Groß-Lichterfelde

Groß-Lichterfelde

Groß-Lichterfelde war von 1872 bis 1920 eine selbstständige Gemeinde südwestlich von Berlin und gehörte zum preußischen Regierungsbezirk Potsdam, Landkreis Teltow. Heute bildet es den Ortsteil Lichterfelde im Berliner Bezirk Steglitz-Zehlendorf. Groß-Lichterfelde galt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als eine der elegantesten neuen Wohnlagen außerhalb des Berliner Zentrums.[1]

Groß-Lichterfelde bestand aus den historischen Dörfern Lichtervelde und Giesensdorf bei Berlin, beide im 13. Jahrhundert erstmals erwähnt, und den beiden ab 1860 entstandenen gründerzeitlichen VillenkolonienLichterfelde West“ und „Lichterfelde Ost“. Die mit privater Finanzierung entwickelten Villenkolonien wurden von ihrem Gründer von Carstenn per Schenkungsvertrag an den preußischen Staat übertragen, der sich im Gegenzug auf alle Zeiten zur Übernahme bestimmter Aufgaben verpflichtete. Mit dem raschen Bevölkerungswachstum der beiden Villenkolonien (1875: 946 Einwohner, 1880: 4.049, 1885: 5.900) wurde eine leistungsfähigere Verwaltungsstruktur nötig, woraufhin der Beschluss zur Gründung einer Einheitsgemeinde gefasst wurde. Groß-Lichterfelde erhielt 1874 mit der Einführung der preußischen Standesämter ein eigenes Standesamt und verfügte über jeweils einen Bahnhof an der Anhalter Vorortbahn und an der Stammbahn (heute S-Bahnhöfe). Groß-Lichterfelde war im ausgehenden 19. Jahrhundert eine der wohlhabendsten Gemeinden der Berliner Umgebung und des Deutschen Reiches.

Groß-Lichterfelde beherbergte u. a. die preußische Hauptkadettenanstalt, war Garnison des Preußischen Gardeschützenbataillons sowie Sitz des Königlich-Preußischen Materialprüfungsamtes (heute Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung) und des Anatomischen Recheninstituts (1945 aufgelöst). Ab 1897/1902 fand man hier den Königlichen Botanischen Garten (heute Botanischer Garten Berlin). Meyers Konversationslexikon von 1885 verzeichnet außerdem „ein Pädagogium, eine höhere Knabenschule, ein Johanniter-Siechenhaus, viele schöne Villen“.

Die Einrichtung der Kadettenanstalt führte zu einem verstärkten Zuzug auch junger adliger Familien, woraus sich in Nachbarschaft mit dem neureichen Bürgertum die für die Lichterfelder Villengebiete gegen Ende des 19. Jahrhunderts typische konservativ-deutschnationale Gesellschaftsschicht herausbildete. In dieser Mischung unterschied sich das „Neubauprojekt“ der Lichterfelder Villenkolonien signifikant, sowohl von den gewachsenen innerstädtischen Berliner Wohnlagen, wie auch anderen Villenkolonien, die weitestgehend bürgerlich blieben. Der militärische Einfluss wurde so prägend, dass der Begriff Lichterfelde bis in die 1940er-Jahre als Synonym für das elitäre Offizierstum der kaiserlichen Kadettenanstalt benutzt wurde. Mehrere Generationen von deutschen Spitzen-Offizieren erfuhren ihre Ausbildung in Groß-Lichterfelde. Durch den Zuzug ihrer Familien galt Groß-Lichterfelde zunehmend auch als Geburtsort für den Elitenachwuchs und als Ort der letzten Ruhestätte für wichtige Militärs als „beste Adresse“.

1920 ging Groß-Lichterfelde mit 47.213 Einwohnern gemeinsam mit den Nachbargemeinden Steglitz und Lankwitz als XII. Verwaltungsbezirk in Groß-Berlin auf. Die Ortsbezeichnung Groß-Lichterfelde wurde aufgegeben zugunsten der Wohnlagenbezeichnungen Lichterfelde, Lichterfelde-West und -Ost, nach dem Zweiten Weltkrieg ergänzt durch Stadterweiterungen im südlichen Grenzgebiet unter der Bezeichnung Lichterfelde-Süd.

Siehe auch

Berlin-Lichterfelde

Einzelnachweise

  1. Ulrich Muhs: Lichterfelde einst und jetzt. Architekturverlag Der Zirkel, Berlin 1919


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