- Generica
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Als Generikum (Plural Generika) bezeichnet man ein Arzneimittel, das eine wirkstoffgleiche Kopie eines bereits unter einem Markennamen auf dem Markt befindlichen Medikaments ist. Von diesem Originalpräparat kann sich das Generikum bezüglich enthaltenen Hilfsstoffen und Herstellungstechnologie unterscheiden.
Ein Generikum soll dem Originalprodukt in dessen beanspruchten Indikationen therapeutisch äquivalent sein, d. h., es muss ihm in Wirksamkeit und Sicherheit entsprechen. Die Bioverfügbarkeit eines Generikums einschließlich des gesamten Konfidenzintervalles muss innerhalb des Bereiches von 80 % bis 125 % der Bioverfügbarkeit des Originalpräparats liegen (Bioäquivalenz). In der Praxis beträgt die Abweichung vom Originalpräparat in der Regel aber weniger als 5 %.[1]
Generika werden meistens nach dem Freinamen (International non-proprietary name, INN) des Wirkstoffes mit dem Zusatz des Herstellers benannt. Ihnen gleichzusetzen sind die so genannten Markengenerika (branded generics), die patentfreie Wirkstoffe unter einem neuen Handelsnamen anbieten.
Generika sind in der Regel preisgünstiger als das Arzneimittel des Erstanbieters, da die Forschungs- und Entwicklungskosten bei der Produktion des Wirkstoffes entfallen und deshalb auch nicht amortisiert werden müssen. Die Stiftung Warentest hat in einer Untersuchung im September 2004 nachgewiesen, dass die Preise für generische Medikamente teilweise nur ein Drittel des Originalpräparates betragen. Um den durch die pharmazeutische Forschung erzielten Nutzen nicht sofort an die Generika-Hersteller zu verlieren, sind die von den forschenden Arzneimittelherstellern (in Deutschland organisiert im Verband Forschender Arzneimittelhersteller) entwickelten Produkte durch Patente geschützt. Der Patentschutz bewirkt, dass die Originalpräparate in den ersten Jahren nach der Markteinführung keine Konkurrenz durch Generika haben. Er verhindert aber auch die Nutzung preiswerter Generika in Entwicklungsländern.
Inhaltsverzeichnis
Beispiel
Beispielhaft für Generika sind Acetylsalicylsäure-haltige Präparate. Der ursprünglich von der Bayer AG (Leverkusen) entwickelte und in verschiedenen Arzneiformulierungen unter dem Namen Aspirin vertriebene Wirkstoff ist nunmehr Bestandteil zahlreicher Generika wie z.B. ASS Ratiopharm.
Rechtliche Schranken für den Markteintritt von Generika
Der Markteintritt von Generika wird durch verschiedene Rechtsvorschriften beschränkt. Dazu zählt einerseits das Patentrecht, andererseits greift auch ein arzneimittelrechtlicher Unterlagenschutz für die Zulassungsunterlagen des Originalherstellers. In der Regel ist eine Markteinführung von Generika erst zehn bis 15 Jahre nach Erstzulassung des Referenzarzneimittels zulässig.
Die Patentgesetze sehen eine Patentlaufzeit von 20 Jahren vor. Da Arzneimittel eine lange Entwicklungszeit haben und ein zeitraubendes Zulassungsverfahren durchlaufen müssen, wodurch die effektive Marktexklusivität deutlich verkürzt wird, wurden in der Europäischen Union, aber auch in anderen Ländern ergänzende Schutzzertifikate eingeführt. Nach der Verordnung (EWG) Nr. 1768/92 kann einem Patentinhaber ein solches Zertifikat für fünf Jahre erteilt werden; die Dauer der Marktexklusivität ab der ersten Arzneimittelzulassung ist auf höchstens 15 Jahre beschränkt.[2] Abweichend davon kann das Patent oder Schutzzertifikat um weitere sechs Monate verlängert werden, wenn das Arzneimittel für eine pädiatrische Indikation nach der Verordnung (EG) Nr. 1901/2006 (Kinderarzneimittel-Verordnung) zugelassen wird.[3]
Unabhängig vom Patentschutz sieht das Europäische Arzneimittelrecht in der Richtlinie 2001/83/EG vor, dass Generika erst zehn Jahre nach Zulassung des Originalpräparats in den Verkehr gebracht werden dürfen. Wenn der Originalhersteller vorher eine Zulassung in weiteren Indikationen mit bedeutendem klinischen Nutzen im Vergleich zu den bestehenden Therapien erhält, wird dieser Unterlagenschutz auf höchstens 11 Jahre verlängert.[4] Erst nach Ablauf dieser Frist darf der Generikahersteller auf die in den Zulassungsunterlagen für das Referenzarzneimittel dokumentierten Ergebnisse der vorklinischen und klinischen Versuche des Originalherstellers verweisen.
Die Durchführung klinischer Studien durch Generikafirmen wird vom Patent- und Unterlagenschutz nicht berührt (Versuchsprivileg; Roche-Bolar provision).
Hersteller und Verbände
Die Hersteller von innovativen, forschungsintensiven Medikamenten und von Generika bilden meist zwei scharf voneinander getrennte Gruppen innerhalb derselben Branche, da die forschenden Pharma-Unternehmen in den Generika-Produzenten lediglich Nutznießer sehen, die die Früchte ihrer eigenen Arbeit ohne Forschungsaufwand einsammeln und zu Kampfpreisen in den Markt drücken. Umgekehrt vertreten die Generika-Hersteller den Standpunkt, dass die Hersteller der Originalpräparate die hohen Preise ihrer Produkte auch dann noch einfordern, wenn die Forschungskosten sich längst amortisiert haben, wodurch das Gesundheitssystem bzw. die Kostenträger unmäßig finanziell belastet werden. Kritiker bemerken ferner, dass die Marketingausgaben die Forschungsausgaben der Pharmaunternehmen überwiegen. Allerdings produzieren immer mehr forschende Pharmaunternehmen selbst auch Generika. So ist zum Beispiel die Novartis-Tochter Sandoz mit Hauptsitz in Holzkirchen die zweitgrößte Generika-Firma der Welt. Auch Generikahersteller selber haben oft Tochterfirmen, die das inhaltsgleiche Präparat noch günstiger anbieten (z.B. gehört AbZ Pharma zu Ratiopharm und 1A-Pharma zu Hexal, die wiederum zu Novartis gehört).
Bekannte Hersteller von Generika in Deutschland sind Ratiopharm, Hexal und Stada. Bei diesen Herstellern handelt es sich um Anbieter umfangreicher Produktpaletten zu unterschiedlichen Indikationen. Andere Hersteller konzentrieren sich auf wenige Schwerpunkte, wie beispielsweise der Hautspezialist Dermapharm. Über die Bedeutung der Generikaindustrie für die Gesundheitsversorgung in Deutschland informiert eine Studie aus dem Juni 2005[5], die die Accenture GmbH in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Ingolstadt durchgeführt hat.
Der Verband Pro Generika ist der wichtigste Verband der Generika-Industrie in Deutschland. Seine 18 Mitglieder[6] decken einen Marktanteil von gut 90 Prozent der Hersteller ab, die ausdrücklich als Generikaunternehmen auftreten. Der seit 1986 bestehende Deutsche Generikaverband vertritt dagegen vor allem die Interessen kleinerer und mittlerer Generikahersteller in Deutschland. Er setzt sich insbesondere für Wettbewerb durch möglichst viele Wettbewerber ein.
Bedeutung von Generika in Deutschland
Im generikafähigen Markt, also im Markt der nicht mehr patentgeschützten Medikamente, ist der Anteil der Generika kontinuierlich angestiegen. Lag der Verordnungsanteil von Generika bei gesetzlich Krankenversicherten Anfang der 80er Jahre noch bei ca. 30%, erreichte er 2002 ungefähr 75% und 2008 ca. 85%. Nimmt man alle Medikamente als Grundlage, lag der Verordnungsanteil von Generika 2008 bei etwa 62%. Im weltweiten Maßstab sind dies hohe Werte. Nach Berechnungen des der Generikaherstellerverbands Progenerika sollen durch die Verwendung von Generika im Jahr 2008 Einsparungen in Höhe von 11 Mrd. Euro in der gesetzlichen Krankenversicherung Deutschlands erreicht worden sein. Privatversicherte erhalten in Deutschland anteilig weniger Generika und dafür mehr Originalpräparate. Der Verordnungsanteil am generikafähigen Markt bei Privatpatienten beträgt etwa 47%.[7]
Große Generikahersteller
2002
Die folgende Liste enthält die größten Generikahersteller der Welt nach Umsatz in Millionen US-Dollar (Stand 2002)[8]
- Teva (Israel/USA) 2518
- Sandoz (Generikasparte von Novartis, Schweiz) 1812
- Allergan (USA) 1385
- Watson (USA) 1223
- Ivax (USA) 1197 (im Januar 2006 von Teva Pharmaceutical Industries Ltd. übernommen)
- Barr (USA) 1189
- Hexal (inkl. Eon Labs, Deutschland) 1111 (im Februar 2005 von Novartis übernommen)
- Mylan Laboratories (USA) 1104
- Merck KGaA (Deutschland) 1074
- Schwarz Pharma (Deutschland) 908 (2006 von UCB S.A. übernommen)
- Ratiopharm (Deutschland) 878
2005
Die folgende Liste enthält die größten Generikahersteller der Welt nach Umsatz in Millionen US-Dollar (Stand 2005)[9]
- Teva (Israel/USA) 5.250
- Sandoz (Generikasparte von Novartis, Schweiz) 4.694
- Merck KGaA (Deutschland) 2.227
- Ratiopharm (Deutschland) 2.001
- Watson (USA) 1.646
- Stada (Deutschland) 1.267
- Ranbaxy (Indien) 1.178
- Pliva (Kroatien) 1.174 (im Oktober 2006 an Barr Laboratories verkauft)
- Andrx (USA) 1.042
- Barr (USA) 1.030
- Mylan Laboratories (USA) 932
- Actavis (Island) 579
Einzelnachweise
- ↑ Nwakama PE, Haidar SH, Yang YS, Davit BM, Conner DP, Yu LX. Generic Drug Products Demonstrate Small Differences in Bioavailability Relative to the Brand Name Counterparts: A Review of ANDAs Approved 1996 - 2005. 12th Annual FDA Science Forum, 18.-20. April 2006. (engl.).
- ↑ Verordnung (EWG) Nr. 1768/92 über die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Arzneimittel: siehe Erwägungsgründe und Artikel 13
- ↑ Verordnung (EG) Nr. 1901/2006: Artikel 36
- ↑ Richtlinie 2001/83/EG: Artikel 10 (1)
- ↑ Accenture Health & Life Sciences. Die Bedeutung der Generikaindustrie für die Gesundheitsversorgung in Deutschland. Juni 2005.
- ↑ Mitgliedsunternehmen des Verbands Pro Generika, 16. März 2006.
- ↑ F. Wild: Die Bedeutung von Generika bei Privatversicherten im Vergleich zu GKV-Versicherten. 17. Juni 2008.
- ↑ Gerhard Kocher, Willy Oggier (Hrsg.): Gesundheitswesen Schweiz 2004-2006. Verlag Hans Huber, Bern, 2004, 336 S. ISBN 3-456-84080-2.
- ↑ Handelsblatt, 20. Sept. 2006, S. 19.
Weblinks
- Stiftung Warentest über preisgünstige Generika in Deutschland. September 2004.
- Pro Generika
- Deutscher Generikaverband
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