- Große Ravensburger Handelsgesellschaft
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Die Große Ravensburger Handelsgesellschaft (lateinisch: Magna Societas Alamannorum) wurde um 1380 durch Kaufleute aus den Familien Humpis (aus Ravensburg), Mötteli (aus Buchhorn) und Muntprat (aus Konstanz) gegründet. Sie war bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts eines der bedeutendsten europäischen Handelsunternehmen des Spätmittelalters.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Anfangs diente die Gesellschaft wohl vor allem der Vermarktung des heimischen Tuchs (vor allem Leinen und Barchent). Als 1402 in Ravensburg eine der ersten Papiermühlen nördlich der Alpen errichtet wurde, kam ein weiteres Eigenprodukt dazu; ebenso handelte man aber mit Gewürzen aus dem Orient, Wein und Öl aus dem Mittelmeerraum, Erzen aus Osteuropa und anderem mehr. Die Große Handelsgesellschaft ist vermutlich auch der Grund, dass Heimatforscher in Ravensburg keine historische Tracht ausfindig machen konnten; wer es sich leisten konnte, trug schon damals italienische Mode, und wer sich das Original nicht leisten konnte, schneiderte sich Kopien.
Durch die Errichtung von Niederlassungen (so genannten Geliegern) in Spanien, Frankreich, Italien und Osteuropa gewann die Handelsgesellschaft bald an gesamteuropäischer Bedeutung. Neben der in Ravensburg angesiedelten zentralen Leitung und der Niederlassung in Konstanz bestanden Verbindungen zu Memmingen, Biberach, Lindau, St. Gallen, Kempten, Ulm und anderen Städten der Umgebung. Niederlassungen, Kontore und Faktoreien hatte die Gesellschaft in der Blütezeit unter anderem in Antwerpen, Brügge, Lyon, Avignon, Genf, Wien, Venedig, Mailand, Genua, Barcelona, Saragossa und Valencia. Auch in den wichtigen Messestädten Frankfurt am Main und Nürnberg war sie präsent.
Über 100 Familien aus etwa 10 Städten des Bodenseegebietes waren an der Gesellschaft beteiligt. Die bedeutendsten waren die Humpis (die auch die meisten Regenten der Gesellschaft stellten), Mötteli, Muntprat, Ankenreute und Holbein.
Es gibt Hinweise darauf, dass sich auch die Fugger auf ihren ersten Italienfahrten Handelszügen der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft anschlossen.
Ab Ende des 15. Jahrhunderts machten Familienstreitigkeiten innerhalb der führenden Familien und Abspaltungen von Handelsfamilien, die Konkurrenz der St. Galler Diesbach-Watt-Gesellschaft, der Memminger Vöhlin-Welser-Gesellschaft sowie vor allem der Augsburger Fugger und Welser der Ravensburger Handelsgesellschaft zunehmend zu schaffen.
Beschleunigt wurde der Niedergang sicher auch durch eine ungenügende Anpassung an die von der Wiederentdeckung des amerikanischen Kontinents veränderten Wirtschaftsbedingungen und durch die von hohen Goldimporten hervorgerufene Inflation.
Die Schwerfälligkeit der Ravensburger Organisationen einerseits und das Fehlen qualifizierten und risikofreudigen Nachwuchses andererseits verhinderten ein Gegensteuern. So scheuten die Ravensburger auch die Aufnahme von Bankgeschäften, die entscheidend zum späteren Reichtum der Konkurrenz etwa aus den Häusern der Fugger und Welser beitrugen. Stattdessen nutzten sie den erworbenen Reichtum, um die Stadt zu verlassen und nach dem Vorbild des Adels auf Landsitzen zu wohnen und selbst Adelstitel zu erwerben.
1530 erlosch die Handelsgesellschaft sang- und klanglos, als nicht mehr genügend Gesellschafter zur Erneuerung der jeweils nur auf Zeit geschlossenen Gesellschaftsverträge bereit waren.
Forschung und Rezeption
Lange Zeit wussten Wirtschaftshistoriker und Lokalhistoriker recht wenig über den genauen Aufbau und die Geschäfte der Handelsgesellschaft. Wilhelm Heyd stellte die Geschichte der Gesellschaft anhand der wenigen erhaltenen Akten 1890 erstmals in einer Monographie dar. 1909 wurden im Schloss Salem überraschend zahlreiche Akten der Gesellschaft gefunden, die – als unnütze Handelssachen deklariert – vorher jahrhundertelang unbeachtet geblieben waren. Aloys Schultes grundlegendes dreibändiges Werk von 1923 beruht auf diesen Akten und leitete eine tiefere Beschäftigung mit der Handelsgesellschaft ein.
In dem historischen Roman Der junge Herr Alexius von Otto Rombach wird das abenteuerliche Leben des Ravensburger Kaufmanns Alexius Hilleson auf seinen Reisen durch Europa geschildert. Obwohl sich Rombach in vielen Details auf Schulte stützt, ist der Roman doch weitgehend fiktiv.
In Ravensburg selbst erinnern viele Bauwerke, Wappen und Straßennamen an die Zeit der Handelsgesellschaft. Beim jährlichen Rutenfest werden ihre Geschäfte durch Kostümgruppen am Festzug dargestellt.
Literatur
- Wilhelm Heyd: Die grosse Ravensburger Gesellschaft. Cotta, Stuttgart 1890 (Volltext).
- Oliver Landolt: Ravensburger Gesellschaft im Historischen Lexikon der Schweiz
- Paul Rehme: Das rechtliche Wesen der großen Ravensburger Handelsgesellschaft. In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte – Germanistische Abteilung. 47, 1927, ISSN 0323-4045, S. 486–566.
- Klaus Schelle: Die Große Oberschwäbische Handelsgesellschaft. Biberacher Verlagsdruckerei, Biberach 2000, ISBN 3-933614-05-8.
- Aloys Schulte: Geschichte der grossen Ravensburger Handelsgesellschaft. 3 Bände. Stuttgart u. a. 1923 (Deutsche Handelsakten des Mittelalters und der Neuzeit 3, ISSN 0170-3080), (Nachdruck: Steiner, Wiesbaden 1964).
- Maria Strasser-Lattner: Der Handel über die Bündner Pässe zwischen Oberdeutschland und Oberitalien im späten Mittelalter. Magisterarbeit, Universität Konstanz 2004 (Volltext).
- Werner A. Widmann: Die Bodenseehanse. Aus der Geschichte der grossen Ravensburger Handelsgesellschaft. Bayerische Vereinsbank, München 1988 (Bavaria antiqua 30, ZDB-ID 188391-4).
Siehe auch
Weblinks
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