Genisa

Genisa

Geniza (hebr. גניזה gənīzā; aus pers.: gonj Schatzkammer; Plural: Genizoth) ist ein vermauerter Hohlraum zur Aufbewahrung ausgedienter hebräischer liturgischer Schriften. Hier wurden nicht mehr lesbare Torarollen oder andere Texte, die man nicht mehr benutzte, verschlossen abgelegt. Texte, die das Tetragrammaton (JHWH) oder andere Gottesnamen enthalten, dürfen nicht einfach weggeworfen werden. So haben wichtige Schriftstücke der jüdischen Liturgie und der jüdischen Geschichte überdauert.

Inhaltsverzeichnis

Geniza der Ben-Esra-Synagoge in Kairo

Die wohl berühmteste Geniza befindet sich in Kairo und wurde 1890 bei einer Renovierung der Ben-Esra-Synagoge entdeckt, die im Jahre 882 erbaut worden war. In einem abgesonderten Hohlraum unter dem Dach, der nur über eine Leiter zu erreichen war, fanden sich 200.000 Schriftstücke ab dem Jahr 800, wie beispielsweise Das Buch der Weisheit (Altes Testament) in hebräischer Sprache oder die berühmte Damaskusschrift, die später auch in Qumran gefunden wurde, Heiratsurkunden und auch Briefe, die über die Eroberung Jerusalems (Kreuzzüge) aus jüdischer Sicht Auskunft geben.

Die Entdeckung wird Solomon Schechter zugeschrieben. Eine echte Neuentdeckung war es allerdings nicht: 1864 hatte der Gelehrte Jakob Saphir aus Jerusalem zwei Tage in der Synagoge verbracht, ohne den Inhalt der Geniza genau prüfen zu können.

Die Originale der Kairoer Geniza sind heute verstreut; zum Beispiel (allein etwa 110.000) in der Taylor-Schechter Sammlung der Universitätsbibliothek Cambridge, in Princeton, wo Prof. Mark R. Cohen (Near East Studies Department) federführend zum Thema forscht, in der Bodleian Library in Oxford und in Sankt Petersburg.

Die Kairoer Geniza hat ganz entscheidend zum Verständnis sowohl der mittelalterlichen jüdischen Geschichte als auch der wissenschaftlichen Erschließung des Judeo-Arabischen und zur Kenntnis der Kultur des Mittelmeerraumes beigetragen. Es ist das Verdienst des Orientalisten Shlomo Dov Goitein, mit seinem fünfbändigen Werk A Mediterranean Society diese wichtigen Materialien der Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu haben. Ein Wörterbuch der Materialien in der Geniza in arabischer Sprache nach Goiteins A Mediterranean Society haben die deutschen Orientalisten Werner Diem und Hans-Peter Radenberg im Jahre 1994 herausgegeben (siehe Literatur).

Genizafunde in Deutschland

In den letzten Jahren sind vor allem im süddeutschen Raum – und hier insbesondere in Franken – Genizafunde aus ehemaligen Synagogengebäuden geborgen worden. Eine der umfangreichsten fränkischen Genizoth befindet sich im Jüdischen Kulturmuseum in Veitshöchheim. Die Veitshöchheimer Geniza befand sich im Dachboden der ehemaligen Synagoge von Veitshöchheim und wurde etwa von 1730 bis 1900 belegt. Zahlreiche Drucke und Handschriften sind älter, was auf eine lange Verwendung der Texte schließen lässt. Der schriftliche Bestand setzt sich aus religiösen Schriften wie Bibeln, Gebetbüchern, Einzelgebeten oder rabbinischen Auslegungen aber auch aus nichtreligiöser Literatur wie Märchen, Erbauungsliteratur oder historischen Abhandlungen zusammen.

Die Literatur, die in der Veitshöchheimer Geniza gefunden wurde, ist hauptsächlich in hebräischer, jiddischer oder deutscher Sprache verfasst. Etwa ein Drittel der Texte ist in Hebräisch geschrieben, ein weiteres Drittel in Jiddisch. Einige deutsche Texte sind mit hebräischen Buchstaben geschrieben.

Neben den Druckwerken, zu denen noch Buchstabiertafeln, Lehrbücher der hebräischen Sprache, Taschen- und Wandkalender gerechnet werden müssen, auch Texte in deutscher Sprache (Zeitungen), gibt es auch einen größeren Teil handschriftlicher Texte. In der Mehrzahl handelt es sich um Briefe, rabbinische Gutachten, Quittungen, Rechnungen oder private Aufzeichnungen wie Notizbücher.

Auch Textilien wie etwa Torawimpel, Tefillinbeuteln, Gebetsmäntel, diverse Kopfbedeckungen und Kleidungsstücke oder Schuhe wurden gefunden.

Die Veitshöchheimer Geniza kann wegen ihres Umfangs durchaus exemplarisch für andere Fundorte in Süddeutschland stehen. Die Bedeutung liegt vor allem in ihrem komplexen Bestand, der eindeutig einem bestimmten soziokulturellen Umfeld zugeordnet werden kann. Weiterhin ist eine Datierung und zeitliche Einordnung durch Baudaten des jeweiligen Fundortes recht gut möglich. Das zeigen auch andere Genizafunde aus Franken wie die aus Urspringen, Westheim bei Hammelburg, Altenschönbach, Memmelsdorf oder Mönchsroth.

Im 1998 eingerichteten Genizaprojekt Veitshöchheim wurden bisher alle zugänglichen Genizafunde aus unterfränkischen Synagogen gesichtet und inventarisiert.

Verborgenes Handschriftenerbe in Einbandfragmenten

Als „Genizat Germania“ wird ein neueres Forschungsprojekt an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz bezeichnet, in dem hebräische Einbandfragmente in deutschen Archiven und Bibliotheken katalogisiert werden. Obwohl es sich dabei nicht um eine Geniza im eigentlichen Sinne handelt, lassen die zu erwartenden Ergebnisse doch Schlüsse „über die Zusammensetzung der ‚Bibliothek‘ des ashkenazischen Judentums am Ausgang des Mittelalters“ zu. Vergleichbare Projekte gibt es in anderen europäischen Ländern; hervorzuheben ist die „Ghenizà italiana“, die seit den frühen Achtzigerjahren unter der Leitung von Mauro Perani (Universität Bologna) erforscht wird.

Literatur

Kairoer Geniza

  • Solomon Dob Fritz Goitein: A Mediterranean Society. The Jewish communities of the Arab world as portrayed in the documents of the Cairo Geniza. 6 Bd. University of California Press, Berkeley & Los Angeles 1967–1988. ISBN 0520032659 (Bd III)
    • dass. in einem Bd.: University of California Press, Berkeley – Los Angeles – London 1999. ISBN 0520217349
  • N. Alloni, Geniza Fragments of Rabbinic Literature, Mishna, Talmud and Midrash, with Palestinian Vocalization, Jerusalem 1973 (hebräisch)
  • Stefan C. Reif: A Jewish Archive from Old Cairo. Curzon, Richmont 2000. ISBN 0-7007-1312-3
  • Werner Diem und Hans-Peter Radenberg: A Dictionary of the Arabic Material of S.D.Goitein's A Mediterranean Society. Harrassowitz, Wiesbaden 1994 (dazu siehe: Joshua Blau, in: Jerusalem Studies in Arabic and Islam 19 (1995) 287–295)

Geniza in Veitshöchheim

  • Martina Edelmann, Die Genisa der Synagoge von Veitshöchheim, in: Depotfunde aus Gebäuden in Zentraleuropa. Bamberger Kolloquium zur Archäologie des Mittelalters, Berlin 2005, 147ff.
  • Martin Przybilski, Zu einigen jiddischen Fragmenten aus der Veitshöchheimer Genisa, Aschkenas 11, 2001, 233ff.
  • Elisabeth, Singer, Die Geschichte vom Fischer und seinem Sohn, in: Bayerische Blätter für Volkskunde 33/34, Würzburg 2006/07, 18ff.
  • Erika Timm, Yiddish Literature in a Franconian Genizah, Jerusalem 1988
  • Anette Weber/Evelyn Friedlander, Mappot – gesegnet, der da kommt. Das Band jüdischer Tradition. Ausstellungskatalog, Osnabrück 1997
  • Falk Wiesemann(Hrsg.), Genisah – verborgenes Erbe der deutschen Landjuden. Ausstellungskatalog, Wien 1992

Weblinks


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