Bauernschaft (Organisationsform)

Bauernschaft (Organisationsform)

Der historische Begriff der Bauernschaft (auch Bauerschaft oder Bäuerschaft) bezeichnet eine bestimmte mittelalterliche Organisationsform, ähnlich den bäuerlichen Gilden oder Nachbarschaften, teils auf lokaler, teils auf regionaler Ebene.

Häufig waren diese Bauernschaften als Gesamtheit mehrerer kleiner Siedlungen im Rahmen des Lehnswesens einer Herrschaft – etwa einer Burg – zugehörig, und da historisch und regional Organisationsform und Siedlungsform miteinander verwoben sind, auch seine spezielle Art der Siedlung.

Die Bauernschaft kennzeichnete gleichfalls einen Rechtsbezirk und daher auch eine frühe Form der Selbstverwaltung. Die Versammlung der Bauern einer solchen burschap, das burgericht, bildete dabei das Rechtsorgan dieser Gemeinschaft. Das Bewusstsein der Zugehörigkeit zu einer Bauernschaft wurde nicht nur durch den eigenen gewählten Bauerrichter geprägt, sondern auch durch die jeweilige Markenzugehörigkeit. Hinzu kamen die gemeinschaftlichen Feste, zum Beispiel das Vertrinken der vom Bauerrichter erhobenen Strafgelder (Brüchten) oder später manchmal Schützenfeste sowie die gemeinsame Verantwortlichkeit für Steuerzahlungen.

Heute wird der Begriff in ähnlicher Form gebraucht, wenn unterschiedslos alle Bauern eines Ortes gemeint sind, unabhängig von ihren Mitgliedschaften in unterschiedlichen Berufsverbänden, zum Beispiel im Deutschen Bauernverband (vergleiche Jägerschaft).

Die Bauerschaft am Beispiel Herrschaft Hardenberg

Genauere Kenntnis über die Bauerschaft (in den Quellen nie „Bauernschaft“) haben wir für die bis 1806 bestehende Herrschaft Hardenberg, da im Pfarrarchiv (Velbert-)Langenberg das Bauerschaftsbuch der Bauerschaft Obensiebeneick erhalten geblieben ist. Es ist von den Vorstehern der Bauerschaft, die dieses Amt auf Lebenszeit oder bis zu ihrem von ihnen gewünschten Rücktritt innehatten, von 1675–1729 in gut lesbarer Schrift geführt worden.

Wichtige Aufgaben der Vorsteher waren die Einberufung des bauerhoffs, zu dem alle Hofbesitzer mindestens einmal im Jahr zusammengerufen wurden, die Vertretung der Interessen der Bauerschaft gegenüber dem Inhaber der Herrschaft und die Umlage der Steuern auf die einzelnen Höfe. Hierzu waren schwierige Rechnungen erforderlich, da es ganze, halbe, viertel (bis sechzehntel) Höfe gab. Die Gesamtheit der Hardenberger Bauerschaftsvorsteher verhandelte über alle Themen, welche die Bewohner der Bauerschaften berührten, mit den Inhabern der Herrschaft. Durch Zahlungen gelang es ihnen, sich von einigen Lasten zu befreien, so erreichten sie 1551 das freie Heiratsrecht, 1573 die Ablösung der Hand- und Spanndienste, 1615 die Einschränkung der Wachtdienste und anderes.

Neben den Vorstehern der Bauerschaften, die häufig, aber nicht zwangsläufig beim Hardenberger Landgericht als Schöffen fungierten, gab es noch die jährlich von allen in der Bauerschaft ansässigen Hofbesitzern gewählten Bauermeister. Ihre wichtigste Aufgabe scheint die Einsammlung der Steuerbeträge bei den Bauern und die Abrechnung der Steuer mit den Beauftragten der Herrschaft gewesen zu sein.

Die Bauerschaft ist in Hardenberg ein klar umgrenztes Gebiet mit ihren Bewohnern. Sie ist – ähnlich wie die Honnschaft – die unterste Verwaltungseinheit, die mit einigen Rechten ausgestattet war (das gilt auch für den westfälischen Bereich). Mehrere Bauerschaften bildeten ein Amt. Auch die Landgerichte und die Kirchspiele bauten auf den Bauerschaften auf. Die Bauerschaften (wie auch die Honnschaften) errichteten und unterhielten seit dem 17. Jahrhundert eigene Schulen, wenn der Weg zu den Kirchspielsschulen zu weit war.[1]

Literatur

  • Günther Franz (Hrsg.): Bauernschaft und Bauernstand 1500–1970. Starke, Limburg 1975, (Büdinger Vorträge 1971–1972, ZDB-ID 208039-4), (Deutsche Führungsschichten in der Neuzeit. Band 8).
  1. K. Wesoly: Hof- und Honnschaftschulen im Bergischen Land bis zum Ende des Alten Reiches. In: Ulrich Andermann u. a.: Regionale Aspekte des frühen Schulwesens. Bibliotheca-Academica-Verlag, Tübingen 2000, ISBN 3-928471-27-9, (Kraichtaler Kolloquien 2), S. 201–220.

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