Gesetz über die Einziehung von Erzeugnissen entarteter Kunst

Gesetz über die Einziehung von Erzeugnissen entarteter Kunst

Das Gesetz über die Einziehung von Erzeugnissen entarteter Kunst vom 31. Mai 1938 (RGBl. I, S. 612) erlaubte rechtsförmig und rückwirkend den entschädigungslosen Einzug von „entarteter“ Kunst, die zuvor aus Museen oder öffentlich zugänglichen Sammlungen „sichergestellt“ worden war. Der Einzug zugunsten des Deutschen Reiches beschränkte sich auf Kunstwerke, die sich zum Zeitpunkt der Beschlagnahme im Eigentum von Reichsbürgern oder inländischen juristischen Personen befanden hatten, und galt nicht „für das Land Österreich“.

Die Einziehung ordnete der „Führer und Reichskanzler“ an, der auch die Verfügung über die ins Eigentum des Reiches übergegangen Gegenstände zu treffen hatte. Diese Befugnisse konnte er anderen Stellen übertragen. Zum Ausgleich von Härten sollten ausnahmsweise Entschädigungen möglich sein.

Inhaltsverzeichnis

Zustandekommen

Nach einer Unterredung zwischen Adolf Hitler und Joseph Goebbels am 24. Juli 1937 entschied Hitler, eine Kommission unter Leitung von Adolf Ziegler zu beauftragen, die „Machwerke der Verfallszeit“ aus allen Museen und öffentlichen Sammlungen zu entfernen.[1] Zuvor schon hatte Hermann Göring einen ähnlichen Auftrag an Bernhard Rust erteilt, wurde jedoch von Hitler gebremst, der „offensichtlich das Zepter keinesfalls aus der Hand geben“ wollte. [2]

Die angeordnete und durchgeführte Beschlagnahme beruhte zunächst allein auf einem „Führerbefehl“. Auch in „Dritten Reich“ war man jedoch bemüht, Eingriffe in Eigentumsrechte durch Gesetze rechtsförmig abzusichern und zu bemänteln. Die Initiative dazu ging in diesem Fall von Goebbels aus. [3]

Umsetzung

Die Eigentumsrechte von Ausländern sollte zwar gewahrt bleiben; dennoch wurde dies in einigen Fällen nicht beachtet. Die Härtefallregelung blieb nicht Privatpersonen vorbehalten, auch einzelne Museen erhielten eine Entschädigung.

Von den im Gesetz genannten Möglichkeiten, weitere Verordnungen zu erlassen und Befugnisse zu übertragen, wurde kein Gebrauch gemacht.[4]

In Erläuterungen wurde aufgeführt, wie mit den eingezogenen Werken zu verfahren sei:
„Die eingezogenen Werke werden zerfallen,
a) in solche, (vorwiegend Ausländer), welche international verwertbar sind, d. h. durch Tausch gegen hochwertige deutsche Kunst oder gegen Devisen abgestoßen werden können,
b) in solche, welche für Lehrausstellungen entarteter Kunst aufzubewahren sein werden,
c) in absolut wertlose, welche zu vernichten sein werden.“ [5]

Gültigkeit

Überwiegend wird die Anwendung des Gesetzes bei der entschädigungslosen Enteignung von Privateigentum als unwirksam angesehen.[6] Anders verhält es sich bei den Eigentumsverlusten der Museen: der Staat als Eigentümer konnte mit seinem Eigentum beliebig verfahren. So wurde bereits im September 1948 durch den Denkmal- und Museumsrat Nordwestdeutschland beschlossen, keine Rückforderungen zu stellen, um den Rechtsfrieden zu wahren. In den letzten Jahren gibt es zunehmenden Konsens unter Juristen, unter Anwendung der Radbruchschen Formel die aufgrund dieses Gesetzes vorgenommenen Beschlagnahmemaßnahmen als nichtig anzusehen. [7]

Das 1938 erlassene „Gesetz über die Einziehung von Erzeugnissen entarteter Kunst“ wurde nicht vom Kontrollrat aufgehoben, sondern bestand bis 1968 und trat erst infolge der Nichtaufnahme in die Sammlung des Bundesgesetzblattes außer Kraft.[8]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Hans Hennig Kunze: Restitution ‚Entarteter Kunst’ – Sachenrecht und Internationales Privatrecht. Berlin 2000, ISBN 3-11016-818-9, S. 42
  2. Hans Hennig Kunze: Restitution ‚Entarteter Kunst’, S. 43 in Anm. 122.
  3. Hans Hennig Kunze: Restitution ‚Entarteter Kunst’, S. 43.
  4. Hans Hennig Kunze: Restitution ‚Entarteter Kunst’, S. 44.
  5. Bildungsserver Berlin Brandenburg Zugriff am 26. März 2009
  6. Anette Hipp: Schutz von Kulturgütern in Deutschland. Berlin 2000, ISBN 3-1101-6877-4, S. 53.
  7. Hans Henning Kunze Fazit, S. 261ff.
  8. Sammlung des Bundesgesetzblatts, Teil III, 31. Dezember 1968; vgl. Hans Henning Kunze: Restitution Entarteter Kunst, Sachenrecht und internationales Privatrecht, Berlin, 2000 S. 261f.

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