Gleimtunnel

Gleimtunnel
Gleimtunnel, Blick von Westen nach Osten

Der Gleimtunnel ist ein Straßentunnel im Berliner Norden. Er verbindet über die Gleimstraße – benannt nach dem Dichter Johann Wilhelm Ludwig Gleim – die Ortsteile Gesundbrunnen (Bezirk Mitte) und Prenzlauer Berg (Bezirk Pankow) und somit das Brunnenviertel mit dem Gleimviertel. Er entstand als niveaufreies Kreuzungsbauwerk von Straßenverkehr und Eisenbahnanlagen (Berliner Nordbahn).

Inhaltsverzeichnis

Beschreibung

Der Gleimtunnel ist kein Tunnel im bergmännischen Sinn. Er ist vielmehr eine 130 Meter lange und 23 Meter breite Unterführung, bestehend aus einem stählernen Brückentragwerk, das von 80 gusseisernen Hartungschen Säulen getragen wird. Bedingt durch die Lage im Grenzsperrgebiet nach dem Mauerbau 1961 bis zum Jahr 1990 ist das Bauwerk noch in einem relativ ursprünglichen Zustand erhalten. So besitzen die meisten Säulen noch die Kapitell-Abdeckungen, die bei den Säulen der Yorckbrücken bereits verlorengegangen sind oder im Rahmen von Verkehrssicherungsmaßnahmen entfernt wurden.

Über den Gleimtunnel führten die Zulaufgleise der von Norden kommenden Eisenbahnlinien, entlang der Schwedter Straße, die bis zur Bernauer Straße im Kopfbahnhof der Berliner Nordbahn, dem sogenannten Nordbahnhof (später Güterbahnhof Eberswalder Straße) endeten. Der östliche Teil dieses ehemaligen Bahngeländes nahe der heutigen Max-Schmeling-Halle und dem Stadion im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark auf dem ehemaligen Exerzierplatz wird heute als Mauerpark bezeichnet.

Geschichte

  • Vom Nordbahnhof an der Bernauer Straße Ecke Schwedter Straße wird 1877 der Bahnverkehr der Berliner Nordbahn zunächst bis nach Neubrandenburg (später bis Stralsund) aufgenommen.
  • Der Personenverkehr verkehrte aber von Anfang an bis Ausnahme der Zeit zwischen 1892 und 1898 zum Stettiner Bahnhof und der Nordbahnhof wurde zum reinen Güterbahnhof.
  • Die Aufschüttung des Bahndamms und der Bau der Eisenbahnüberführung über die Gleimstraße erfolgte in den Jahren 1903-1904 von Zabinski
  • Der Gleimtunnel war eine wichtige Verbindung für viele Arbeiter aus den Wohngebieten am Prenzlauer Berg zu den Fabriken im Wedding, wie zum Beispiel der AEG an der Brunnenstraße.
  • Seinen Namen erhielt der Gleimtunnel am 9. November 1911 nach der Straße, die durch ihn hindurchführt.
  • Der Gleimtunnel und der benachbarte Falkplatz waren im April 1945 heftig umkämpft. Mehrmals wurde die Gleimstraße zwischen russischer und deutscher Seite hin und her zurückerobert. Der Falkplatz diente als Notfriedhof. Im Juni 1945 wurden die Leichen umgebettet.
  • In den Jahren 1961 bis 1989 lag der Gleimtunnel unpassierbar vor dem damaligen Grenzgebiet der DDR. Der östliche Ausgang wurde durch die Berliner Mauer versperrt.
  • Der immer weniger gewordene Güterzugverkehr über dem Gleimtunnel wurde mit der Schließung des Güterbahnhofes Eberswalder Straße durch die Deutsche Reichsbahn am 11. Juli 1985 endgültig eingestellt.
  • Im Spätherbst 1990 wurde der Gleimtunnel zunächst für den Fußgängerverkehr wieder geöffnet.
  • Nach umfangreichen Sanierungsarbeiten an der Tunneldecke wurde die Durchfahrt im Oktober 1993 auch für den Autoverkehr wieder geöffnet. Gegen diese Öffnung gab es umfangreiche Proteste der Anwohner, verbunden mit der Forderung nach der Schaffung eines Kinderbauernhofs im angrenzenden Mauerpark, die allerdings vergeblich waren.

Gegenwart

Gleimtunnel, Blick nach Westen und von unten auf das Tragwerk

Der Gleimtunnel stellt eine wichtige West-Ost-Verbindung im Berliner Straßennetz dar. Als Teil der Gleimstraße verbindet er die Brunnenstraße nahe dem Gesundbrunnen mit der Schönhauser Allee.

Obwohl die maximale Geschwindigkeit im gesamten Verlauf der Gleimstraße und somit auch im Tunnel 30 km/h beträgt, wird der Tunnel insbesondere morgens und abends sehr stark frequentiert. Die Fahrbahnoberfläche im Gleimtunnel besteht aus Kopfsteinpflaster. Er ist nur sehr spärlich beleuchtet und muss mit eingeschaltetem Licht befahren werden. Abgetrennt durch Leitplanken befinden sich auf beiden Seiten jeweils Fuß- und Radwege. Die maximal zulässige Höhe für Busse und LKW beträgt 3,80 m. Trotz seiner Passierbarkeit trennt der Gleimtunnel aufgrund seiner Dunkelheit und wuchtigen Ausmaße nicht nur zwei Bezirke sondern auch unterschiedliche Lebensstile. Während es auf der westlichen Seite des Gleimtunnels praktisch keine Läden oder Gastronomie gibt, sind östlich davon vielfältig und umfangreich Restaurants, Läden mit Öffnungszeiten bis 22:00 Uhr und ein traditionsreiches Kino angesiedelt.

Da der östliche Teil des Gleimtunnel-Bauwerks nicht betreten werden durfte, trennte er den auf dem östlichen Teil des ehemaligen Bahngeländes liegenden Mauerpark in einen Süd- und Nordteil. Eine Anwohnerinitiative hat sich über Jahre dafür eingesetzt, über diesem Teil des Gleimtunnels eine von Fußgängern und Radfahrern nutzbare Leichtbaubrücke zu errichten.[1] Seit August 2008 besteht eine provisorische Querungsmöglichkeit; der Mauerpark ist damit nicht mehr zertrennt.[2] Der westliche, von verschiedenen kleinen Betrieben gewerblich genutzte Teil des ehemaligen Bahngeländes ist mit einer Straße über dem Tunnel verbunden.

Gleimtunnel, neue Lichtinstallation

Im Sommer 2002 wurde beidseitig über den Fuß- und Radwegen eine „Lichtinstallation“ eröffnet. Dies war ein temporäres Kunstprojekt unter dem Titel „Lichthelfer“[3], geschaffen von Sven Kalden. Die damals installierten Lampen und Bewegungsmelder wurden aber nach rund zwei Jahr Betrieb wieder demontiert.

Die auf dem Foto rechts gezeigten Lampen gehören zur Lichtinstallation des Künstlers Christian Paschedag. Seit September 2007 wird der Tunnel mit dieser Installation in rotes und blaues Licht gehüllt. Der Strom für dieses Projekt wird mit Spenden finanziert. Die Dauer des Projektes hängt vom Spendenaufkommen ab.

Der Gleimtunnel steht unter Denkmalschutz. Er ist neben den Yorckbrücken das letzte größere Eisenbahnbrückenbauwerk Berlins aus der Zeit um 1900, das bis heute in seiner Ursprungsausführung vollständig erhalten geblieben ist. Derartige Bauwerke waren an vielen Stellen Berlins stadtbildprägend, wurden aber im Rahmen von Modernisierungsmaßnahmen durch Neubauten ersetzt.

Aufgrund eines Streits um die Erweiterung des unmittelbar angrenzenden Mauerparks, auf dem der Investor Vivico Real Estate ein Wohngebiet errichten will, wird nach erheblichen Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Bürgerinitiativennetzwerk BIN-Berlin und dem Baustadtrat von Berlin-Mitte Ephraim Gothe als Kompromisslösung eine Verlagerung des Baugebiets auf ein Gelände nördlich des Gleimtunnels erwogen. Dazu müsste allerdings die Hälfte des denkmalgeschützten Gleimtunnels abgerissen werden. Dies wird allerdings von allen politischen Parteien des Bezirks Pankow sowie sämtlichen Bürgerinitiativen vehement abgelehnt. [4] [5]

Gleimtunnel-Party unter der Lichtinstallation, 2007

Seit 2007 dient der Gleimtunnel einmal im Jahr als Veranstaltungsstätte der jeweils am 2. Oktober stattfindenden „Gleimtunnel-Party“. Dieser multikulturelle und kostenlose Event findet unter dem Motto der Grenzüberschreitung – der Zusammenkunft von Ost und West – statt, der Begegnung zweier Nachbarschaften und deren Menschen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten, sowie des gemeinsamen Feierns in den Tag der Deutschen Einheit.

Zwischen 20 und 24 Uhr wird am 2. Oktober die Durchfahrt für den motorisierten Verkehr gesperrt. Hier versammeln sich bis zu 600 tanzende Menschen aus den Ortsteilen Prenzlauer Berg und Wedding zu Oriental-Beats und Electro-Musik. Im Jahr 2010 steht die Gleimtunnel-Party unter der Schirmherrschaft des Bezirksbürgermeisters von Mitte Christian Hanke. Die Gleimtunnel-Party wird vom Projekt Interkulturelle Begegnungen veranstaltet und finanziell durch das Programm Soziale Stadt gefördert.

Weblinks

 Commons: Gleimtunnel – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. alex: Gleimsteg. Freunde des Mauerparks e.V., 2007, abgerufen am 5. Juli 2008.
  2. Christian von Lessen: Brückenschlag im Mauerpark. Tagesspiegel Berlin, 12. August 2008, abgerufen am 12. August 2008.
  3. Lichthelfer. 2002, abgerufen am 5. Juli 2008 (PDF).
  4. Uwe Aulich: Mitte sucht neue Lösung zum Mauerpark, Berliner Zeitung, 8. Dezember 2009, ISSN 0947-174X, abgerufen am 17. Januar 2010
  5. Uwe Aulich: Scharfe Kritik an Mauerparkplan-Bürgerinitiativen übergeben Tausende Einwendungen, Berliner Zeitung, 24. September 2010
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