Hans-Dieter Schütt

Hans-Dieter Schütt

Hans-Dieter Schütt (* 16. August 1948 in Ohrdruf) ist ein deutscher Journalist. Von 1984 bis zum Herbst 1989 war er Chefredakteur der FDJ-Zeitung Junge Welt (JW). Seitdem betätigt er sich als Autor und ist seit 1992 Feuilletonredakteur beim Neuen Deutschland.

Leben

Hans-Dieter Schütt wurde ein gutes Jahr vor Gründung der DDR im thüringischen Ohrdruf geboren und trat 1963 mit 15 Jahren der FDJ bei. Er absolvierte eine Berufsausbildung mit Abitur und arbeitete von 1967 bis 1969 als Gummifacharbeiter. Nach einer Zwischenstation als Buchhändlerlehrling studierte er von 1969 bis 1973 Dramaturgie und Theaterwissenschaften an der Theaterhochschule „Hans Otto“ in Leipzig. Ab 1973 arbeitete er als Filmkritiker für die Jugendtageszeitung Junge Welt (JW), damals mit einer täglichen Auflage von ca. einer Million Exemplare nach dem Neuen Deutschland die auflagenstärkste Tageszeitung der DDR. 1976 trat Schütt in die SED ein. 1984 wurde Schütt nach Stationen als stellvertretender Leiter der Kulturabteilung und als stellvertretender Chefredakteur als Nachfolger von Dieter Langguth zum Chefredakteur der Jungen Welt berufen. Von 1981 bis 1989 war Schütt parallel zu seiner Arbeit bei der Jungen Welt Abteilungsleiter, später auch Sekretär im Zentralrat der FDJ.[1]

Als JW-Chefredakteur und mit seiner Kolumne So sehe ich das galt Schütt als ausgesprochener Hardliner und Demagoge. Bei oppositionellen Jugendlichen in den 1980er Jahren war er verhasst, eine ähnlich starke emotionale Ablehnung riefen sonst nur Margot Honecker (nicht aber ihr Ehemann Erich Honecker, dem in den 1980er Jahren eher Mitleid galt), Kurt Hager, Erich Mielke und Karl-Eduard von Schnitzler hervor.[2] Besonderes Aufsehen erregte Schütts Verriss des anti-stalinistischen Films Die Reue aus der Sowjetunion,[3] der im Oktober 1987 im ZDF ausgestrahlt wurde. Schütts Artikel vom 28. Oktober 1987 wurde weithin als deutliches Zeichen der Abkopplung von Perestroika und Glasnost durch die DDR-Führung gesehen und resultierte in zahlreichen Protesten besonders in der Kulturszene. Später wurde bekannt, dass Erich Honecker selbst den Artikel verschärfend schlussredigiert hatte.[4] Eine ähnliche Signalwirkung entfaltete vorher nur Kurt Hagers „Tapeten-Vergleich“ im April 1987, später auch das faktische Sputnik-Verbot im November 1988. In einer Kolumne im Dezember 1987 setzte Schütt Teilnehmer einer Mahnwache an der Ost-Berliner Zionskirche, die im November 1987 gegen die Verhaftungen von Mitgliedern der Umwelt-Bibliothek protestiert hatten, mit Neonazis gleich:[5]

„Der Feind, ob er nun mit missionarischem Eifer junge Literaten gegen uns losschickt, ob er nun in der Pose des Mahnwächters, stets pünktlich auf Bestellung mit Fernsehkameras, vor Kirchentore zieht, oder ob er Rowdys mit faschistischem Vokabular und Schlagwaffen ausrüstet – er hat bei uns keine Chance.“

Hans-Dieter Schütt: Junge Welt vom 12./13. Dezember 1987

Der Vergleich erlangte seine besondere Brisanz durch einen vorhergegangenen Überfall von Skinheads auf links-alternative Besucher eines Element-of-Crime-Konzerts in der Zionskirche vom 17. Juni 1987, bei dem die Volkspolizei lange tatenlos zugesehen hatte. Gegen Schütts Artikel gab es zahlreiche Protestbriefe, auch von kirchenoffizieller Seite.[5] Die DDR-Oppositionelle Vera Wollenberger stellte im Dezember 1987 wegen des Artikels Strafanzeige wegen Beleidigung und Verleumdung gegen Schütt. Nachdem Wollenberger bald darauf im Zusammenhang mit einer Demonstration verhaftet und in den Westen abgeschoben wurde, verlief die Klage im Sand.[6]

Schütt wurde am 21. November 1989 als JW-Chefredakteur abgelöst.[7] Als Autor, Interviewer und Herausgeber verfasste Schütt nach 1990 zahlreiche Bücher, darunter seine Autobiographie Glücklich beschädigt von 2009. Kritiker sahen in dem Buch einen ehrlichen und schonungslosen Versuch der Abrechnung mit seiner Rolle im System der DDR.[8]

Uwe Stolzmann beschrieb im Deutschlandradio Kultur Schütt als brillanten Autor, Feingeist und Scharfmacher, „kurz: ein Demagoge“.[9]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Bernd-Rainer BarthSchütt, Hans-Dieter. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Ch. Links Verlag, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4, Band 2.
  2. Ilko-Sascha Kowalczuk: Er hat verstanden. In: Der Tagesspiegel vom 2. November 2009.
  3. Dieter Schütt: Kunst und Geschichtsbewußtsein. In: Junge Welt vom 28. Oktober 1987.
  4. Eberhard Kuhrt, Hannsjörg F. Buck, Gunter Holzweissig (Hrsg.): Die SED-Herrschaft und ihr Zusammenbruch. Leske + Budrich, Opladen 1996, ISBN 381001608X, S. 52.
  5. a b Ehrhart Neubert: Geschichte der Opposition in der DDR 1949–1989. Ch. Links Verlag, Berlin 1998, ISBN 3861531631, S. 780–781.
  6. Ilse Spittmann-Rühle, Gisela Helwig: Rückblicke auf die DDR. Verlag Wissenschaft und Politik, Köln 1995, ISBN 3804603424, S. 218.
  7. In eigener Sache. In: Junge Welt vom 21. November 1989. („Seit heute hat die Junge Welt eine neue Chefredaktion. Die Mitarbeiter der Redaktion haben ihr mehrheitlich das Vertrauen ausgesprochen. Es sind die radikalen Anforderungen der Zeit, vor allem eure Anforderungen, […] die diesen Schritt notwendig gemacht haben.“)
  8. Rezensionen zu Werken von Glücklich beschädigt bei perlentaucher.de
  9. Uwe Stolzmann: Selbstanklage eines Verbohrten. In: Deutschlandradio Kultur vom 7. Oktober 2009. Rezension des Buches von Hans-Dieter Schütt: Glücklich beschädigt. Republikflucht nach dem Ende der DDR. Berlin 2009.

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