Hanns Cibulka

Hanns Cibulka

Hanns Cibulka (* 20. September 1920 in Jägerndorf, Tschechoslowakei, heute: Krnov, Tschechien als Johannes Paul Cibulka; † 20. Juni 2004 in Gotha) war ein deutscher Schriftsteller (Lyriker, Erzähler und Tagebuch-Autor).

Inhaltsverzeichnis

Leben

Anfänge

Cibulka, Sohn eines Appreturmeisters, erlernte zunächst den Beruf eines Handelskaufmanns. Von 1939 bis 1945 war er Soldat der deutschen Wehrmacht. Während des Krieges wurde er u. a. mit den Schriften von Wilhelm Heinse, Robert Hohlbaum und Friedrich Nietzsche näher vertraut. Nach schweren Kämpfen geriet er in Italien, an Malaria erkrankt, auf Sizilien in ein amerikanisches Kriegsgefangenenlager.

Bibliotheksleiter

Nach der Entlassung aus der Gefangenschaft konnte er nicht in seine sudetenländische Heimat zurückkehren und siedelte sich in der sowjetischen Besatzungszone an. Ab 1948 war er an der Thüringischen Landesstelle für Bibliothekswesen in Jena tätig, bevor er 1949 bis 1951 an der Bibliotheksschule in Ost-Berlin studierte. Als neues Arbeitsfeld wurde ihm die Leitung der neuen Zentralbibiliothek in den Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten der Klassischen Deutschen Literatur in Weimar angeboten. Cibulka entschied sich jedoch für die Stadt- und Kreisbibliothek „Heinrich Heine“ in der Orangerie Gotha und war dort von 1953 bis zu seiner Pensionierung 1985 Bibliotheksleiter. Seine erste Ehefrau Annemarie ging mit dem Schriftsteller Peter Jokostra 1958 in den Westen. Die beiden Kinder aus dieser Ehe blieben in Gotha. 1960 heiratete er Edelgard Häfferer, die sich der beiden Kinder annahm, 1988 heiratete er Christa Kleinert. Hanns Cibulka hatte insgesamt zwei Kinder und vier Enkel.

Lyriker und Prosa-Autor

Sein literarisches Werk umfasst Gedichtbände und Tagebücher. Der Verlust der Heimat im mährischen Sudetenland, seine Erlebnisse im Krieg und in der Kriegsgefangenschaft sowie die Eindrücke von Italien verarbeitete er zunächst in seinen Werken. Cibulka wandelte sich vom frühen Lyriker zum literarischen Prosa-Autor. Literarische Einflüsse, die maßgeblich für ihn waren, gingen von Goethes naturwissenschaftlichen Schriften, Nietzsches Lebenszeugnissen, Robert Hohlbaum (1944 Begegnung in Jägerndorf; 1946–1951 in Weimar), Friedrich Georg Jünger, Erhart Kästner, Gerhart Hauptmann, Carl F. W. Behl (im Alter), Ezra Pound und Rupert Sheldrake aus. Seine zunehmende literarische Wirksamkeit setzte in der DDR um ca. 1970 ein. Er wurde gern gelesen, war freilich von offizieller Seite wenig gefördert und erst spät mit anerkennenden Ehrungen bedacht.

Mit dem Aufgreifen der Umweltproblematik in „Swantow“ (1982) übte er offene Kritik an der Umweltpolitik der DDR, fiel damit bei der DDR-Führung in Ungnade und ging aktiv in die kirchlichen Gemeinden, wo seine Worte ein mächtiges Forum fanden. In der Folge wurde er vermutlich vom Ministerium für Staatssicherheit (MfS) beobachtet. Die Erzählung „Swantow“ wurde fast ein heimliches Manifest der aufkeimenden DDR-Ökobewegung. Ab 1989 konnte er stärker den Verlust der Heimat öffentlich reflektieren und sich damit auch mit der politischen und gesellschaftlichen Entwicklung in Europa auseinandersetzen. In seinem letzten Buch „Späte Jahre“ (2004) beschäftigte er sich unsentimental mit dem Thema Alter und Altern.

Lizenz-Ausgaben seiner Werke in der Bundesrepublik Deutschland gab es bis zur Wende nicht, dafür Übersetzungen im europäischen Ausland (Polen, Tschechoslowakei, Italien).

Werke

  • 1954 Märzlicht. Gedichte Halle/Leipzig: Mitteldeutscher Verl.
  • 1959 Zwei Silben. Gedichte Weimar: Volksverl.
  • 1960 Sizilianisches Tagebuch Halle/Leipzig: Mitteldeutscher Verl.
  • 1962 Arioso. Gedichte Halle/Leipzig: Mitteldeutscher Verl.
  • 1963 Umbrische Tage Halle/Leipzig: Mitteldeutscher Verl.
  • 1968 Windrose. Gedichte Halle/Leipzig: Mitteldeutscher Verl.
  • 1971 Sanddornzeit. Tagebuchblätter von Hiddensee Halle/Leipzig: Mitteldeutscher Verl.
  • 1972 Dornburger Blätter. Briefe und Aufzeichnungen Halle/Leipzig: Mitteldeutscher Verl.
  • 1973 Lichtschwalben. Gedichte Halle/Leipzig: Mitteldeutscher Verl.
  • 1974 Liebeserklärung in K. Tagebuchaufzeichnungen Halle/Leipzig: Mitteldeutscher Verl.
  • 1977 Lebensbaum. Gedichte Halle/Leipzig: Mitteldeutscher Verl.
  • 1978 Das Buch Ruth. Aus den Aufzeichnungen des Archäologen Michael S. Halle/Leipzig: Mitteldeutscher Verl.
  • 1980 Der Rebstock. Gedichte Halle/Leipzig: Mitteldeutscher Verl.
  • 1982 Swantow. Die Aufzeichnungen des Andreas Flemming Halle/Leipzig: Mitteldeutscher Verl.
  • 1982 Gedichte Berlin/DDR: Verl. Neues Leben (= Poesiealbum 181)
  • 1984 Seit ein Gespräch wir sind / E noi siamo dialogo. Gedichte/Poesie Zweisprachige Ausgabe. Forli: Forum/Quinta Generazione.
  • 1985 Seedorn. Tagebucherzählung Halle/Leipzig: Mitteldeutscher Verl.
  • 1986 Losgesprochen. Gedichte aus 3 Jahrzehnten Leipzig: Reclam. (= Reclams Universal-Bibliothek 1100) ISBN 3-379-00209-7
  • 1988 Wegscheide. Tagebucherzählung Halle/Leipzig: Mitteldeutscher Verl. ISBN 3-354-00301-4
  • 1989 Nachtwache. Tagebuch aus dem Kriege Sizilien 1943 Halle/Leipzig: Mitteldeutscher Verl. ISBN 3-354-00508-4
  • 1991 Ostseetagebücher Leipzig: Reclam. (= Reclam-Bibliothek 1398) ISBN 3-379-00693-9
  • 1992 Dornburger Blätter Berlin: Aufbau-Taschenbuch-Verl. ISBN 3-7466-0150-9
  • 1993 Thüringer Tagebücher Leipzig: Reclam. (= Reclam-Bibliothek 1457) ISBN 3-379-01457-5
  • 1994 Am Brückenwehr. Zwischen Kindheit und Wende Leipzig: Reclam. ISBN 3-379-01490-7
  • 1996 Die Heimkehr der verratenen Söhne. Tagebucherzählung Leipzig: Reclam. ISBN 3-379-01553-9
  • 1998; ²2005 Tagebuch einer späten Liebe. Leipzig: Reclam ISBN 3-379-01615-2
  • 2000 Sonnenflecken über Pisa Leipzig: Reclam. ISBN 3-379-01700-0
  • 2004 Späte Jahre Leipzig: Reclam. ISBN 3-379-20083-2

Im Gedenken an Hanns Cibulka erschienen:

  • 2005 Jedes Wort ein Flügelschlag. Hrsg. v. Günter Gerstmann. Radebeul: NotSchriften-Verlag. – ISBN 3-933753-78-3
  • 2005 Die blaue Farbe des Windes (ausgewählte Lyrik u. Prosa). Kunstband mit farbigen Zeichnungen Gudrun Kraft-Methfessel (Hg.) – Jena: Glaux. (Vertrieb) – ISBN 3-931743-87-X
  • 2010 Labyrinth des Lebens. Ein Brevier., Berlin, Eulenspiegel Verlag, ISBN 978-3-359-02275-6
  • 2010 Ich habe nichts als das Wort: Beiträge zum Werk Hanns Cibulkas. Hrsg. v. Günter Gerstmann. Radebeul: Notschriften-Verlag, ISBN 978-3-940200-56-3

Auszeichnungen

  • 1973: Louis-Fürnberg-Preis
  • 1978: Francesco-de-Sanctis-Preis
  • 1978: Johannes-R.-Becher-Preis
  • 1979: Kulturpreis der Stadt Gotha
  • 1982: Diploma di merito Accademia Italia
  • 1988: Ehrenprofessur der Florida State University, USA
  • 1991: Sudetendeutscher Kulturpreis
  • 1995: Ehrengabe zum Andreas-Gryphius-Preis
  • 2000: Erwin-Strittmatter-Preis

Literatur

  • Günter Burgmann: Jägerndorf-Bezüge bei Hanns Cibulka – In: Jägerndorfer Heimatbrief. Heft 07. 2008. S. 199.
  • Günter Burgmann: Sudetenländische Bezüge in der frühen Lyrik von Hanns Cibulka – In: Der Vertriebene (Erfurt), Heft 6. 2008 [im Dr.].
  • Hubertus Scholz: Über die Veranstaltung zum 85. Geburtstag v. H. C. – In: Der Vertriebene (Erfurt), Heft 11. 2005.
  • M. Tamfald: Über die Neuerscheinung zum 85. Geburtstag – In: Der Vertriebene (Erfurt), Heft 10.2005.
  • M. Tamfald: Zum 85. Geb. v. H. Cibulka – In: Jägerndorfer Heimatbrief. Heft 09/10 [im Dr.].
  • Heinz Puknus: Cibulka – In: Cibulka: Die blaue Farbe des Windes. – Jena: Glaux, 2005.
  • Günter Burgmann: Persönliche Erinnerungen an Hanns Cibulka (zum 85. Geb.) – In: Der Vertriebene (Erfurt), Heft 9 [?]. 2005.
  • Günter Burgmann: Hanns Cibulka – In: Programm: 13. Ostdeutsche Kulturtage: 11. Mai bis 25. Juni 2005. Erfurt: Bund der Vertriebenen [Michaelisstr. 43].
  • Hubertus Scholz: Gedenkveranstaltung für Hanns Cibulka - In: Der Vertriebene (Erfurt). Heft 10. 2004. S. 29. Spalte 1.
  • Günter Burgmann: Schreiben heißt: sprechen mit dem Menschen … – Persönliche Notizen zum Ableben des Schriftstellers Hanns Cibulka. In: Der Vertriebene (Erfurt). Heft 08. 2004. S. 30–31.
  • M. Tamfald: Trauer um den Jägerndorfer […] Schriftsteller Hanns Cibulka In: Jägerndorfer Heimatbrief. Heft 07. 2004. S. 252. – Ähnlich in: Der Vertriebene (Erfurt). Heft 09. 2004. S. 38. Spalte 1 [mit Bild].
  • Günter Gerstmann: Ich glaube an das spirituelle Zeitalter …, Gespräch mit dem Schriftsteller Hanns Cibulka. In: Palmbaum. 4. Jg. Heft 02. 1996. S. 52–57.
  • Carl F. W. Behl: Zwiesprache […] - München: Desch, 1949.
  • Günter Gerstmann, Georg Jeske: Ich habe nichts als das Wort, Beiträge zum Werk Hanns Cibulkas, ISBN 978-3940200563

Weblinks


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