- Gulf war syndrome
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Das Golfkriegssyndrom (auch Balkan-Syndrom genannt) ist ein medizinischer Begriff (engl. gulf war syndrome), der eine Summe von Krankheiten zusammenfasst, die erstmals bei den heimgekehrten Soldaten des Zweiten Golfkrieges (Kuwait und Irak, 1991) beobachtet wurde.
Inhaltsverzeichnis
Symptome
Die Symptome, die bei den Rückkehrern aus der Golfregion auftauchten, lassen sich nicht ausschließlich auf eine Posttraumatische Belastungsstörung zurückführen.
Diese waren unter anderem Gelenk- und Muskelschmerzen, ungewöhnliche Müdigkeit und Erschöpfungszustände, Gedächtnisprobleme, Depressionen, Störungen der kognitiven und emotionalen Funktionen – das sind die typischen Symptomgruppen, die inzwischen auch durch zahlreiche Studien belegt sind.
Hinzu kommen Schwindel, Erbrechen und Diarrhöe, Lähmungen, Haar- und Zahnausfall, Drüsenschwellungen, Sehstörungen und Gedächtnisschwund, sowie Missbildungen bei nachmals gezeugten irakischen und amerikanischen Kindern.
Da ähnliches bei mehreren tausend Heimkehrern aus dem zweiten Golfkrieg auftrat, fassten die amerikanischen Ärzte das Krankheitsbild 1994 unter dem Begriff Golfkriegssyndrom zusammen.
Ursachen
Nach den ersten Beschreibungen des Golf-Kriegs-Syndroms kam eine sehr kontrovers geführte Diskussion zwischen Betroffenen und verantwortlichen Stellen bzw. armee-nahen Wissenschaftlern in Gang. So wurden neben vermuteten Giftgasangriffen, Pestizideinsätzen, Insektenrepellents, Nebenwirkungen von Medikamenten (z.B. Pyridostigminbromid), unbekannten Infektionserregern, brennenden Ölquellen u.a.m. insbesondere auch Rentenbegehren sowie psychische und psychosomatische Erklärungsmuster für diese Erkrankungen herangezogen (Bauer und Lohmann: Das Golf-Kriegs-Syndrom. Chemie oder Psychiatrie? Zeitschrift für Allgemeinmedizin, 75, 681-683 1999)[2]
Uranmunition
Hauptartikel: Uranmunition
Geschosse, die aus schwach radioaktivem aber hoch toxisch abgereichertem Uran bestehen, werden von vielen Quellen für die Symptome verantwortlich gemacht. Über das tatsächliche Gefahrenpotential dieser Munition herrscht jedoch Uneinigkeit.
Chemische Waffen
Nach Auskunft offizieller Stellen kamen im Golf-Krieg keine C-Waffen zum Einsatz. Dies wurde mit der ständigen Überwachung der Umgebungsluft durch Meßgeräte der US-Armee begründet. Allerdings lösten die äußerst empfindlichen Meßgeräte ständig Fehlalarme aus, die dann auf andere Ursachen zurückgeführt wurden. Tschechische Wissenschaftler konnten während des Golfkrieges dagegen geringe Luftkonzentrationen von Giftgasen in bestimmten Gebieten messen. Erst 1996 gab das amerikanische Verteidigungsministerium zu, dass eine Exposition von ca. 15.000 Soldaten gegenüber C-Waffen nach der Sprengung eines Munitionsdepots, in denen solche Kampfstoffe lagerten, möglich gewesen ist Chemische Waffe (Nervengifte etc.)[1]
Brennende Ölquellen
Es wird diskutiert, dass durch brennende Ölquellen Giftstoffe wie zum Beispiel Dioxine freigesetzt wurden.
Impfstoffe
Die alliierten Soldaten wurden mit einer Reihe von Arzneimitteln und Impfungen gegen die Wirkungen von biologischen und chemischen Waffen behandelt, deren Nebenwirkungen schwer einzuschätzen sind. Eine neuere Studie hat hierzu tatsächlich Parallelen zu einem in Impfstoffen verbreitete Adjuvans, nämlich Aluminiumhydroxid erbracht.[2]
Medikamente
Pyridostigminbromid ist ein zugelassenes Medikament für die Behandlung der Myasthenia gravis, das den Soldaten zur Prävention für den Fall eines C-Waffen-Alarms gegeben wurde. Pyridostigmin bindet reversibel an die Acetylcholinesterase, dadurch werden die Bindungstellen für Organophosphate (=C-Waffen) blockiert und eine irreversible Blockade des Enzyms durch organophosphathaltige C-Waffen wird verhindert. Pyridostigmin bindet jedoch auch an periphere Esterasen, die z.B. an der metabolischen Entgiftung von Pyrethroiden beteiligt sind. Etliche Soldaten klagten außerdem während der Einnahme über mehr oder weniger schwere Nebenwirkungen des Medikaments (Bauer und Lohmann, 1999)
Insektizide und Repellents
Die Anwendung und Verbreitung von Pestiziden im Golfkrieg ist ebenfalls unklar. Zunächst wurde sowohl von dem britischen als auch dem US-amerikanischen Verteidigungsministerium angegeben, dass insgesamt sehr wenig Pestizide eingesetzt wurden und auch die Soldaten entsprechende Mittel nur wenig nutzten. Erst Ende 1996 wurde von einem Mitarbeiter des britischen Verteidigungsministeriums eingeräumt, daß die Anwendung von organophosphathaltigen Pestiziden wesentlich weiter verbreitet war als vorher offiziell zugegeben worden war. Zusätzlich benutzte eine nicht bekannte Anzahl von Soldaten sogenannte Flohhalsbänder, die Chlorpyrifos (ein Organophosphat) enthielten. Die Uniformen sollten einerseits zur Abwehr von Insekten mit dem Insektizid Permethrin imprägniert werden, andererseits war die Kapazität der entsprechenden Fabriken nicht ausreichend, so daß Spraydosen mit einem permethrinhaltigen Produkt an Soldaten verteilt wurde, damit diese die Uniformen selbst imprägnieren konnten (Bauer und Lohmann, 1999)
Zur Insektenabwehr wurde DEET (N,N-diethyl-m-Toluamid) in 75%ger ethanolischer Lösung (in den USA erlaubt: 30%) oder auch als niedriger dosierte Lotionen und Stifte eingesetzt. DEET ist auch in deutschen handelsüblichen Insektenrepellents vorhanden (allerdings niedriger dosiert). DEET kann in Überdosierung durchaus neurologische Nebenwirkungen haben. In einigen Fällen sind sogar Todesfälle durch häufige Anwendung am ganzen Körper beschrieben. Die Anwendungshäufigkeit bei den Soldaten ist wiederum unklar. Mitarbeiter von armee-eigenen Forschungsinstituten sprechen wiederum von einer sehr seltenen Anwendung der Mittel. Unabhängige Stellen sprechen dagegen von zum Teil häufiger Anwendung der Insektenabwehrmittel (Bauer und Lohmann, 1999)
Stress und Posttraumatische Stress-Störungen (PTSD)
Studien des amerikanischen Verteidigungsministeriums zur Klärung der Erkrankungen der Golfkriegsveteranen kamen zu dem Schluß, daß bei den untersuchten Veteranen lediglich psychische Erkrankungen wie z.B. Depressionen, kriegsbedingte Streßerkrankungen (Posttraumatic Stress Disorder =PTSD) und Anpassungsstörungen häufiger aufgetreten seien als in vergleichbaren Bevölkerungsgruppen. Weiterhin seien chemische Faktoren für die Erkrankungen bedeutungslos. HALEY (1997)und Wadman (1997) kritisierten die Vorgehensweise dieser Studien und insbesondere die Art der Diagnosestellung. MILNER et al. (1994) fanden, daß auf die erkrankten Soldaten weder die Diagnose PTSD noch andere psychiatrische Diagnosen zutrafen.
Kombinationswirkungen von Medikamenten und Pestiziden
ABOU-DONIA et al. (1996) und ABOU-DONIA und WILMARTH (1996) stellten in Tierexperimenten mit Hühnern fest, dass die Substanzen Pyridostigminbromid und DEET und Permethrin bzw. Chlorpyrifos gemeinsam eine synergistische neurotoxische Wirkung entfalten. Bei den Hühnern wurden neurologische Ausfälle und pathologische Effekte an Axonen beobachtet, die sonst erst bei sehr viel höheren Dosen an DEET und Permethrin bzw. Chlorpyrifos auftreten. Dies wurde von den Autoren u.a. darauf zurückgeführt, daß der Einsatz von Pyridostigmin die Abbaurate von Permethrin und DEET im Körper senkt und ihre Neurotoxizität im Gegenzug erhöht (auf Grund der Hemmung abbauender Enzyme: s.o.). Die Ergebnisse hinsichtlich der synergistischen Wirkung von Pyridostigmin, DEET und Permethrin wurden von McCAIN et al. (1997) an Ratten bestätigt.
HALEY et al. (1997) und HALEY und KURT (1997) führten daraufhin drei zusammenhängende (und armee-unabhängige) epidemiologische Studien durch und schlossen aus ihren Ergebnissen, dass die Kombinationswirkungen von Pyridostigminbromid mit Organsophosphaten (C-Waffen oder Insektizide), sonstigen Insektiziden (Pyrethroide) und Insektenrepellents (DEET)) mit charakteristischen Symptomenkomplexen der Golf-Kriegs-Veteranen signifikant korrelierten.
Diese Ergebnisse aus den Jahren 1997 wurden im wesentlichen von dem im Jahr 2008 vorgelegten US-Expertenbericht bestätigt: 1. Die Kombinationswirkung des Medikaments Pyridostigminbromid und verschiedener Pestizide und Repellents sind die wahrscheinliche Ursache des Golf-Kriegs-Syndroms. 2. Psychische Erkrankungen, kriegsbedingter Stress oder eine Posttraumatische Stress-Störung können das Golf-Kriegs-Syndrom nicht erklären. (US-Originalbericht, 2008)
Sonstige Faktoren
Es gibt unzählige weitere Thesen, zum Beispiel wurden verdorbenes Aspartam aus überhitzten Getränken (Coca-Cola Light) oder Schäden durch Parasiten in Betracht gezogen. Eine kurze, unvollständige Auflistung weiter Punkte:
- Bromierte Halogenkohlenwasserstoffe, Blei und Fluortenside im Nato-Treibstoff JP-8
- Klima
- verdorbene oder ungewöhnliche Lebensmittel
Anerkennung als Kriegsleiden
Da der ursächliche Zusammenhang der Symptome mit den militärischen Operationen nur schwer belegbar war, wurde das Golfkriegssyndrom von der US-Regierung und der britischen Regierung bestritten. Seit dem Sommer 2005 ist es von der britischen Regierung offiziell zur Beschreibung von Krankheiten bei Soldaten anerkannt. Hiervon können bis zu 6.000 der 54.000 britischen Soldaten, die im Golfkrieg beteiligt waren, durch höhere Entschädigungen profitieren. Ein vom US-Kongress beauftragtes Gremium hat in einem 2008 veröffentlichten Papier festgestellt, dass das Golfkriegs-Syndrom real sei und durch den Kontakt mit Neurotoxinen während des Golfkriegs entstanden ist, mehrere Studien weisen demnach darauf hin, dass das Syndrom nicht auf Kampfhandlungen oder Stress zurückzuführen sei. Unter Verdacht steht eine Kombinationswirkung des Medikaments Pyridostigminbromid, welches prophylaktisch gegen Nervengifte verordnet wurde, mit Insektiziden und Insekten-Repellents. [3]
Kritische Thesen
Die US-amerikanische Feministin und Publizistin Elaine Showalter beschreibt in ihrem 1997 erschienenen Buch Hystorien das Golfkriegssyndrom als eine Kriegsneurose und kritisiert, dass die Soldaten nicht entsprechend psychotherapeutisch behandelt würden.
Weblinks
- GulfBLINK - Website debunking the Special Assistant for Gulf War Illnesses
- Ausführlicher deutscher Artikel zum Golfkriegssyndrom (www.umweltmedizin.de)
- Gulf War Illness and the Health of Gulf War Veterans - Research Advisory Committee on Gulf War Veterans’ Illnesses (engl.)
Einzelnachweise
- ↑ (Bauer und Lohmann: Das Golf-Kriegs-Syndrom. Chemie oder Psychiatrie? Zeitschrift für Allgemeinmedizin, 75, 681-683 1999)[1]
- ↑ Aluminum adjuvant linked to gulf war illness induces motor neuron death in mice (PubMed.gov)
- ↑ Spiegel Online: Nervengas und Pillen machten Soldaten krank Spiegel Online vom 19. November 2008
Literatur
- Abou-Donia MB, Wilmarth KR, Abdel-Rahman AA, Jensen KF, Oehme FW, Kurt TL. Increased neurotoxicity following concurrent exposure to pyridostigmin bromide, deet, and chlorpyrifos. Fundam Appl Toxicol 1996; 34: 201-222.
- Abou-Donia MB, Wilmarth KR. Neurotoxicity resulting from coexposure to pyridostigmin bromide, deet, and permethrin: Implications of gulf war chemical exposures. J Toxicol Environ Health 1996; 48: 35-56.
- Bauer A., Lohmann K.: Das Golf-Kriegs-Syndrom. Chemie oder Psychiatrie? Zeitschrift für Allgemeinmedizin, 75, 681-683 (1999)[3]
- Haley RW, Hom J, Roland PS et al.. Evaluation of neurologic function in gulf war veterans. JAMA 1997; 277: 223-230.
- Haley RW, Kurt TL, Hom J. Is there a gulf war syndrome? JAMA 1997; 277: 215-222.
- Haley RW, Kurt TL. Self reported exposure to neurotoxic chemical combinations in the gulf war. A cross-sectional epidemiologic study. JAMA 1997; 277: 231-237.
- Haley RW. Is gulf war syndrome due to stress? The evidence reexamined. Am J Epidem 1997; 146: 695-703.
- Landrigan PJ. Illness in gulf war veterans: Causes and consequences. JAMA 1997; 277: 259-261.
- Marei AEM, Ruzo LO, Casida JE. Analysis and persistence of permethrin, cypermethrin, deltamethrin, and fenvalerat in the fat and brain of treated rats. J Agric Food Chem 1982; 30: 558-562.
- McCain WC, Lee R, Johnson MS et al.. Acute oral toxicity study of pyridostigmine bromide, permethrin, and deet in the laboratory rat. J Toxicol Environ Health 1997; 50: 113-124
- Milner IB, Axelrod BN, Pasquantonio J, Sillanpaa M: Is there a gulf war syndrome? JAMA 1994; 271: 661.
- Wadman M. Critics claim US inquiry was „irreparably flawed“. Nature 1997; 390: 4.
- US-Expertenbericht zum Golf-Kriegs-Syndrom (2008): (7 MB)[4]
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