Gartenzwerg

Gartenzwerg

Ein Gartenzwerg ist eine ursprünglich aus Marmor, Sandstein, gebranntem Ton, heute aber auch aus Kunststoff gefertigte Figur eines Zwerges, die zur Ausstattung von Gärten und zur Wohnraumdekoration verwendet wird. Nach Schätzungen stehen heute alleine in deutschen Gärten etwa 25 Millionen Gartenzwerge [1].

Gartenzwerge gibt es aus vielen unterschiedlichen Materialien. Während der ursprüngliche Gartenzwerg aus gebranntem Ton hergestellt und mit Hand bemalt wurde und wird, sorgte vor allem die Kunststoffindustrie mit preisgünstigen Varianten für eine weitere Verbreitung.

Klassische Gartenzwerge sind ab der Mitte des 19. Jahrhunderts oft Gärtnern oder mittelalterlichen Bergleuten nachempfunden. Sie haben eine Lederschürze und eine Schaufel, Spitzhacke, Laterne oder Schubkarre.

Inhaltsverzeichnis

Gartenzwerge
Viele Gartenzwerge in Berlin-Prenzlauer Berg

Geschichte

Eine Sandsteinfigur im Hof von Schloss Lamberg (Johann Baptist Wuntscher, 1720)

Ursprünge und frühe Phase

Zwerge sind in der germanischen, der griechischen Mythologie und in alten Sagen zu finden und ebenso in etlichen Märchen der Brüder Grimm. Schon im Altertum umgaben sich zur Unterhaltung Herrscher gerne mit kleinwüchsigen oder missgebildeten Menschen. Um Launen und Langeweile zu vertreiben, wurden sie in der Renaissance wieder häufig an Fürstenhöfen angestellt. Besonders geschätzt war etwa der Hofzwerg Kaiser Karls IV, Jakob Ries. Die Karikaturen von Jacques Callot, dem Hofmaler von Cosimo II am Hofe zu Florenz, wurden europaweit bekannt und fanden viele Nachahmer.

Die ältesten erhaltenen barocken Gartenzwerge sind die von Johann Bernhard Fischer von Erlach entworfenenen Skulpturen aus dem Zwergelgarten von Schloss Mirabell in Salzburg, die wohl zwischen 1690 und 1695 entstanden, sowie die um die gleiche Zeit entstandenen Exemplare auf Schloss Greillenstein. [2] Barocke Gartenzwerge in Schlossgärten sind in der Folge vor allem in barocken Gärten von Residenzen und Stiften des heutigen Österreich, Deutschland, Tschechien, Norditalien und Slowenien zu finden. Von den vielen Tausend individuell gestalteten Zwergen sind weniger als 300 erhalten. In der Zeit der Aufklärung um 1800 gerieten die Zwerge der Gärten der Regenten in Verruf. Literarisch belegt sind Gartenzwerge in Johann Wolfgang von Goethes Versepos Hermann und Dorothea. Schon dort beklagt ein älterer Gartenbesitzer, dass junge aufgeklärte Leute keinen Sinn mehr für barocke Gartenzwerge hätten. Die Gartenzwerge verbreiteten sich im 19. Jahrhundert aber in der Folge im (klein)bürgerlichen Vorgarten, zunächst in England, Deutschland, Österreich und der Schweiz und im folgenden auch in andere europäische und nichteuropäische Länder.

Bereits die Manufaktur Meissen und zwischen 1744 und 1750 die Kaiserliche Hofmanufaktur in Wien erzeugten zahlreiche Porzellanfiguren in Einzelfertigung für die beliebten Zwergengalerien in adeligen Ziergärten. Als Vorläufer des Gartenzwerges produzierten die Terrakotta-Manufakturen in Thüringen auch Tierköpfe und kleinere Statuen, um etwa Jagdschlösser zu schmücken. Um 1800 entstanden erste Fertigungen von Zwergenserien in England.

Im Jahr 1847 werden erneut Gartenzwerge in England erwähnt. Sir Charles Isham besaß Terracottafiguren als Bereicherung seines Hausgartens von Lamport Hall in Northamptonshire. Einer der ursprünglich 21 Zwerge, namens Lampy, ist nach wie vor dort zu sehen[3].

Gartenzwerge, 1910

1872 wurden in Gräfenroda in Thüringen zwei Firmen, August Heissner und Philipp Griebel, gegründet, die später Gartenzwerge in Massen- und Serienproduktion herstellten. 1898 wurden Thüringer Zwerge erstmals auf der Leipziger Messe angeboten. Nachdem sich in der Folgezeit immer mehr Manufakturen mit der Herstellung von Gartenzwergen befasst hatten, stockte der Exportabsatz der angeblich typisch deutschen Gartendekoration im Ersten und Zweiten Weltkrieg.

Wiedergeburt und Kontroversen

Nach 1990 erlebte der Gartenzwerg eine „Wiedergeburt“ durch die Schaffung neuer, provokativer Modelle. Nun wurden beispielsweise Zwerge mit Messer im Rücken, als Exhibitionisten, die den „Vogel“ zeigen, mit Motorsäge, mit erhobenem Stinkefinger, als Politiker (Schröder, Kohl, Gysi, Blüm, Lafontaine usw.) modelliert.

Arbeitsplatz eines Zwergenmalers

Das hervorgerufene Medieninteresse, welches auch weit außerhalb von Deutschland bestand, sorgte dafür, dass der Gartenzwerg ganz neue Liebhaber fand, welche mit dem klassischen Zwerg an sich nichts anfangen konnten. Der aus den Medien bekannte Zwergendesigner Andreas Klein beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit der Geschichte der Gartenzwerge und gestaltet zur Erhaltung des Gartenzwerges jedes Jahr eine Reihe moderner Gartenzwerge.

Dieser Kult hält bis heute an, da die verbliebene „Zwergenindustrie“ in Deutschland immer wieder aktuelle Themen aus Politik und Tagesgeschehen aufgreift und durch neue Zwerge thematisiert. Dies häufig unter dem Gesichtspunkt: „Humor ist, wenn viele darüber lachen müssen“.

Gartenzwerge zum Verkauf auf einem polnischen Markt
Büro-Gartenzwerg für Gartenzwerg-Hasser

Problematisch wurde die Produktion der Zwerge durch Plagiate, die weniger aus dem asiatischen Raum kamen als vielmehr aus Osteuropa. Dort wurden im großen Stil geschmacksmusterrechtlich geschützte Modelle mit billigen Materialien (Gips statt gebranntem Ton und Gießharz statt PVC-Kunststoff) kopiert und auf den Markt gebracht. Einzelne geführte Urheberrechtsprozesse wurden zwar ausnahmslos gewonnen, konnten aber die Herstellung von Plagiaten nicht verhindern, da diese durch den Materialpreis, durch die entfallenen Entwicklungskosten und geringen Löhne in den Ländern deutlich preiswerter im Verkauf waren. Hier ist allerdings eine „Anpassung“ feststellbar, so dass sich das Gefüge in wenigen Jahren selbst regulieren wird.

Bei vielen Zwergenliebhabern von klassischen Gartenzwergen sind Zwerge neuerer Bauart in ungewohnten Posen (z. B. mit heruntergelassener Hose) verpönt. Ebenso kritisiert wird mancherorts die Aufnahme von weiblichen Zwergenfiguren in das Sortiment, obgleich diese schon bei barocken Gartenzwergen keineswegs selten waren. Die erste Figur des neuen Zwergenfrauen-Typs war angeblich Gräfin Roda.

Eine neuzeitliche Adaption des Gartenzwerg-Motivs findet sich in der Figur der Schlümpfe.

Werden Gartenzwerge (zum Beispiel Zwerge mit „Stinkefinger“ oder entblößtem Hinterteil) in der Absicht aufgestellt, den Nachbarfrieden nachhaltig zu stören, so stellt dies eine Ehrverletzung dar und der Nachbar kann die Entfernung der Zwerge verlangen.[4]

Vereinigungen

Im Jahr 1981 wurde eine Internationale Vereinigung zum Schutz der Gartenzwerge mit Sitz in Basel gegründet, deren Anliegen die Verbreitung der „Zwergenkunde“ („Nanologie“) und die Produktion historisch „korrekter“ Gartenwichtel ist. Sie hat definiert, was ein „artiger“ – also echter – Gartenzwerg ist: Er ist maximal 69 Zentimeter groß, hat eine Zipfelmütze, einen Bart und ist männlich.

Wohl gegen Ende der 1990er-Jahre entstand die Front zur Befreiung der Gartenzwerge (in Frankreich: Front de Liberation des Nains de Jardins und Italien MALAG), deren Anhänger die Figuren aus Vorgärten „befreiten“ und oft in Wäldern, ihrem „natürlichen Lebensraum“, aussetzten.

Bedeutung

Gartenzwerggesicht

Gartenzwerge wurden, teils mit ironisch-kritischem Unterton, als Inbegriff des Spießbürgertums, als Zeichen des schlechten Geschmacks und gutes Beispiel für Kitsch angesehen, mit einem Tiefpunkt des Ansehens Ende der 1960er-Jahre. Aufgrund modernerer Zwerge und einer verwandelten Einstellung zu Kitsch und Camp, so durch die Kritikerin Susan Sontag und beim Werk von Jeff Koons, hat sich dieses Bild teilweise gewandelt.

Hüpfburg „Grasi“ bei der Oberösterreichischen Landesgartenschau „Botanica“ 2009 in Bad Schallerbach.

Siehe auch

Literatur

  • Etta Bengen: Kleine vollbringen Großes. Zwerge in Märchen, Werbung und Vorgärten. Materialien zum Museumsbesuch, Nr. 27 / 1997. Veröffentlichung des Museumsdorfes Hösseringen.
  • Etta Bengen: Klein, flink und frech. Zwerge in Sagen und Gärten. In: Hildesheimer Heimat-Kalender 2000. Verlag Gebrüder Gerstenberg, Hildesheim 2000, Seiten 70-76. Mit Literaturangaben.
  • Etta Bengen: Die große Welt der Gartenzwerge. Ein historischer Rückblick. Verlag anderweit, Suderburg-Hösseringen 2001. (124 Seiten, zahlreiche Abbildungen, Literaturangaben)
  • Etta Bengen: Lexikon der Gartenzwerge. Gartenzwergporträts. Komet-Verlag, Köln 2007. (288 Seiten, zahlreiche Abbildungen)
  • Fritz Friedmann: "Zipfel auf! - Alles über Gartenzwerge" Meier Verlag Schaffhausen Schweiz, ISBN 3-85801-136-3
  • Rüdiger Helmboldt: Bunte Zwerge aus Thüringen. Ein Beitrag zur Kulturgeschichte der (Garten)Zwerge, Thüringer Freilichtmuseum Hohenfelden, Hohenfelden 2009. (324 Seiten, zahlreiche Abbildungen)
  • Reinhard Medicus: Der Zwergelgarten und seine Geschichte, aus "Bastei" Zeitschrift des Salzburger Stadtvereins, Jahrgang 2010 Folge 2, Salzburg 2010
  • Ludwig Müller: Die kleine Welt der Gartenzwerge, Falken Verlag (Liebhaber Bibliothek), Niedernhausen/Ts. 1986, ISBN 3-8068-2223-9

Einzelnachweise

  1. Presseinformation: 25 Millionen „goldige“ Wichtel in deutschen Vorgärten freuen sich über mehr Sicherheit für Haus und Garten
  2. Folder der Schlossverwaltung
  3. Gnome Expense Spared (um die Zwergenausgaben herumgekommen), BBC News, 12. Januar 1997
  4. Frustzwerge: Nachbar muss Zwerge, die einen „Stinkefinger“ zeigen oder entblößtes Hinterteil haben aus dem Garten entfernen Amtsgericht Grünstadt, Urteil vom 11. Februar 1994, 2a C 334/93

Weblinks

 Commons: Gartenzwerge – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary Wiktionary: Gartenzwerg – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

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