resignation, Klett-Cotta: Stuttgart 2000, dtv: München 2003, S. 166, 171, 173ff.
  4. Wetz, Franz Josef: Lob der Untreue. Eine Unverschämtheit, Diederichs, München 2011.
  5. Wetz, Franz Josef: Illusion Menschenwürde. Aufstieg und Fall eines Grundwerts, Klett-Cotta: Stuttgart 2005.
  6. Rolf Löchel: Hauptsache glücklich. Franz Josef Wetz resigniert vor dem Mangel an Religion. In: Literaturkritik.de, November 2000. Abgerufen am 14. Oktober 2011.
  7. Wetz, Franz Josef: Die Kunst der Resignation, Klett-Cotta: Stuttgart 2000, dtv: München 2003, S. 150.
  8. Wetz, Franz Josef: Die Kunst der Resignation, Klett-Cotta: Stuttgart 2000, dtv: München 2003, S. 149, 150.
  9. Wetz, Franz Josef: Die Kunst der Resignation, Klett-Cotta: Stuttgart 2000, dtv: München 2003.
  10. Wetz, Franz Josef: Lebenswelt und Weltall. Hermeneutik der unabweislichen Fragen, Klett-Cotta: Stuttgart 1994.
  11. Wetz, Franz Josef: Die Magie der Musik. Warum uns Töne trösten, Klett-Cotta: Stuttgart 2004.
  12. Wetz, Franz Josef: Illusion Menschenwürde. Aufstieg und Fall eines Grundwerts, Klett-Cotta: Stuttgart 2005.
  13. Wetz, Franz Josef: Lob der Untreue. Eine Unverschämtheit, Diederichs, München 2011.

Weblinks


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