Hans Jantzen

Hans Jantzen

Hans Jantzen (* 26. April 1881 in Hamburg; † 15. Februar 1967 in Freiburg im Breisgau) war ein deutscher Kunsthistoriker.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Jantzen studierte Kunstgeschichte an der Universität Halle und habilitierte sich dort mit einer Schrift zum Thema „Farbenwahl und Farbgebung in der holländischen Malerei des 17. Jahrhunderts“. 1935 wurde er von Frankfurt am Main (1931–35) an das Kunsthistorische Institut der Universität München berufen, wo er neben Wilhelm Pinder bis Kriegsende lehrte. Jantzen war förderndes Mitglied der SS und auch Mitglied der NS-Volkswohlfahrt.[1] Am 8. Januar 1946 wurde er wegen seiner Nähe zum Nationalsozialismus entlassen, am 28. Februar des gleichen Jahres jedoch wieder in sein Amt eingesetzt. Von 1945 bis zu seiner Emeritierung 1951 war er Professor und Leiter des kunstgeschichtlichen Seminars der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Jantzen gilt als Mitbegründer der modernen Gotikforschung. Der von ihm geprägte Begriff Diaphanie gehört zum Grundwortschatz bei der Beschreibung und Analyse gotischer Kirchen.

Hans Jantzen und die „diaphane Struktur“

Hans Jantzen hat 1927 den Begriff einer „diaphanen Struktur“ geprägt.[2] Er verwies darauf, dass es in der gotischen Lichtführung und auch in der Konstruktion der Wand darauf ankommt, gleichsam zwei Schichten hintereinander zu setzen: eine plastisch geformte und bedeutungsgeladene vordere Schicht und eine optische Raumschale dahinter, die wie ein Fond wirkt, vor dem die vordere Schicht sich abhebt. Und diesem Prinzip entsprechen auch die immer größer werdenden Fenster. Bei ihnen ist das „Durchscheinende“ allein schon durch das Licht gegeben, bei der Wand muss dieser Effekt durch die Raumschale erst konstruiert werden.

Jantzen sieht „das Verhältnis der körperplastisch geformten Wand zu den dahinterliegenden Raumteilen als Verhältnis zwischen Körper und Grund. Das heißt: die Wand als Begrenzung des gesamten Langhausinnern ist nicht ohne den Raumgrund faßbar […] Der Raumgrund selbst zeigt sich als optische Zone, die der Wand gleichsam hinterlegt ist. Im Terminus ‚Hinterlegung‘ spricht sich der Charakter der Bezogenheit vom Wandkörper zum Raumgrund aus. So will also der Begriff der diaphanen Struktur besagen, dass verschiedenartige Raumteile, die hinter dem Wandkörper (als Grenze des Hochschiffs) liegen, in ihrer Funktion als pure optische Erscheinung in die Stilbildung der Hochschiffwand eingreifen.“

Nach seiner Theorie ist das Mittelschiff in seiner ganzen Höhe von einer Raumschale mit verschiedener Tiefenschichtung umgeben, bei basilikalem Querschnitt in jedem Geschoss anders, doch werde jeweils das Prinzip der Zweischaligkeit gewahrt. Es geht hier nicht um Helligkeit allein, sondern darum, eine gestaltete Fläche transparent zu machen. Dieser Funktion dienen nach Jantzens Auffassung in der gotischen Kathedrale auch das Triforium und die Empore. Beide sorgen dafür, dass sich ein Zwei-Schalen-System in der gotischen Mauer entwickelt. Das Prinzip des „Diaphanen“ ist aus dem Kern des kultischen Vorgangs selbst zu deuten, der sich in der Kathedrale während des Gottesdienstes abspielt. In einem Paradox wird der Raum zum Symbol eines raumlosen, geistigen – metaphysischen – Zustandes.

Mit dem durchlichteten Triforium kann fast die gesamte Außenwand des Raumes in Licht und Farbe aufgelöst werden. Es entsteht eine ausdrucksstarke, expressive durchleuchtete Bildwand – denn zwischen das obere Fenstergeschoss und das unteren Arkadengeschoss, das von den Seitenschiffwänden her Licht einströmen ließ, kommt als letztes, als drittes Glied das durchlichtete Triforium. Die trägen Mauermassen der Romanik sind in der Gotik belebt worden, die Spannung des Raumes wurde gesteigert und der gesamte Bau in ein System intensiver Bildwelten verwandelt.[3].

Schriften

  • Kunst der Gotik: Klassische Kathedralen Frankreichs – Chartres, Reims, Amiens. Rowohlt, Hamburg 1957. Erweiterte Neuausgabe: Reimer, Berlin 1987, ISBN 3-496-00898-9.

Literatur

  • Festschrift für Hans Jantzen. Berlin 1951
  • Metzler Kunsthistorikerlexikon, hg. von Peter Betthausen, Peter H. Feist und Christiane Fork, Stuttgart/Weimar 1999, ISBN 3-476-01535-1, S. 192–195.
  • Jutta Held: Kunstgeschichte im „Dritten Reich“: Wilhelm Pinder und Hans Jantzen an der Münchner Universität. In: Schwerpunkt: Kunstgeschichte an den Universitäten im Nationalsozialismus. V&R Unipress, Göttingen 2003, ISBN 3-89971-118-1 (Kunst und Politik. Bd. 5), S. 17–60 (online).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Kurzbiographie, auf der Website des Instituts für Kunstgeschichte des Karlsruher Instituts für Technologie. Abgerufen am 29. April 2011.
  2. Hans Jantzen: Über den gotischen Kirchenraum und andere Aufsätze. Mann, Berlin 1951, S. 7–20.
  3. Nikolaus Pevsner: Europäische Architektur von den Anfängen bis zur Gegenwart. 3. Auflage. Prestel, München 1973, S. 145.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать реферат

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Jantzen — ist der Name von Elfi Jantzen (* 1954), deutsche Politikerin (Bündnis 90/Die Grünen) Hans Jantzen (1881 1967), deutscher Kunsthistoriker Hans Hermann Jantzen (* 1945), lutherischer Theologe und Landessuperintendent für den Sprengel Lüneburg der… …   Deutsch Wikipedia

  • Hans-Hermann Jantzen — (* 28. September 1945 in Polle an der Weser) ist ein deutscher lutherischer Theologe. Er war von 1997 bis 2011 Landessuperintendent für den Sprengel Lüneburg der Evangelisch lutherischen Landeskirche Hannovers und zusätzlich von 2010 bis 2011… …   Deutsch Wikipedia

  • Hans Georg Niemeyer — (* 30. November 1933 in Hamburg; † 5. September 2007) war ein deutscher Klassischer Archäologe. Hans Georg Niemeyer studierte Archäologie, Klassische Philologie und Alte Geschichte in Marburg und Hamburg. Neben dem Studium absolvierte Niemeyer… …   Deutsch Wikipedia

  • Hans-Christian Drömann — (* 31. Mai 1932 in Hildesheim) ist ein lutherischer Theologe und ehemaliger Landessuperintendent für den Sprengel Lüneburg der Evangelisch lutherischen Landeskirche Hannovers und Abt des Klosters Amelungsborn. Inhaltsverzeichnis 1 Leben und… …   Deutsch Wikipedia

  • Hans Bohnenkamp — Hans Heinrich Wilhelm Bohnenkamp (* 17. April 1893 in Schildesche; † 2. Februar 1977 in Schanzendorf (Kreis Ottersberg)) war ein deutscher Pädagoge, Hochschullehrer und Hochschuldirektor. Inhaltsverzeichnis 1 Leben und Werk 2 Literatur …   Deutsch Wikipedia

  • Jantzen — Jạntzen,   Hans, Kunsthistoriker, * Hamburg 24. 4. 1881, ✝ Freiburg im Breisgau 15. 2. 1967; Schüler von H. Wölfflin, E. Husserl und A. Goldschmidt, wurde 1916 Professor in Freiburg im Breisgau, 1931 in Frankfurt am Main und 1935 in München. Der …   Universal-Lexikon

  • Ulf Jantzen — (* 5. April 1909 in Florenz; † 4. März 2000 in Hamburg) war ein deutscher Klassischer Archäologe. Der Sohn des Kunsthistorikers Hans Jantzen studierte Klassische Archäologie und wurde 1936 in München promoviert. Er war von 1960 bis 1969 Professor …   Deutsch Wikipedia

  • Karl-Heinz Jantzen — (* 18. September 1921 in Hamburg; † 2. Januar 2007 in Bremen) war ein Politiker der SPD und Bremer Senator. Inhaltsverzeichnis 1 Biografie 1.1 Ausbildung und Beruf 1.2 Politik …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Biografien/Jam–Jan — Biografien: A B C D E F G H I J K L M N O P Q …   Deutsch Wikipedia

  • Abt von Saint-Denis — Gotische Kathedrale von Saint Denis Mittelschiff Die Basilika Saint Denis ist eine ehemalige Abteikirche in der Stadt Saint Denis nördlich von …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”