Hirsch (Glasmacher)

Hirsch (Glasmacher)

Die Familie Hirsch gehört zu den alten in ganz Mitteleuropa verbreiteten Glasmachergeschlechtern. Ähnlich wie bei anderen Familien in diesem Metier haben ihre Mitglieder die Glasindustrie in Deutschland mitgeprägt. Vor allem in Sachsen und in der Lausitz wurden im 19. Jahrhundert zahlreiche Glashütten von dieser Familie gegründet.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Glasmacherfamilie Hirsch ist im 17. Jahrhundert in den damals im Besitz der Familie Werner befindlichen oberpfälzischen Hütten Herzogau bei Waldmünchen (1661), Schwarzach bei Schönsee (1671) und Silberhütte bei Floß (1678) urkundlich erwähnt. Ein Georg Hirsch (*1625) war Glasmacher auf der Glashütte Herzogau. Sein Sohn Johann Georg Hirsch (1661–1759) war Glasmacher in Herzogau und Bodenmais, Sebastian Hirsch (1650–1700) Glasmacher in Grafenried bei Waldmünchen und auf der Silberhütte. Nach dem Spanischen Erbfolgekrieg (1701–1714), in einer Zeit des wirtschaftlichen Niedergangs in Bayern, verbreitete sich die Familie im benachbarten Böhmerwald vor allem dort, wo die Glasmeister Schmaus und Moosburger Hütten besaßen. Die damaligen Glashütten der Familie Schmaus waren die Kreuzhütte, Unterhütte und Fichtenbach im Bezirk Bischofteinitz, sowie die Schmausenhütte bei Markt Eisenstein. Im Besitz der Moosburger befanden sich die Eisendorfer Hütte, die Moosburger-/Walddorfer Hütte und die Johanneshütte im Bezirk Bischofteinitz. Weiters ist die Familie Hirsch im 18. Jahrhundert in Eisenstein auf den Hütten der Hafenbrädl und in Neuern (Glashütte Muckenhof) nachgewiesen. Um 1790 machte der Hüttenmeister Jakob Hirsch, Pächter der Schürerhütte, genannt "Hirsch-Hütte", bei Seewiesen im Böhmerwald erfolgreiche Versuche mit der Produktion von Farbglas. Bei den nordböhmischen Glasraffinerien (Veredlern) war das farbige Rohglas aus dem Böhmerwald dann vor allem in der Zeit des beginnenden Biedermeier sehr gefragt.

Vorwiegend als Tafelglasmacher für Spiegel- und Fensterglas finden sich die Hirsch dann in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf fast allen Tafelglashütten des Böhmerwaldes und des Bayerischen Waldes. Jahrhundertelang hat die Grenze zwischen Böhmen und Bayern für die Wanderungsbewegungen der Glasmacher keine Rolle gespielt. Zu Anfang der 1830er Jahre erlebten die legalen und illegalen Zuwanderungen nach Bayern ihren Höhepunkt. Dabei kamen viele Glasmacher mit dem Namen Hirsch auf Glashütten im Bayerischen Wald, so etwa nach Unterhütte bei Waldmünchen, Schönbach nahe Bodemmais oder Schwarzenthal bei Philippsreut. Einzelne Familiengruppen zogen zu den Hütten im Spessart (siehe Johann Josef Hirsch), im Thüringer Wald und nach Schlesien. Auch Glashütten in Sachsen, in der Lausitz und vereinzelt in Westfalen und Preußen waren das Ziel der Auswanderer. Glasmacher namens Hirsch arbeiteten auf Glashütten in allen Teilen von Österreich-Ungarn.

Ein bedeutender Familienzweig ist derjenige des Johann Josef Hirsch (1743–1836) aus Strasshütte in Böhmen, später Hüttenmeister in Emmerichstal bei Obersinn im Spessart. Seine Söhne Johann Baptist (1779–1859) und Franz (1789–1861) arbeiteten auf der Tafelglashütte Angstedt bei Ilmenau im Thüringer Wald. Ab etwa 1817 waren sie auf der Spiegelglashütte Friedrichsthal bei Lauchhammer in der Lausitz tätig. Die Nachfahren von Johann Baptist Hirsch gründeten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts drei Glasfabriken in Radeberg und Pirna bei Dresden, Altenburg in Thüringen, Weißwasser/Oberlausitz, sowie in Ruhland bei Lauchhammer, Bunzlau/Schlesien, Rauscha bei Görlitz und Brand-Erbisdorf bei Freiberg in Sachsen. Weitere Glashütten in Radeberg, Döbern/Lausitz, Ottendorf-Okrilla (Moritzdorf) und Arnsdorf bei Dresden wurden von den Nachkommen des Franz Hirsch errichtet. Der Glashändler Ludwig Lobmeyr (1829–1917) listet in seinem Buch über die Glasindustrie (1874) die im Jahr 1873 bestehenden Glasfabriken auf. Allein für Radeberg gibt er drei Hütten an, die auf die Familie Hirsch zurückgehen: Berthold & Hirsch (gegr. 1872), Vereinigte Radeberger Glashütten, früher W. Rönsch & Gebr. Hirsch (gegr. 1865) und W. Hirsch (gegr. 1873). Daneben werden genannt: Tafelglashüttenwerk Gebr. Hirsch in Döbern (gegr. 1867, heute Lausitzer Glashütte AG), Hirsch, Janke & Co. AG in Weißwasser (1. Hütte bestand 1884–1949, 2. Hütte "Bärenhütte" von 1896 bis 1998). Tafelglashüttenwerke A. Georg Hirsch in Arnsdorf (gegr.1902), Glashütte Anton Hirsch in Pirna (gegr.1873), "Amalienhütte" des Adolf Hirsch bei Bunzlau/Schlesien (gegr. 1872), und die "Altenburger Glasfabrik" des Hermann Hirsch in Altenburg. Um 1890 befindet sich in Berlin mit Adresse Luisenufer 12 (heute Legiendamm 24), direkt am Luisenstädtischen Kanal wahrscheinlich ein Geschäft des Glashüttenwerks Hirsch, Janke & Co.[1] Die meisten der Glashütten haben die Weltwirtschaftskrise am Ende der 1920er Jahre nicht überstanden.

Ein anschauliches Beispiel für die grenzüberschreitenden Wanderungen der Glasmacherfamilien gibt die Linie Anton Hirsch: Von einer der Tafelglashütten im Böhmerwald kam der Glasmacher Anton Hirsch (*1800) nach 1821 auf die Spiegelglashütte Schwarzenthal bei Philippsreut (Bayerischer Wald). Er heiratete Anna Maria Springer (*1805) aus Landstraßen bei Winterberg (Böhmen). Die Kinder Andreas (*1838), Karl (*1839), Barbara (*1841) und Peter (*1847) wurden in Schwarzenthal geboren. Andreas Hirsch arbeitete später als Schmelzer auf der Spiegelglashütte Elisenthal (Alžbětín) bei Markt Eisenstein im Böhmerwald, wo seine Frau Susanna Pelikan 1847 geboren wurde. Sie heirateten 1867 in Brand, in der zuständigen Pfarrkirche für den Glashüttenort Sorghof bei Tachau in Böhmen. Als Schmelzer gehörte Andreas Hirsch zur Gründungsbelegschaft dieser neuen Spiegelglashütte. In Sorghof kamen die Kinder Georg (*1868), Rudolf (1869–1914) und Barbara (*1871) zur Welt. Rudolf Hirsch arbeitete als Tafelglasmacher in Fichtenbach im Bezirk Taus (Böhmen) und heiratete 1910 Josefa Spichtinger (1880–1952) aus Charlottenthal bei Schönsee (Oberpfalz). Ihr gemeinsamer Sohn Franz Hirsch (1911–1980) wurde in Furth im Wald geboren. Die Familie ging dann nach Waldsassen in der nördlichen Oberpfalz, wo es damals zwei Glashütten gab. Ab 1919 in Flanitzhütte bei Frauenau im Bayerischen Wald ansässig, wurde Franz Hirsch 1924 Hohlglasmacher bei der im gleichen Jahr gegründeten Glashütte Gistl in Frauenau.

Literatur

  • H. Kühnert: Beiträge zur Familiengeschichte der Glasmacher. In: Glastechnische Berichte, Frankfurt 1934–38
  • D. Mauerhoff: Die Kommerzienräte Wilhelm und Max Hirsch. Radeberger Blätter 2007–8, in: Pressglas-Korrespondenz 2007-3
  • J. Blau: Die Glasmacher im Böhmer- und Bayerwald. Band I und II, Neuauflage 1983/84
  • Z. Prochazka: Glasindustrie im Böhmischen Wald. 2003
  • Passauer Glasmuseum: Das Böhmische Glas. 1995, Band II und VII
  • K. Pittrof: Böhmisches Glas im Panorama der Jahrhunderte. Collegium Carolinum Band 61, Oldenbourg 1989
  • R. Haller: Historische Glashütten in den Bodenmaiser Wäldern. 1981
  • L. Lobmeyr: Die Glasindustrie, ihre Geschichte, gegenwärtige Entwicklung und Statistik. Stuttgart 1874
  • Flachglas AG: 500 Jahre Flachglas. Fürth-Gelsenkirchen 1987
  • M. Schubert: Neugier auf meine Vorfahren - die Glasmachersippe Hirsch. aus: Pressglas-Korrespondenz 2008-1, Feb. 2008

Quellen

  • O. Moritz: Schwarzenthal im 19. Jht. in: Darstellung dreier Epochen der Glaserzeugung im Landkreis Freyung-Grafenau, 1978
  • Taufbuch der Pfarrei Freyung 1838-1870, Bistumsarchiv Passau
  • Taufbuch, Trauungsbuch, Sterbeverzeichnis Sorghof, Pfarrei Brand, Staatliches Gebietsarchiv Pilsen

Einzelnachweise

  1. Berliner Adressbücher 1889, 1890 und 1891

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