- Gesamthochschule
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Die Gesamthochschule (abgekürzt GH oder GHS) war eine universitäre Hochschulform, die Merkmale von Universitäten und Fachhochschulen miteinander verband. Sie ermöglichte ein Hochschulstudium in bestimmten so genannten „integrierten Studiengängen“ sowohl mit Fachhochschulreife als auch mit allgemeiner Hochschulreife (Abitur). In einigen dieser integrierten Studiengänge konnten verschiedene Diplome erworben werden: das Diplom I, als Abschluss eines wissenschaftlichen Kurzzeitstudiums, sowie das Diplom II, das dem herkömmlichen Universitätsdiplom entsprach. Zusätzlich wurden reine Fachhochschulstudiengänge angeboten, mit dem Abschluss Fachhochschul-Diplom.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Pläne zum Aufbau von Gesamthochschulen wurden seit Mitte der 1960er Jahre in mehreren Bundesländern diskutiert, unter anderem in Baden-Württemberg (Dahrendorf-Plan) und Berlin (Evers-Modell). Die erste Gesamthochschule (und einzige außerhalb Nordrhein-Westfalens) entstand jedoch 1971 unter dem hessischen Kultusminister Ludwig von Friedeburg in Kassel.
Ein Jahr später wurden in Nordrhein-Westfalen als „praktisches Reformmodell“ zeitgleich fünf Gesamthochschulen in Duisburg, Essen, Paderborn, Siegen und Wuppertal gegründet, außerdem die Fernuniversität-Gesamthochschule Hagen. Dieses „integrative Modell“ verfolgte mehrere Ziele:
- die Überwindung unterschiedlicher Zugangsvoraussetzungen (Hochschulreife- und Fachhochschulreifezeugnis) - das erklärte bildungs- und sozialpolitische Ziel der damaligen Landesregierung und sicherlich Hauptmotivation zur Entscheidung für dieses Modell
- den einheitlichen organisatorischen Zusammenschluss von Universitäten, Fachhochschulen und Pädagogische Hochschulen
- die Schaffung von integrativ auf Fachbereiche ausgerichteten Grundeinheiten für Forschung und Lehre alternativ zu den anderswo studiengangsbezogenen Strukturen
- die Zusammenführung des wissenschaftlichen Personals (Lehrende und Forschende) zu einer funktionalen Einheit
In Nordrhein-Westfalen führten ab 1. Januar 1980 die Gesamthochschulen durch das Gesetz über die wissenschaftlichen Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen vom 20. November 1979 die Bezeichnung Universität-Gesamthochschule.[1]
Zum 1. Januar 2003 wurden die Universität-Gesamthochschulen in Nordrhein-Westfalen auf Vorschlag eines Expertenrates in Universitäten umgewandelt. Die Hochschulart Gesamthochschule wurde aufgegeben, da sich das Modell aus spezifischen in der Struktur der Gesamthochschulen liegenden Gründen nicht bewährt habe. Die Umwandlung erfolgte unter der Maßgabe, dass die Hochschulen als Universitäten zu einer dezidierten Profilbildung in Forschung und Lehre gelangen.[2]
Studienmodelle und Brückenkurse
Y-Modell
Beim Y-Modell, das vor allem an den nordrhein-westfälischen Gesamthochschulen praktiziert wurde, absolvierten zunächst alle Studenten ein gemeinsames Grundstudium (bis zum Vordiplom bzw. zur Zwischenprüfung). Im Hauptstudium konnten sich die Studenten dann für das Diplom I oder II entscheiden. Studenten mit Fachhochschulreife mussten bis zum Vordiplom sogenannte Brückenkurse absolviert haben, wenn sie sich für das Diplom II entschieden hatten.
Konsekutivmodell
An der Gesamthochschule Kassel erwarben hingegen alle Studenten zunächst das Diplom I und konnten dann wählen, ob sie darauf aufbauend noch das Diplom II anstrebten. Da das Diplom I auch die allgemeine Hochschulreife (Abitur) beinhaltete, mussten hier keine Brückenkurse für Studenten mit Fachhochschulreife absolviert werden.
Integrierter Studiengang mit einer Abschlussmöglichkeit
Bei diesem Modell, welches in einigen Studiengängen an nordrhein-westfälischen Gesamthochschulen praktiziert wurde, erwarben alle Studenten das Diplom II, Studenten mit Fachhochschulreife mussten in jedem Fall Brückenkurse bis zum Vordiplom absolviert haben. Studenten mit Fachhochschulreife erwarben mit dem Vordiplom die fachgebundene Hochschulreife, mit dem Diplom I die allgemeine Hochschulreife.
Gesamthochschulen in Deutschland
- In Nordrhein-Westfalen: Seit dem 1. Januar 2003 sind alle Gesamthochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen per Gesetz ausschließliche Universitäten. Bereits ein Jahr zuvor sind die letzten Fachhochschulstandorte ausgegliedert und mit anwendungsorientierten Fachhochschulen zusammengeführt worden.[3] Die Immatrikulation mit Fachhochschulreife war an den betreffenden Universitäten noch bis zum Wintersemester 2005/2006 möglich (Meldetermin war im Regelfall der 15. Juli 2005). Seit 2003 können alle Universitäten in Nordrhein-Westfalen in Prüfungsordnungen Regelungen treffen, den Zugang mit Fachhochschulreife durch Nachweis der Allgemeinbildung und der studiengangbezogenen Eignung zu ermöglichen.[4] Beispielsweise können an der Universität Paderborn Elektrotechnik, Maschinenbau, Informatik und andere naturwissenschaftlich/technische Studiengänge mit Fachhochschulreife studiert werden, wenn eine Eignungsprüfung vor dem Studium bestanden wird.
- Folgende nordrhein-westfälische Gesamthochschulen wurden in Universitäten überführt:
- Sowie folgende Standorte in Fachhochschulen:
- Standort Höxter der Universität-Gesamthochschule Paderborn in die Hochschule Ostwestfalen-Lippe
- Standorte Soest und Meschede der Universität-Gesamthochschule Paderborn in die Fachhochschule Südwestfalen
- In Bayern konnte sich aus politischen Gründen die Gesamthochschule nicht durchsetzen. Gleichwohl bieten verschiedene Universitäten in Bayern auch Fachhochschul-Diplomstudiengänge an. Durch das Bestehen der Vordiplomprüfung wird eine fachgebundene Hochschulreife erworben, mit dem Fachhochschuldiplom wird die allgemeine Hochschulreife erworben. Solche faktischen Gesamthochschulen sind unter anderem:
Zukunft
Da Studenten mit Fachhochschulreife einen Großteil der Studenten einiger Fachbereiche der ehemaligen Gesamthochschulen bilden, sind Regelungen für grundsätzlich alle Universitäten in Nordrhein-Westfalen getroffen, die diesen Studenten auch in Zukunft ein Universitätsstudium erlauben. Dies geschieht beispielsweise in Bachelorstudiengängen mit einer zusätzlichen Eignungsfeststellung (nach § 66 Abs. 6 Satz 1 HG von NRW) zu Studienbeginn. Diese sieht vor, dass der zukünftige Student ohne Abitur sowohl eine angemessene Allgemeinbildung (für deren Nachweis beispielsweise die Fachhochschulreife ausreichend sein kann), als auch eine fachspezifische Eignung besitzen soll (was zum Beispiel durch ein Gespräch mit einer Prüfungskommission nachgewiesen werden kann). Es liegt jedoch im Ermessen der Fachbereiche der Universitäten, wie diese Eignungsfeststellungen konkret ausgestaltet werden, bzw. ob dies an dem betreffenden Fachbereich überhaupt möglich ist.
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen, Jahrgang 1979, S. 926.
- ↑ Gesetzesbegründung zum Entwurf des Gesetzes zur Errichtung der Universität Duisburg-Essen und zur Umwandlung der Gesamthochschulen.
- ↑ Gesetz zur Neuordnung der Fachhochschulen vom 27. November 2007. In: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen, Jahrgang 2001, Nr. 40, Düsseldorf 7. Dezember 2001, S. 812.
- ↑ § 49 Abs. 10 Gesetz über die Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen.
Weblinks
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