Gervasius von Tilbury

Gervasius von Tilbury

Gervasius von Tilbury (frz. Gervais de Tilbury, * um 1150; † um 1235) war ein englischer Rechtsgelehrter, Historiker und Geograph. Er stammte aus normannischem Adel und stand nacheinander in den Diensten König Heinrichs II. von England, Erzbischof Wilhelms von Reims, König Wilhelms II. von Sizilien, Erzbischof Humberts von Arles und Kaiser Ottos IV., des Enkels des englischen Normannenkönigs Heinrich II. Dieser verlieh ihm den Ehrentitel eines Marschalls von Arles.

Gervasius’ Hauptwerk sind die Otia imperialia („Kaiserliche Mußestunden“), eine wohl 1209–1214 verfasste Weltgeschichte und Weltbeschreibung für Kaiser Otto IV. Darin ist nicht nur die gelehrte enzyklopädische Geographie und Weltgeschichte verarbeitet, sondern es sind auch Sagen und Wundergeschichten aus der mittelalterlichen mündlichen Erzählliteratur Englands und der Mittelmeerwelt gesammelt. Dergestalt überliefern die Otia „wichtige Belege für die Vergilsage, die Artustradition, den zeitgenössischen Hexen- und Dämonenglauben sowie für die Feenmythologie und das Melusine-Motiv“ (Maaz). Gervasius galt auch lange als Urheber der Ebstorfer Weltkarte; diese Auffassung konnte inzwischen widerlegt werden.

Literatur

  • Armin Wolf: Gervasius von Tilbury, arelatischer Marschall Ottos IV. und die Ebstorfer Weltkarte. In: Otto IV. - Kaiser und Landesherr. Burgen und Kirchenbauten 1198-1218, hg. von Bernd Ulrich Hucker und J. Leuschner (= Salzgitter-Jahrbuch 29), Salzgitter 2009, S. 157-187
  • Wolfgang Maaz: Gervasius von Tilbury, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 4, Sp. 1361.
  • Gervase of Tilbury: Otia Imperialia. Recreation for an Emperor. Ed. by James W. Binns / Shelagh E. Banks. Oxford 2002 [lateinisch-englisch].
  • Gervasius von Tilbury: Kaiserliche Mußestunden. Otia imperialia. Eingeleitet, übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Heinz Erich Stiene (= Bibliothek der mittellateinischen Literatur 6/7). Stuttgart 2009 [deutsch].
  • Felix Liebrecht: Gervasius von Tilbury, Otia Imperialia. In einer Auswahl neu herausgegeben und mit Anmerkungen begleitet. Ein Beitrag zu deutschen Mythologie und Sagenforschung. Hannover 1856, Seite 149 Digitalisat bei books.google

Weblinks


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