Haus Komitopuli

Haus Komitopuli

Als Westbulgarisches Reich wird in der Geschichtsschreibung gelegentlich der 969 vom Bulgarenreich abgespaltene Staat um das mazedonische Ohrid bezeichnet. Die deshalb ebenfalls gelegentlich auftauchende Bezeichnung Mazedonisches bzw. Makedonisches Reich ist jedoch vor allem auf griechischer Seite politisch umstritten.

Ebenso umstritten ist die Verwendung beider Begriffe auch für das von dem Protobulgaren Kuver um 680 gegründete Khaganat von Bitola, welches sich zu Beginn des 8. Jahrhunderts mit dem bulgarischen Hauptreich seines Bruders Asparuch vereinigte.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Das bulgarische Reich des Zaren Peter I. wurde 968 vom russischen Großfürsten Swjatoslaw I. überfallen. Um seinen Staat gegen die Petschenegen zu verteidigen, unterbrach Swjatoslaw seinen Feldzug, kehrte aber im Frühling des nächsten Jahres (969) zurück und eroberte mehrere Städte im Osten des bulgarischen Reiches sowie dessen Hauptstadt Preslaw. Preslaw blieb allerdings nicht lange in russischen Händen. Dem byzantinischen Kaiser Johannes I. gelang es 971, diese unter Kontrolle zu bekommen und die Russen von der Balkanhalbinsel zu vertreiben. Die byzantinische Expansionpläne wurden aber von Samuil - dem Sohn "eines bei den Bulgaren großmächtigen Komes"[1] - behindert. Er stand mehrere Jahrzehnte lang an der Spitze eines intakten bulgarischen Staates, dessen Hauptstadt in der Gegend um den Prespasee lag. Unklar und unter Historikern umstritten ist die Frage, wann dieses westbulgarische Reich entstanden ist.

Haus Komitopuli

Der bulgarische Historiker Marin Drinow, der als erster den Begriff Westbulgarisches Reich verwendete,[2][3][4] stellte Ende des 19. Jh. die Hypothese auf, dass es 963 zu einer Abspaltung eines Teiles des bulgarischen Reiches unter der Führung des Komes Schischman (Samuils Vater) gekommen sein sollte.[5] Nach der Entdeckung des Grabes von Samuils Vater wurde klar, dass er Nikola hieß.[6]

Heutzutage werden drei Theorien diskutiert.

  • Nach der ersten haben die vier Söhne von Nikola - die Kometopulai (Komitopuli): David, Moses, Aron und Samuil das westbulgarische Reich in Opposition gegen den Zentralmacht in Preslaw 969 gegründet.
  • Nach der zweiten ist dieses deshalb entstanden, weil die Byzantiner den Westteil des bulgarischen Reiches nicht eroberten und sich die Komitopulen dort behaupten konnten.
  • Die dritte Theorie besagt, dass der byzantinische Kaiser das gesamte bulgarische Reich unterwerfen konnte und dass die Komitopulen 976 an der Spitze eine Revolte standen.

Quellenkritik

Einer der Gründe für die Unklarheiten um die Entstehung des westbulgarischen Reiches liegt in dem Mangel an historischen Quellen. Zwar berichten über die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Byzanz und den Bulgaren nach 976 mehrere Chronisten (wie der armenische Chronist Stephanos von Tharon, der arabische Chronist Yahya Ibn Sa'id al-Antaki, der byzantinische Chronist Leon Diakonos und andere).[7] Sie widmeten sich allerdings ausschließlich den Ereignissen ab 976.

Über die Rolle der Komitopulen bis 976 ist die Chronik von Skylitzes-Kedrenos das einzige erhalten gebliebene historische Dokument.[8] In dieser Chronik werden die Komitopulen das erste Mal in einem Satz zwischen Ereignissen erwähnt, die man heutzutage mit 969 (und nicht mit 963) datiert, und das zweite Mal erst später im Text als Anführer einer gegen die byzantinische Herrschaft im Jahre 976 ausgebrochene Rebellion.

Unterschiedliche Meinungen werden unter den Historikern auch bei den Fragen vertreten, welche Rolle Romanos der jüngere Sohn von Peter I. spielte[9] und wann Samuil zum Zaren gekrönt wurde.[10] Manche meinen, dass Romanos die Festung Skopie, deren Stadtverwalter er war, im Jahre 1004 dem Byzantinischen Kaiser übergeben haben sollte.[11] Nach einer anderen Auffassung wurde Romanos als legitimes Staatsoberhaupt anerkannt[12], geriet aber 991 in byzantinischer Gefangenschaft.[10][13][14] Erst die Nachricht von seinem Tod veranlasste Samuil 997 sich zum Zaren krönen zu lassen.[14][15]

Epilog

Der Nachfolger Johannes’ I., Kaiser Basileios II. (976-1025), musste lange Zeit gegen mehrere Gegner kämpfen: gegen die Usurpatoren Bardas Skleros und Bardas Phokas, sowie in Syrien gegen die Fatimiden.[16]

Basileios II und Nikolitza[17]

Erst 1001 eröffnete er eine Großoffensive auf dem Balkan und eroberte mehrere bulgarische Festungen (Berrhoia, Serbia, Bodena, Widin, Dyrrhachion). Die entscheidende Schlacht fand 1014 bei Kleidion statt. Die Bulgaren erlitten eine schwere Niederlage (s. Hauptartikel: Schlacht von Kleidion). Samuil starb noch im selben Jahr. Auf dem Thron folgten ihn zuerst sein Sohn Gawril Radomir und später sein Neffe Iwan Wladislaw, die sich noch vier Jahre lang gegen den byzantinischen Kaiser wehrten. Als aber 1018 Iwan Wladislaw bei einem Angriff auf Dyrrhachion ums Leben kam, brach der bulgarische Widerstand zusammen.[18] Einer der einflussreichsten bulgarischen Feldherren Nikoliza ergab sich in Skopie. Ein anderer - Krakra, dessen Festung (Pernik) trotz mehrerer byzantinischer Angriffe bis zuletzt uneingenommen blieb - stellte sich dem Kaiser Basileios II in Serres, begleitet von 35 anderen Boljaren.[18] Die Frau von Iwan Wladislaw - Maria - ergab sich in Ochrid zusammen mit drei ihrer Söhne, sechs Töchtern und einem außerehelichen Sohn von Samuil, sowie fünf Söhnen und zwei Töchtern von Gawril Radomir.[18] Die bulgarischen Adligen bekamen verschiedene Titel in der byzantinischen Hierarchie und wurden nach Kleinasien umgesiedelt. Die Tochter von Iwan Wladislaw - Ekaterina - wurde später zur Frau des byzantinischen Kaisers Isaak I.

Liste der westbulgarischen Herrscher

  • Nikola - 963/69-972 (Rolle nicht ausreichend geklärt)
  • die vier Komitopuli gemeinsam (David, Aaron, Moses, Samuel) - 972-976 (Rolle der einzelnen Brüder nicht ausreichend geklärt)
  • Samuel - 972/76-1014
  • Gawril Radomir - 1014-1015
  • Johannes Wladislaw - 1015-1018
  • Presian II. - 1018
  • Peter Delyan und Alusian - Restaurationsversuch 1040-1041
  • Peter III. (Konstantin Bodin)[19] - 1072

Siehe auch

Literatur

  • Franz Georg Maier (Hrsg.): Fischer Weltgeschichte. Bd. 13 (Byzanz). Frankfurt a.M. 1973; ND als Weltbild Weltgeschichte. Augsburg 1998, S. 152 und S. 225.
  • P. Strässle: Krieg und Kriegführung in Byzanz. Die Kriege Kaiser Basileios II. gegen die Bulgaren (976-1019). Böhlau, 2006, ISBN 3-412-17405-X
  • Warren Treadgold: A History of the Byzantine State and Society. Stanford University Press, 1997, ISBN 0-80472-630-2
  • Срђан Пириватрић: Самуилова држава. Обим и карактер. Institute for byzantine studies, Belgrad, 1997, ISSN 0584-9888
  • Steven Runciman: A history of the First Bulgarian Empire. G. Bell & Sons, London, 1930
  • C. Jireček: Geschichte der Bulgaren. Georg Olm Verlag, 1977 (Orig.: Verlag von F. Tempsky, Prag 1876).

Einzelnachweise

  1. Skylitzes (zitiert nach D. Zakythinos, Byzantinische Geschichte 324-1071, 1979, S. 224)
  2. en.wiki: Marin Drinov
  3. Пириватрић, 1997, S. 56-57
  4. ...Чтобы не смешиват этих двухъ Государствъ, мы въ дальнейшемъ разказе будемъ называтъ первое изъ нихъ Восточнымъ, а второго Западнымъ... - ...Um diese beide Reiche miteinander nicht zu verwechseln, werden wir des Weiteren das erste davon Östliches und das zweite Westliches nennen... (Южные славяне и Византия въ X веке, In: Чтенiй въ Императорскомъ Обществъ Исторiи и Древностей Россiйскихъ при Московскомъ Университетe, 1875, Band 3)
  5. Drinov stützt seine Theorie auf Synopsis Historion von Georgios Kedrenos, auf einer Boljaren-Urkunde (eines gewissen Pincius) und auf einer Lobrede aus dem Zográfou-Kloster, wo die Bulgarenherrscher in der Reihenfolge "...Boris, Simeon, Peter, Boris, Romanos, Schischman, David, Samuil..." stehen. Diese Theorie ist auch von Konstantin Jireček in seine Geschichte der Bulgaren aufgenommen worden.
  6. Der Name von Samuils Vater wird auch durch die Zusätze in der Wiener-Abschrift der Chronik von Johannes Skylitzes bestätigt. Über die Pincius-Urkunde herrscht in der modernen Wissenschaft die Klarheit, dass sie nicht (wie in ihr zu lesen ist) im 10. Jahrhundert sondern erst im 13. Jh. geschrieben wurde und daher als historische Quelle unbrauchbar ist.
  7. Strässle, 2006, S. 15-27
  8. Über diese Zeit ist die Chronik von Kedrenos eine genaue Abschrift der Chronik von Skylitzes. Deshalb wird diese historische Quelle in der Literatur entweder als Kedrenos, Skylitzes oder Skylitzes-Kedrenos zitiert.
  9. Der bulgarische Zar Boris II und sein Bruder Romanos, die in Konstantinopel gefangen gehalten wurden, flohen im Jahre 977 (oder 978) zu den Komitopulen, wobei aber Boris an der Grenze umkam.
  10. a b Пириватрић, 1997, S. 100, 116-118
  11. Runciman, 1930, S. 238
  12. Treadgold, 1997, S. 514
  13. Treadgold, 1997, S. 520
  14. a b Strässle, S. 155-157, 161-162
  15. Treadgold, 1997, S. 522
  16. Strässle, 2006, S. 63-67
  17. Madrider Skylitza
  18. a b c Пириватрић, 1997, S. 120-132
  19. Liste der bulg. Herrscher

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