- Hinduistischer Fundamentalismus
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Der Begriff Fundamentalismus im weiten Sinn bezeichnet eine religiöse oder weltanschauliche Strömung, deren Ziel eine radikale, da kompromisslose Rückbesinnung auf die Wurzeln der jeweiligen Religion oder Ideologie ist. Im engeren ursprünglichen Sinn bezeichnet das Wort eine im US-amerikanischen Protestantismus entstandene konservativistische Bewegung, deren Wurzeln die Eschatologie (Endzeitlehre) ist.
Das grundlegende gemeinschaftsbildende Element des hinduistischen Fundamentalismus ist der Glaube an die Einzigartigkeit der indischen Erde.
Indien, Pakistan, Bangladesch, Nepal, Sri Lanka, Bhutan und große Teile Birmas, werden als "heiliges Land" mit hervorgehobener Bedeutung für die Weltgeschichte betrachtet. Dieser geographische Raum ist im eigentlichen als Beginn der menschlichen Schöpfung anzusehen. Die Götterwelt hat daher in Indien ihr zu Hause.
Hinduistischer Fundamentalismus sieht das Leben „als integriertes Ganzes”. Indien und die Welt befänden sich im Zuge der Moderne in einem Zustand des Chaos und der Richtungslosigkeit. Dies mache die Rückbesinnung auf die eigene Kultur notwendig, die durch das religiöse Konzept des ‚Dharma‘ gestützt würde. Dieses Dharma war als außerweltliche, auch göttliche Ordnung, die der einzelne Mensch nicht beeinflussen könne und die das Handeln des Menschen von ihr abhängig mache, zu verstehen. Der Hinduismus hat durch dieses ordnende Prinzip des Dharmas auch eine für die gesamte Erde zukunftsweisende Bedeutung. Ein Hindu ist ein 'vertrauensvoller, den Traditionen verpflichteter, recht handelnder Mensch’.
Zu den Verhaltensregeln eines Hindus zählen die vom Vishwa Hindu Parishad vorgeschriebene und sanktionierte Teilnahme an gewissen Feiern und Zeremonien. Unabdingbar ist das Engagement, für den Bau eines Tempels an der angeblichen Geburtsstätte von Gott Rama in Ayodhya am Ort der am 6. Dezember 1992 von Freiwilligen des VHP zerstörten Babri-Moschee zu wirken.
Der hinduistische Fundamentalismus wirkt organisatorisch mit der politischen Partei Bharatiya Janata Party (BJP) und der ideologischen Kader- und Freiwilligenorganisation Rashtriya Swayamsevak Sangh (RSS) zusammen. Die nationalistische Bharatiya-Janata-Partei oder die militante Vishwa Hindu Parishad sind Beispiele für Fundamentalismus im Hinduismus. Der Hindu-Fundamentalismus versucht vor allem alle vermeintlichen ehemaligen hinduistischen Inder (Muslime, Christen, Sikhs) wieder zum Hinduismus "zurückzubekehren", Hindi zur alleinigen Sprache all jener Hindus zu machen, die eine dem Hindi verwandte Sprache sprechen (beispielsweise Nepali, Panjabi) und ein Groß-Indien, vor allem unter Einschluss ganz Kaschmirs aber auch Teilen anderer angrenzender Länder, zu schaffen. Außerdem tritt der Hindu-Fundamentalismus dafür ein, die Republik Indien von einem laizistischen Staat zu einem Staat mit hinduistischer Staatsreligion zu machen.
Quellen
- Andreas Becke: Fundamentalismus in Indien? Säkularismus und Kommunalismus am Beispiel von Ayodhya, in: Zeitschrift für Missionswissenschaft und Religionswissenschaft, 78. Jahrgang, 1994, Heft 1, S. 3-24, ISSN 0044-3123
- Michael Schied: Nationalismus und Fundamentalismus in Indien. Der Ayodhya-Konflikt. VDM Verlag Dr. Müller, Saarbrücken 2008, ISBN 978-3-639-00541-7
- Andreas Schworck: Ursachen und Konturen eines Hindu-Fundamentalismus in Indien aus modernisierungstheoretischer Sicht. Verlag für Wissenschaft und Bildung, Berlin 1997, ISBN 3-86135-053-X
Kategorien:- Hinduismus
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