- Gatter (Auto)
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Gatter Wagen wurden von 1926 bis 1937 in Nordböhmen gebaut. Der von 1930 bis 1937 produzierte "Kleine Gatter" gilt heute als der erste wahre „Volkswagen“ aufgrund seiner einfachen Handhabung und des extrem niedrigen Anschaffungspreises von rund 1000 RM. Der Gatter Wagen war daher in den 1930er Jahren auch als das „Auto zum Motorradpreis“ oder schlicht als "Gatter Volksauto" bekannt.
Ein in den 1950er Jahren in Kirchheim unter Teck in Baden-Württemberg gebauter Wagen („Gatter Mini“) ging aufgrund des Mangels an Investitionskapital nie in Serie.
Im Dezember 2006, zum achtzigsten Gründungsjubiläum des Autowerkes und dem 110. Geburtstag seines Erfinders, des sudetendeutschen Ingenieurs Willibald Gatter (1896-1973), wurde der Wagen in Tschechien mit einer Gedenkplakette als „Lidového Auta“ geehrt, als das erste in Serie gebaute „Volksauto“.
Entstehungsgeschichte
Willibald Gatter war nach dem Ersten Weltkrieg als Konstrukteur für Automobil- und Flugzeugmotoren bei Austro-Daimler in Wiener Neustadt beschäftigt. Hier entwickelte er 1921/22 zusammen mit Ferdinand Porsche und Ingenieur Karl Bettaque den „Sascha“, den ersten Sport-Rennwagen der Nachkriegszeit. Bereits während des Krieges hatte er zusammen mit Porsche an der Entwicklung benzin-elektrischer C-Züge zum Transport schwerer Artilleriegeschütze gearbeitet, wie etwa dem im Austro-Daimler Schwesterwerk ŠKODA hergestelltem 30,5 cm Mörser.
Die finanzielle Leitung der österreichischen Daimler Motoren AG hatte in den 1920er Jahren Camillo Castiglioni inne, ein Lebemann großen Stils und kaltschnäuziger Finanzhai, der durch Kriegsspekulationen ein riesiges Vermögen zusammengerafft hatte. Seine rein auf den persönlichen Gewinn ausgerichteten Interessen vertrugen sich nicht mit dem technischen Interessen seiner Ingenieure, eine Konstellation die auf Dauer nicht gut gehen konnte.
So verlangte Castiglioni etwa im Februar 1923 die sofortige Entlassung von 2000 Arbeitern und die Übergabe aller Devisen an ihn, um an der Amsterdamer Börse eine Baisse zu erzeugen. Direktor Porsche verließ daraufhin Österreich und ging zu Daimler nach Stuttgart. Willibald Gatter wechselte 1925 zu der Georg Schicht A.G. in Aussig/Elbe. Der Fettsäure verarbeitende Schicht-Konzern betrieb damals Vorstöße in andere Wirtschaftssektoren, um seine im Seifen-Geschäft erwirtschafteten Überschüsse gewinnbringend anzulegen. Georg Schicht, dem die kaufmännische Leitung des Unternehmens unterlag, schien die nach dem Ersten Weltkrieg schnell aufstrebende Automobilproduktion dazu der richtige Weg. Gatter wurde als technischer Leiter der neuen Automobil-Sparte angeworben, mit dem Zugeständnis, weitgehende Freiheiten in Gestaltung und technischer Ausführung zu haben und das Auto als „Gatter Wagen“ zu vermarkten. Gatters Vorhaben war die Schaffung eines preisgünstigen Viersitzers, der die Motorisierung breiter Schichten der Bevölkerung ermöglichen würde, ein sogenanntes „Volksauto“. Ende des Jahres 1926 war der Prototypen des Gatter-Wagens bereits fahrtüchtig und im Frühjahr 1927 wurde in Aussig an der Elbe die Produktion eines verfeinerten Wagens aufgenommen. Wie überall in Böhmen, war die Motorisierung dieser 40.000 Einwohnerstadt damals erst wenig fortgeschritten und Fiaker prägten nach wie vor das Bild. Nach einer Statistik des Polizeirayon Aussig zählte die Stadt erst 166 Personenwagen, 86 Lastautos, 3 Autobusse und 4 Traktoren. Zum Anlass des 80jährigen Gründungsjubiläums der Schichtwerke wurde der damals noch recht archaisch-kastenförmige Gatter Wagen 1928 erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Von den Aussiger Bürgern wurde das Vorhaben einer heimischen Automobilproduktion mit Wohlwollen und Stolz aufgenommen. Als die Zeitschrift Motor-Kritik das Fahrzeug 1929 der Fachwelt vorstellt, weist der Wagen bereits aerodynamische Kurven auf.
Die Weltwirtschaftskrise, die 1929 auch über Böhmen hereinbricht, beendet jedoch die Pläne zur Aufnahme einer Serienproduktion. Europa versinkt in Arbeitslosigkeit und Inflation, die Nachfrage nach Automobilen erreicht einen Tiefststand und das Aktienkapital vieler Betriebe, so auch der Schicht A.G. verfällt. Mitte Mai 1929 veröffentlicht die Motor-Kritik noch die Pläne des Wagens und adelt ihn als zukunftsträchtiges Modell eines „Europawagens“. „Zwischen ausgesprochenen Autosurrogaten und “Luxus”-Wagen mit über 20 Pfennig Kilometerkosten gibt es einfach nichts“, schreibt Chefredakteur Josef Ganz, „und diese klaffende Lücke könnte ein entsprechend durchgereifter Gatterwagen schließen”. Gatter kehrte daraufhin in seine Heimatstadt zurück und arbeitete unverzagt an den Plänen für ein neues GATTER-Auto. Der Wagentyp den es zu schaffen galt sollte den Komfort eines Automobils besitzen, doch im Benzinverbrauch, der technischen Einfachheit und im Preis einem Motorrad entsprechen. Wahre Kleinwagen, geschweige denn „Volksautos“ gab es damals noch nicht. Zwar war der „Volkswagen“ als Schlagwort, ja als Ideologie in aller Munde und 1938 übernahm Adolf Hitler diese populäre Bezeichnung für sein in Wolfsburg gegründetes Volkswagenwerk, doch die gesamte Technik war damals noch zu schwer, zu groß und zu teuer. Moderne Werkstoffe zur Konstruktion leichter Autos, die von einem Motor mit wenigen PS hätten angetrieben werden können fehlten.
Frühe Versuche der zwanziger Jahre, wie etwa das deutsche „Kommissbrot“ von Hanomag, der französische LR2 von Rosengart oder der englische Austin Seven wurden den in sie gesetzten Erwartungen nicht gerecht, da das Gewicht der Wagen nicht im gleichen Maß herabgesetzt werden konnte wie die Motorgröße. Ihre Fahreigenschaften waren daher eher bescheiden, schlechte Kurvenlage, schwach am Berg und ständiger Schaltzwang im Stadtverkehr, ganz zu Schweigen von den hohen Betriebs- und Anschaffungskosten. Spöttisch wurde diese Wagengattung in der Fachpresse bald „kleine Großautos“ oder „verkleinerte Großwagen“ genannt. Dennoch ging Rosengart als „Roi de la petite Auto“, als „König des Kleinwagens“ in die französische Automobilgeschichte ein.
Zur Schaffung eines wahren „Volksautos“, auf tschechisch „Lidovy Automobil“, wie Gatters Wagen in der Firmenwerbung der dreißiger Jahre genannt wurde, musste der Konstrukteur völlig neue Wege beschreiten. Durch eine Verringerung der Einzelteile und der Ausstattung mit einem Leichtholzrahmen wurde das Wagengewicht auf 200 kg reduziert und somit ein Verhältnis von 1:1 von „Nutzlast zu Totlast“, also von Wagengewicht zu Gewicht der Insassen erreicht. So besaßen die frühen Modelle des Wagens aus Gewichts- und Kostenerwägungen etwa auch nur einen einzelnen zentraler Scheinwerfer, ein „Zyklopenlicht“, das dem ersten Modell sein charakteristisches Aussehen gab. Auch ein Rückwärtsgang war nicht vorgesehen. Wie uns der Prospekt von 1931 verrät, würde ein solcher auch nur “unnötige Komplikationen bedeuten”, da die Wendigkeit des Gatter Wagens “ein Umdrehen auf normaler Straßenbreite” ermöglicht. Um einem so leichten Wagen aber auch gute Fahreigenschaften auf den damaligen schlechten Straßen zu geben war auch im Aufbau des Rahmens und der Achsen ein totales Umdenken erforderlich. Gatter löste dieses Problem mit Hilfe von langen, von Vorder- zu Hinterachse durchlaufenden Federn, welche die Karosserie stets parallel anhoben, im Gegensatz zu den unabhängig agierenden Federn normaler Wagen die ein Kippen der Karosserie zulassen.
Autowerk Gatter in Reichstadt
Ende des Jahres 1929 waren die Pläne für diesen KLEINEN GATTER soweit gediehen, dass Gatter sich zur Produktion entschloss. Am 22. November 1929 stellt er im nordböhmischen Reichstadt den Antrag zur Erbauung einer Fabrikationshalle und am 13. September 1930 wird ihm schließlich die gewerberechtliche Genehmigung für die “Herstellung von Kraftfahrzeugen im Gebäude N.C. 126 in Reichstadt-Vorstadt” erteilt. Das AUTOWERK GATTER-REICHSTADT war geboren. Zwischen Oktober 1930 und Juni 1936 wurden hier zwischen 1400 und 1500 Kleinwagen dieser Marke produziert. Die Marke Gatter, das “Auto zum Motorradpreis”, trug in diesen Jahren entscheidend zu Motorisierung des Bürgertums im Norden Böhmens bei. Mit einem Preis von nur 12.800 Kronen (ca. 1.000 Reichsmark) kostete der KLEINE GATTER 1930 weit unter der Hälfte des billigsten Mittelklassewagens der Marke ŠKODA und entsprach dem Jahreslohn eines Arbeiters. Damit war der KLEINE GATTER Europas billigste Automobil. Erst 1933 kam mit dem „Standard Superior“ entworfen von Gatters Wegbegleiter, dem Ingenieur Josef Ganz, ein vergleichbarer Wagen auf den deutschen Markt, der auf der Berliner Automobilausstellung von 1933 mit einem Preis von 1590 RM als „deutscher Volkswagen“ beworben wurde. Der Durchschnittspreis eines Automobils lag auf der Berliner Ausstellung allerdings bei rund 4200 Reichsmark, und damit beim vierfachen Preis eines Gatter Wagens. Die günstigsten Modelle von Mercedes und NSU lagen damals bei 4400 bis 5450 RM, dagegen waren BMW und DKW fast schon als billig zu bezeichnen mit Preisen von 2500 bis 2700 RM.
Heute fast vergessen, ist der Jude Josef Ganz (1899-1967), auch der Vordenker des VW-Käfers. Sein Prototyp „Maikäfer“ von 1932, der 1933 als „Standard Superior“ in Serie geht sieht dem 1935 erstmals der Öffentlichkeit vorgestellten VW-Käfer der jedoch erst ab 1945 serienmäßig produziert wird mehr als täuschend ähnlich. Nach der Berliner Automobilausstellung wurde Ganz im Januar 1934 von der Gestapo verhaftet und ins Schweizer Exil getrieben. Vor diesem Hintergrund ist es auch nicht verwunderlich dass die Tschechen Gatter heute als den wahren Erfinder des Volkswagens, des „Lidovy Automobil“ oder „Lidového Auta“ ehren, denn sein KLEINER GATTER war das erste in Serie produzierte Automobil das dieses Prädikat auch wirklich verdient. So widmet der nordböhmische Tourismusverband dem Konstrukteur im Dezember 2006 anlässlich seines 110. Geburtstags und dem 80. Jahrestages der Gatter Automobilproduktion eine Gedenkplakette.
Dass sich der GATTER-Wagen innerhalb kürzester Zeit großer Popularität erfreute und auch über die Grenzen Böhmens hinaus bekannt wurden, lag jedoch nicht allein an den geringen Anschaffungs- und Betriebskosten. Auch die spektakulären Rennerfolge Gatters trugen zum guten Ruf des Autos bei. Mit seinem KLEINEN GATTER gewann der Konstrukteur viele Preise bei den Bergrennen der Dreißigerjahre. Seine größten Erfolge waren Goldmedaillen beim Böhmischen Bergrennen und der Riesen- und Isergebirgsfahrt, und Klassensiege beim Großen Bergpreis von Deutschland, der Schwarzwald Zielfahrt und der Tatra Sternfahrt. Auch gegen die Granden des damaligen Rennsports anzutreten, wie Rudolf Caracciola scheute sich Gatter nicht. Ihm ging es weniger um einen Sieg, als darum, die Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit von Kleinwagen vor einem Massenpublikum unter Beweis zu stellen. Er verstand sich als Vorkämpfer in der Erneuerung des deutschen Automobilbaus. 1931 trat Gatter beim Großen Bergpreis von Deutschland am Schauinsland mit seinem „Kleinen Gatter“ an, dem kleinsten Wagen des gesamten Rennens. Caracciola gewann souverän auf Mercedes SSKL mit 7069 ccm in 8:51 Stunden und einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 81,2 km/h. Gatter bewältige die 720 Kilometer lange Rennstrecke auf seinem „Kleinen Gatter“ mit 350 ccm in 17:38 Stunden und einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 40,7 km/h. Mit einem elften Platz zog Gatter am 26. Juli 1931 zur Siegerehrung in Freiburg ein, sein Kleinwagen ungläubig bestaunt und bejubelt von Tausenden Freiburgern. Zuvor hatte er aus Prag kommend den 5. Platz bei der Zielfahrt des Rennens belegt. Ein Beweis für die Wirtschaftlichkeit seiner Konstruktion war für Gatter der Umstand, dass er mit einem Motor der gerade einmal einem zwanzigstel der Leistungsfähigkeit von Caracciolas SSKL entsprach, in der Hälfte von dessen Bestzeit und der Hälfte der Höchstgeschwindigkeit ins Ziel kam.
Für den Erfolg des Autos spielte aber auch gezielte Werbung eine große Rolle. 1931 finden sich GATTER-Automobilvertretungen bereits in Komotau, Böhmisch Leipa, Gablonz, Prag und in den angrenzenden deutschen Reichsgebieten, so im bayrischen Weiden und Regensburg, und in Chemnitz und Dresden in Sachsen. Dies waren - typisch für die damalige Zeit - meist Einmannvertretungen, die auf Provisionsbasis nach Käufern suchten und Interessenten auch zuhause aufsuchten um diese auf Probefahrten mitzunehmen. Gut ausgestattete Fabrikvertretungen gab es damals nur von den großen Automobilherstellern in den wenigen Großstädten. GATTER-Wagen fuhren in den Dreißigerjahren vor allem im Dreieck Aussig, Prag, Reichenberg. Die weitaus meisten Fahrzeuge dieses Bautyps fanden sich aber im unmittelbaren Umkreis des Reichstädter Wirkungsfeldes Willibald Gatters - auf den Straßen zwischen Melnik, Böhmisch Leipa und Niemes. Bereits Ende 1931 war die erste Fabrikationshalle zu klein geworden. Gatter erwarb im Januar des Folgejahres die angrenzende Parzelle und errichtete hier 1932 ein großes Fabrikgebäude. Das ursprüngliche Werksgebäude wurde zur Wartungshalle für bereits laufende Gatter-Wagen umfunktioniert. Als hinderlich für eine Expansion der Produktion erwies sich jedoch das Kreditklima der damaligen Zeit.
In Böhmen wirkte sich der Zusammenbruch der Banken bis Mitte 1933 auf Industriekonzerne aus, die durch die Schließung der Finanzhäuser als Konsequenz der Weltwirtschaftskrise an Kreditaufnahme und Neuinvestitionen gehindert wurden. So blieben Gatter nur private Investoren zur Finanzierung seines Projekts, was diesem jedoch enge Grenzen setze. Financiers der Gatterwerke umfassten etwa den Reichstädter Christbaumschmuck Fabrikaten Eduard Held und Helene Rösler (geb. Gatter), Inhaberin der renommierten Böhmisch Leipaer Pianoforte Fabrik Rösler. Der erste Wagen des Typs KLEINER GATTER, der ab Oktober 1930 auf den Markt kam, war noch ein reines Zweckfahrzeug, dem die spätere Eleganz der GATTER-Automobile völlig fehlt. Unter der Stahlblech-Karosserie des 9-PS Fahrzeuges befand sich ein leichtes aber stabiles Holzgerüst, das es dem kleinen Auto ermöglichte eine Spitzengeschwindigkeit von 60 km/h zu erreichen. Der Wagen hatte eine Länge von 2,60 Metern, war luftgekühlt mit zwei Ventilatoren, besaß einen Handstarter und bot zwei Personen mit Gepäck Platz. Das Fahrzeug verfügt über zwei Vorwärtsgänge, besaß jedoch noch keinen Rückwärtsgang. Hatten frühe Modelle noch einen fabrikatsfremden englischen Villiers Zweitaktmotor, so entwickelte Gatter ab 1932 eigene Motoren, die bei der Firma Julius Winkler in Warnsdorf, einer Gießerei und Armaturenfabrik, gegossen wurden.
Ab 1932 wurde auch die Karosserie eleganter gestaltet und die vormals steile Windschutzscheibe nun aerodynamisch leicht nach hinten gekippt. Die Sitze des 1932er Modells waren mit strapazierfähigem Cordsamt bezogen, auf Wunsch konnte der Wagen noch mit einem zusätzlichen Schonbezug für Sitze und Innenwände ausgestattet werden, der mit Druckknöpfen angebracht war und so zum Waschen leicht entfernt werden konnte. Dieser Wagentyp besaß nur eine Türe, die auf der Beifahrerseite angebracht war. Die Galanterie verlangte damals schließlich eine Türe für den weiblichen Beifahrer, während sich der Fahrer selbst, sportlich aus dem Wagen schwang, oder weniger sportlich, auf der Beifahrerseite aussteigen konnte. Modelle ab 1933 wurden dann mit einer zusätzlichen Fahrertüre ausgestattet, was dem Kundenwunsch entsprochen haben dürfte.
Ab 1932 wurden Viersitzer mit Fließheck und einem von außen zugänglichem Kofferraum produziert. Alle Modelle ab 1933 waren serienmäßig auch mit einem Rückwärtsgang ausgestattet. Dies bot nicht nur mehr Fahrkomfort denn nun musste man den Wagen nicht mehr wenden um eine kurze Wegstrecke in entgegengesetzter Richtung zurückzulegen, es bot auch mehr Sicherheit. Von nun konnten steile Straßenstücke des bergigen Nord-Böhmens bei der Vorwärtsfahrt auch im Rückwärtsgang überwunden werden, da dieser der Gang mit der kleinsten Übersetzung war und folglich mitbremste. 1933 erreichten die Gatter Wagen mit ihren nun 10 PS eine Geschwindigkeit von 75 km/h.
Die Wirtschaftskrise, welche die Tschechoslowakei in den Dreißiger Jahren zunehmend erfasste, ging auch am Autowerk Gatter nicht spurlos vorüber. Gatters wichtigste Klientel, die sudetendeutsche Mittelschicht, die am stärksten von der Krise betroffen war, verarmte rasch. „Volksautos“ konnte sich der kleine Mann bald nicht mehr leisten. Aufgrund zunehmender Feindseligkeit zwischen Tschechen und Deutschen fiel Mitte der Dreißigerjahre auch der tschechische Käuferkreis als Kunden aus. Eine Zeit lang konnte sich das Werk durch die Produktion von Nutzfahrzeugen, etwa kleinen Last- und Lieferwagen und der Reparatur bereits laufender Gatter-Wagen am Leben erhalten. Gatter bemühte sich auch um öffentliche Aufträge zum Bau von Spezialfahrzeugen für die Eisenbahn, doch aufgrund seiner Volkszugehörigkeit und seiner politischen Aktivität konnte er von Seiten der tschechoslowakischen Regierung auf kein Entgegenkommen hoffen. Im Jahre 1937 war das Autowerk Gatter gezwungen zu schließen.
Nach dem Krieg plante Willibald Gatter eine Neuauflage seines Auto-Erfolges und entwarf in den Fünfzigerjahren erneut einen erschwinglichen Kleinwagen. In Kirchheim unter Teck in der Krebenstrasse, dort wo heute das Werk des Segelflugzeugherstellers Schempp-Hirth liegt, baute er den Prototyp des „Gatter Mini“, eines Wagens mit 300 ccm Motor, von der Leistungsstärke einem Goggomobil vergleichbar. In der Region um die Teck erprobte er das Fahrzeug auf seine Leistungsfähigkeit und fuhr ihn viele Male die damals noch ungeteerten Straße am Steilabfall der Schwäbischen Alb hinauf und wieder hinab.
Trotz hervorragender Fahreigenschaften und eines Verbrauchs von nur zweieinhalb Litern auf 100 km sollte es nie zur Serienproduktion kommen. Mit dem anbrechenden deutschen Wirtschaftswunder schwand das Interesse der Verbraucher für Klein- und Kleinstwagen, und auch erfolgreiche Modelle wie Isetta, Lloyd, der Messerschmitt Kabinenroller oder das Goggomobil wurden bald von großen Straßenkreuzern amerikanischen Stils verdrängt. So wandten sich auch die Investoren von dem Projekt ab, die Gatters Kleinstwagenkonzept zunächst gefördert hatten, darunter auch Ferry Porsche, Sohn von Gatters Weggefährte Ferdinand Porsche und der Stuttgarter Stossdämpferfabrikant Herion. Gatter hatte für die Entwicklung hin zu immer größeren Wagen und immer mehr Protz nur ein Kopfschütteln übrig: „soviel Blech zur Beförderung von ein paar Kilo Menschenfleisch.“
Dass der erst ab 1945 in Serie gebaute VW-Käfer diese Entwicklung überlebte, verdankt er einzig dem Unstand, dass er eigentlich nie der „Volkswagen“ war, als der er schlechthin galt. Der Käfer war nach dem Krieg mit 4000 DM weder billig in der Anschaffung, noch sparsam im Verbrauch mit 10 Litern und war daher überwiegend ein Mittelklasse-Wagen gewesen. In den fünfziger und sechziger Jahren wurde er so zum Liebling der städtischen Mittelschicht. Auch das Zeitalter der Vielfalt in der deutschen Autoindustrie ging nun zu Ende und die Automobilbranche erfuhr eine Konzentration hin zu wenigen kapitalstarken Unternehmen. Auch einst erfolgreiche deutsche Autobauer wie NSU, DKW oder Adler fielen dem zum Opfer. Erst in den letzten Jahren erfuhren die Klein- und Kleinstwagen - die „Cityflitzer“, wie man sie gerne nennt - eine Renaissance mit Modellen wie Twingo, Ford Ka, oder KIA Picanto und selbst die großen Autobauer wie Mercedes mit seinem „Smart“, konnten sich diesem Trend nicht entziehen.
Heute existiert wohl nur noch ein Gatter Wagen. Es ist ein 1932er Viersitzer mit Rückwärtsgang und Ketten-Antrieb. Jiří Beran aus Český Dub (Böhmisch Aicha), ein Auto- und Motorrad-Liebhaber fand das Fahrzeug in den 1970er in einer Scheune in Jičín in einem bedauernswerten Zustand. Mit viel Zeit und Liebe richtete er es wieder her. Dass nur einer dieser einst so beliebten Wagen überdauert haben soll, erklärt sich leicht. Während Wagen aus reichsdeutscher Produktion 1939 zu Kriegszwecken von der Wehrmacht in Böhmen beschlagnahmt wurden und im Armeebetrieb den Krieg teils überdauerten, mussten Wagen nicht-reichdeutscher Hersteller – so auch alle Wagen der Marke GATTER – nach Kriegsbeginn von ihren Besitzern aus Nordböhmen in Kolonne nach Bautzen in Sachsen gefahren werden, wo sie in einem Wehrmacht-Kraftfahrzeugpark ausgeschlachtet wurden, um Rohstoffe für Kriegszwecke zu gewinnen. Hier dürften auch die meisten GATTER Wagen zur Produktion von Waffen und Munition weiterverwendet worden sein.
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