- Hofzwerg
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Herrscher vergangener Jahrhunderte hatten an ihren Höfen häufig die Charge (das Amt) eines Hofzwergs zu vergeben. Die Aufgaben, die Hofzwerge zugeteilt bekamen, konnten vielfältiger Art sein. In manchen Fällen hatte der Hofzwerg zugleich die Position eines Hofnarren inne.
Inhaltsverzeichnis
Historisches
Die besondere Rolle, die Zwergen an Herrscherhöfen häufig zukam, erklärt sich aus allerhand Eigenschaften, die kleinwüchsigen Menschen zugeschrieben wurden. Man verband mit ihnen mystische Fähigkeiten, so dass sie häufig als Glücksbringer gesehen wurden. Gelegentlich wurden sie als Heilkundige betrachtet, und nicht selten waren sie mit besonderen (homo)erotischen Aufgaben betraut.
Der Wunsch, sich mit Zwergwüchsigen zu umgeben, konnte einem allgemeinen Interesse an skurrilen Erscheinungen des Lebens entstammen. Krüppel konnten daher eine ähnliche Funktion erfüllen wie Hofzwerge. Unter Umständen umgab sich ein Herrscher mit einer größeren Gruppe von ungewöhnlich gestalteten Menschen. Zumeist betrachtete man es als einen Ausdruck von Reichtum, wenn ein Herrscher sich erlauben konnte, Menschen wie Sammelobjekte um sich zu scharen. Wie stark sich dieses „Hobby“ auswirken konnte, lässt folgender Textauszug aus Otto Flakes Buch über den Türkenlouis erkennen:
„Wenn auch im Hause Neuburg nicht viel Geld zu finden war, so muss Maria Franziska doch einiges mitgebracht haben, sonst wären die achtunddreißig Zwerge, die sie sich hielt und die eine neue Note in das Baden-Badener Stadtbild fügten, unverständlich. Sie gab ihnen Namen wie Dürrschnabel und Dürrschnablin, stiftete auch gern Ehen zwischen ihnen. Markgraf Wilhelm befahl ihr, als es ihm zu arg wurde, dreißig zu entlassen.“
Zu den ersten Herrschern, von deren Höfen entsprechende Berichte überliefert sind, gehört Rudolf II. (1552-1612). Seine Zwerge waren berühmt, begehrt und berüchtigt.
Viele Adlige in Rudolfs Umfeld strebten danach, es ihm gleichzutun. Als Ersatz konnten auch Zwergstatuen in den Schlosspark gestellt werden. Besonders erstrebenswert schien es aber, einen Zwerg als Kammerdiener, Page, Butler oder Sekretär zu haben. Dabei dürfte auch eine Rolle gespielt haben, dass Zwerge keine imposante Erscheinung bieten, so dass Fragen nach der Hierarchie gar nicht erst aufkommen mussten.
Berühmte Hofzwerge
François de Cuvilliés der Ältere (1695-1768) war ein Baumeister, Bildhauer und Stuckateur, von dem prägende Einflüsse auf das bayerische Rokoko ausgingen. Er war vom bayerischen Kurfürsten Max Emanuel als Hofzwerg angestellt worden. Dieser ließ ihn in München und Paris zum Architekten ausbilden.
Perkeo, sein bürgerlicher Name war offenbar Johannes Clement, war um 1720 Hofnarr und Kammerherr des Kurfürsten Karl Philipp von der Pfalz. Die Erinnerung an ihn wird durch ein Gedicht von Joseph Victor von Scheffel wach gehalten. Der Name „Perkeo“ soll daher rühren, dass er auf die Frage, ob er das große Heidelberger Fass leertrinken könne, mit „Perché no“ geantwortet habe.
Nicolas Ferry (1741-1764) war der Hofzwerg des polnischen Königs Stanislaus I. Leszczyński. Die Untersuchung seines Skeletts war ein wichtiger Schritt bei der Beschreibung des Seckel-Syndroms.
Siehe auch
- Im Mirabellgarten des Schlosses Mirabell in Salzburg gibt es eine Sammlung von Zwergenstatuen, die ihre Entstehung ebenfalls der barocken Faszination an kleinwüchsigen Menschen zu verdanken hat.
- Minderwuchs
Literatur
- Gerhardt Petrat: Die letzten Narren und Zwerge bei Hofe, Reflexionen zu Herrschaft und Moral der Frühen Neuzeit
- Zwergenkalender Augusts des Starken, Halle 2001 [1], ISBN 3-89812-103-8
Weblinks
Kategorien:- Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit
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