Heuerling

Heuerling

Im ausgehenden Mittelalter tauchen die Heuerlinge (auch Kötter, von Kotten = Heuerlingshaus, Heuerhaus) oder auch Heuerleute als neue soziale Schicht auf.

Die Hof- bzw. Herdbesitzer sicherten sich durch Abtreten einer kleinen Heuerstelle, die aus Haus, Garten und etwas Ackerland bestand, bodenständige Arbeiter. Durch Mitarbeit auf dem Hof des Bauern verdiente sich der Heuerling seine Heuer (Pacht), zusätzlich Korn, Heu und auch die Spannhilfe des Bauern. Die Betriebsfläche der Heuerstellen lag typischerweise in Form von Kämpen um den Hof. Wiesen besaß der Heuerling nur in den seltensten Fällen. Auch auf die Gemeinheit hatte er keinen Rechtsanspruch; doch da diese ihm zur Existenz unentbehrlich war, wurde ihm gegen geringes Entgelt der Auftrieb einiger Kühe gestattet.

Da das eigene Anwesen in vielen Fällen die vielköpfige Familie nicht ernähren konnte und der Handwerkerstand unter Zunftgesetz stand, das nur die Aufnahme eines geringen Prozentsatzes vorsah, verdingten sich vor allem in Westfalen, dem Oldenburger Münsterland, dem Emsland und dem Unterwesergebiet und Ostfriesland viele männliche Familienmitglieder als Saisonarbeiter in Holland (Hollandgänger).

Heuerlinge waren keine vollberechtigten Mitglieder der Bauernschaft. Sie besaßen kein Stimmrecht, brauchten keine Kirchenbeiträge zu bezahlen, mussten aber für das Totengeläut eine Gebühr entrichten.

Mit dem Beginn der Weimarer Republik schlossen sich die nordwestdeutschen Heuerleute in Interessenorganisationen zusammen. Für den Osnabrücker Raum entstand der Nordwestdeutsche Heuerlingsverband unter Leitung des späteren SPD-Reichstagsabgeordneten Wilhelm Helling, im Emsland/Grafschaft Bentheim und Teilen des Landkreises Bersenbrück der Verein Christlicher Heuerleute, später Verband Christlicher Heuerleute, Kleinbauern und Pächter unter dem späteren Provinziallandtagsabgeordneten Heinrich Kuhr (Zentrum), in Südoldenburg der Verband Landwirtschaftlicher Kleinbetriebe.

Das Heuerlingswesen bestand bis in die 1960er Jahre.

Literatur

  • Franz Bölsker-Schlicht: Sozialgeschichte des ländlichen Raumes im ehemaligen Regierungsbezirk Osnabrück im 19. und frühen 20. Jahrhundert unter besonderer Berücksichtigung des Heuerlingswesens und einzelner Nebengewerbe, in: Westfälische Forschungen 40/1990, Münster 1990, S. 223-250.
  • Wilhelm Brandhorst: Heuerlinge und Heuerlingshäuser in Hartum. vom Heuerlingswesen in einem Dorfe des Mindener Landes. Mitteilungen des Mindener Geschichtsvereins, Jahrgang 51 (1979), S. 93-100.
  • Johannes Drees: Arbeitsausgleich zwischen Industrie und Landwirtschaft dargestellt am Heuerlingswesen im Kreise Osnabrück, Diss. Göttingen 1924.
  • Christof Haverkamp: Die Heuerleutebewegung im 20. Jahrhundert im Regierungsbezirk Osnabrück, in: Studiengesellschaft für Emsländische Regionalgeschichte (Hrsg.), Emsländische Geschichte Bd. 6, Dohren 1997, S. 89-107.
  • Heinrich Kuhr: Das Heuerlingswesen im Emsland und in den Nachbargebieten, in: Jahrbuch des Emsländischen Heimatvereins Bd. 12/1965, (Meppen o.J.), S. 60-72.
  • Helmut Lensing, Der „Verein Christlicher Heuerleute“ 1919 bis 1933 – Eine bedeutende Interessenorganisation ländlicher Unterschichten im deutschen Nordwesten, in: Jahrbuch des Emsländischen Heimatbundes Bd. 53/2007, Sögel 2006, S. 45-90.
  • Hans-Jürgen Seraphim: Das Heuerlingswesen in Nordwestdeutschland (Veröffentlichung des Provinzialinstituts für westfälische Landes- und Volkskunde, Reihe I: Wirtschafts- und verkehrswissenschaftliche Arbeiten, Heft 5), Münster 1948.
  • Adolf Wrasmann: Das Heuerlingswesen im Fürstentum Osnabrück, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte und Landeskunde von Osnabrück, Teil I Bd. 42/1919, Osnabrück 1920, S. 52-171 und Teil II in Bd. 44/1921, Osnabrück 1922, S. 1-154.

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