Glokalisierung

Glokalisierung

Glokalisierung ist ein Neologismus und ein Kofferwort gebildet aus den Begriffen Globalisierung und Lokalisierung wobei diese beiden Begriffe nicht als Gegensätze, sondern wenn sinnvoll verbunden, als einander ergänzende Prozesse zu verstehen sind.

Inhaltsverzeichnis

Historie des Begriffs

Der Begriff Glocalisierung oder „Glokalization / glokal“ wurde schon in den 1980ern für japanische Geschäftsformen verwendet. Zuerst wurde der Begriff als „Glocal“ einem kleineren Kreis im Bereich Umweltpolitik im Jahre 1989-90 bekannt. Der damalige Leiter des Nationales Global Change Sekretariat, Prof. Dr. Manfred Lange, hatte die Dimension der Veränderungen auf der Maßstabsebene von lokal-regional-global, oder micro-meso-macro scale, als „glocal“ bezeichnet. Anlass war die Entwicklung der Ausstellung „Welt im Wandel – Herausforderungen an Wissenschaft und Politik“. Später wurde der Begriff Glocalization vielfältig eingeführt und neuerfunden – sehr oft in Unkenntnis vorhergehendender und paralleler Einführungen. Im englischen Sprachraum war der Soziologe Roland Robertson ausschlaggebend, später auch Zygmunt Bauman, im deutschen Sprachraum finden sich mehrere „Väter“ des Begriffes.

Verwendung des Begriffs

"Glokalisierung" bezeichnet die Verbindung und das Nebeneinander des vieldimensionalen Prozesses der Globalisierung und seinen lokalen bzw. regionalen Auswirkungen und Zusammenhängen. Alles was sich auf der Welt abspielt ist von lokal-regionaler und gleichzeitig von global-überregionaler Bedeutung. Der Prozess der Globalisierung wird im eigenen Leben und Alltag fassbar gemacht. Somit ist Glokalisierung die lokale Auswirkungs- und Erscheinungsebene der weltumspannenden Globalisierung. Aufgrund globaler und gleichzeitig lokaler Vernetzungen entstehen Netzwerke, die zum einen für die Bildung transnationaler Produktions- und Vermarktungsstrukturen verantwortlich sind und zum anderen für die Veränderung der jeweiligen Kulturen.

Die Glokalisierung lässt sich unter verschiedenen Aspekten beobachten. Sie enthält unter anderem eine kulturelle, ökonomische, politische und soziologische Dimension.

Kulturell betrachtet, können Individuen dank dieser Verbindung ihre Identitäten und kulturellen Besonderheiten bewahren. Eine Vertreterin dieser Sichtweise ist die deutsche Soziologin Gabriele Klein. Glokalisierung impliziert demnach auch die Forderung nach einer Rückbesinnung auf Identität und Besonderheiten des Einzelnen. Daher sprechen Fachleute auch, wenn sie Glokalisierung meinen, von der Globalisierung der Biografien, da die Globalisierung für jedes Individuum lokal verständlich und erlebbar wird. Heute lässt sich vor Ort beobachten, wie verschiedene Gegensätze aufeinander treffen wie z.B. diverse Kulturen. Gleichzeitig bezeichnet die Glokalisierung auch eine Weltoffenheit, bei der alle Kulturen anerkannt und respektiert werden und dennoch regionale Verwurzelungen erhalten bleiben.

Ökonomisch gesehen lässt sich die Glokalisierung folgendermaßen beschreiben: Die Produktion, sowie das Management und die Verwaltung eines transnationalen Konzerns (TNK) werden immer lokal verortet, dagegen sind unternehmerische Aktivitäten wie der Verkauf von Produkten global organisiert. Aufgrund lokaler/regionaler Besonderheiten passen TNKs ihre Produkte, deren Vermarktung und insbesondere die Organisation ihrer Herstellung den jeweiligen lokalen Bedingungen zur Wertschöpfung an. Dies können regionale Marktbedürfnisse sein oder auch die lokale Infrastruktur, der Hochschulbestand oder die Forschungslandschaft. Diese Glokalisierungsaktivitäten zeigen sich auch bei vielen klein- und mittelständischen Unternehmen (KMU). Laut der Wirtschafts- und Sozialforschung müssen sich KMUs (genauso wie TNKs) zur Erhaltung ihrer Wettbewerbsfähigkeit und zur Erwirtschaftung von Gewinnen zwangsläufig auf globalen Märkten engagieren oder andere internationale Strategien einschlagen. Somit bezeichnet Glokalisierung den Doppelcharakter von Herstellung lokaler systemischer Wettbewerbsfähigkeit einerseits und Einbindung in den Weltmarkt andererseits. Die unterschiedlichen Bedürfnisse diverser regionaler Märkte sind im internationalen Konkurrenzrahmen gesehen das Gegengewicht zu einem befürchteten weltweit einheitlichen Waren- und Dienstleistungsmarkt. Beispiele für die "Lokalisierung" von global vertriebenen Produkten sind die Anpassung von Keksen an nationale Vorlieben (Geschmack, Konsistenz etc.) oder die Anpassung von Computerspielen (Übersetzung in die jeweilige Sprache, Beachtung nationaler Gesetzgebung zur Gewaltdarstellung usw.). Um im Wettbewerb zu bestehen, sind Unternehmen also gezwungen, "lokale" Besonderheiten zu beachten.

In der politischen Dimension lässt sich die Glokalisierung an folgenden Geschehnissen beobachten: Die Nationalstaaten geben ihre Kompetenzen immer mehr ab und zwar nicht nur nach oben an Bündnisse wie z.B. der EU, sondern auch nach unten an die Gliedstaaten eines Nationalstaats bzw. den verschiedenen Regionen (Subsidiarität). Allerdings muss bedacht werden, dass in föderalen Staaten (z.B. USA, Russland, Deutschland, Mexiko, Schweiz, etc.) ein beträchtliches Wachstum der Bundesebene, also eine faktische Zentralisierung, stattfindet. Zudem steigt die Anzahl von nichtstaatlichen Organisationen immer weiter an, die auch wachsenden Einfluss im globalen als auch im lokalen Bereich genießen.

Soziologisch gesehen bedeutet Glokalisierung zudem einen doppelten Vergesellschaftungsprozess durch lokale Arbeit und globales Geld.

Die Glokalisierung wird von einigen Fachleuten auch als Makrotrend bezeichnet, d.h. sie beinhaltet langfristige Triebkräfte, die Wirtschaft und Gesellschaft über mehrere Jahrzehnte hinweg nachhaltig verändert haben.

Quellen

  • Roland Robertson. Glokalisierung: Homogenität und Heterogenität in Raum und Zeit
  • Johannes Greving: Globalisierung ISBN 3-589-21696-4
  • Ausstellung „Welt im Wandel – Herausforderungen an Wissenschaft und Politik“ – siehe die ersten Sektion „Das System Erde“, dort die Ausstellungstafel 4: Lokale und Globale Veränderungen. [1] siehe "Pointers to Possibilities" zur anschaulichen Indexierung von Themen und deren Verbindungen [2].
  • International Encyclopedia of Systems and Cybernetics, Saur Verlag München, newterms in der 2. Auflage: [3] [4]

Literatur


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