Alter Athena-Tempel

Alter Athena-Tempel
Der Dreileibige aus einem der Giebel, die mit dem Alten Athen-Tempel verbunden werden

Der Alte Athena-Tempel war bis zur Zerstörung durch die Perser im Jahr 480 v. Chr. der Kultbau für Athena Polias, die Stadtgöttin Athens auf der Akropolis. An zentraler Stelle auf der Akropolis gelegen, erhob er sich auf den Resten einer mykenischen Palastanlage. Neben den Fundamenten wurden zahlreiche Bauglieder dorischer Ordnung gefunden, die mit dem Tempel und seinen verschiedenen Bauphasen in Verbindung gebracht werden.

Aus den Fundamenten ergibt sich folgender Befund: Der Tempel war 21,30 × 43,15 Meter groß und nach Osten ausgerichtet. Er besaß eine Ringhalle von 6 × 12 Säulen. Der Säulenabstand betrug im 4,04 Meter, die Stellung der Ecksäulen war um 0,31 Meter verengt. Der Stylobat wies eine leichte Wölbung auf; ob hierdurch eine konsequent umgesetzte Kurvatur nachzuweisen ist, bleibt unsicher. Zwischen kurzen Anten standen an Pronaos und Opisthodom je zwei Säulen. Die sehr kurze, fast quadratische Cella war durch Säulenstellungen von vermutlich je drei Säulen in drei Schiffe geteilt. Der hintere Teil des Tempels war in einen breitrechteckigen Opisthodom und zwei sich anschließende Räume gegliedert. Die Fundamente waren aus unterschiedlichen Materialien und in unterschiedlicher Technik verlegt. Während Mauern tragende Teile und die innere Gliederung aus dem bläulichen Akropolis-Kalkstein bestanden, waren die Fundamente der umgebenden Ringhalle aus Poros-Kalkstein gearbeitet. Auch die dem Tempel zuzuweisenden Bauglieder sowie der Bauschmuck waren nicht einheitlich aus einem Baumaterial gefertigt: neben solchen aus Poros, gab es zahlreiche Teile aus parischem Marmor.

Aufgrund der verschiedenen zu beobachtenden Materialien und Werktechniken ist die Rekonstruktion der Baugeschichte des Tempels sehr kontrovers. Wilhelm Dörpfeld nahm an, dass zunächst um 570 v. Chr. der Bau als Doppelantentempel errichtet wurde, der in peisistratidischer Zeit zwischen 529 und 520 v. Chr. mit einer Ringhalle versehen und dadurch verlängert wurde.[1] Diese Beobachtung führte zur Trennung des Fundamentes in einen „H-Architektur“ genannten inneren, ursprünglichen Bau und den weiterhin als „Alter Athena-Tempel“ angesprochenen Bau, dem die Säulenhalle samt den weiter genutzten Fundamenten der „H-Architektur“ zugewiesen werden.

Die „H-Architektur“ wird um 570 v. Chr. datiert. Aufgrund der Größe werden diesem Bau zugewiesen: Trauf- und Schrägsima aus parischem Marmor, Säulenkapitelle und Geison mit der Darstellung fliegender Vögel aus Poros-Kalkstein. Als recht wahrscheinlich wird aufgrund der Größe und Zeitstellung die Zuweisung folgender Bauskulpturen angesehen: Metopen aus parischem Marmor, die Poros-Giebel mit Löwenkampfgruppen, in deren linkem Zwickel der Ostseite Triton und Herakles, im rechten Zwickel der „Dreileibige“ dargestellt waren.[2] Aufgrund der Säulenkapitelle mit ihrem gedrungenen, weit ausladenden Echinus, die zumeist ebenfalls dieser Bauphase zugewiesen werden, nimmt man auch für diesen Tempel eine hexastyle Ringhalle an.

Der Alte Athena-Tempel als eigenständig angesprochene Architektur wird um 510/500 v. Chr. datiert.[3] Er wird auf dem gesamten Dörpfeld-Fundament lokalisiert. Zugewiesen werden diesem Bau: Gebälk und Sima aus parischem Marmor, Poros-Kapitelle mit steilerem Echinus, zwei Marmor-Giebel, Marmorfries mit Umzug, Marmorwasserspeier der vier Tempelecken in Form von Löwen- und Widderköpfen. Die erstmals vom Reliefgrund gelösten Giebelgruppen stellten eine Gigantomachie im Osten und eine Löwenkampfgruppe mit Stier im Westen dar. Von der Gigantomachie sind Reste der Athena, des Zeus und stürzender Gegner erhalten.

Der Tempel, der das alte, vom Himmel gefallene Kultbild der Athena Polias aus Olivenholz barg, wurde 480 v. Chr. durch die Perser zerstört. Ob eine vorläufige Wiederherstellung zumindest von Teilen des Baus erfolgte, ist umstritten. Herodot[4] erwähnt ein nach Westen geöffnetes Megaron auf der Akropolis, in dem man den weitergenutzten und möglicherweise in einer Inschrift[5] genannten Opisthodom des Tempels erkennen möchte. Laut Xenophon brannte im Jahr 406/405 v. Chr. der Alte Athena-Tempel ab,[6] doch könnte sich diese Aussage auch auf das Erechtheion, das die Funktion des Alten Athena-Tempels übernommen hatte und das Kultbild der Athena Polias barg, bezogen haben. Ab dem 4. Jahrhundert v. Chr. gibt es keine weiteren Erwähnungen, die auf den Tempel bezogen werden könnten und Pausanias ist er gänzlich unbekannt.

Literatur

  • Wilhelm Dörpfeld: Der alte Athenatempel auf der Akropolis. In: Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Abteilung Athen. Bd. 11, 1886, S. 337–51.
  • Wilhelm Dörpfeld: Der alte Athenatempel auf der Akropolis II. In: Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Abteilung Athen. Bd. 12 (1887), 25–61. 190–211
  • Wilhelm Dörpfeld: Das Hekatompedon in Athen. In: Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts. Bd. 34, 1919, S. 1–40.
  • William B. Dinsmoor: The Hekatompedon on the Athenian Acropolis. In: American Journal of Archaeology. Bd. 51, 1947, S. 109–51
  • I. Beyer: Die Datierung der großen Reliefgiebel des Alten Athenatempels der Akropolis. In: Archäologischer Anzeiger. 1977, S. 44–74.
  • William A. P. Childs: The Date of the Old Temple of Athena on the Athenian Acropolis. In: William D. E. Coulson u.a. (Hrsg.): The Archaeology of Athens and Attica under the Democracy. Proceedings of an International Conference celebrating 2500 years since the birth of democracy in Greece, held at the American School of Classical Studies at Athens, December 4–6, 1992. Oxford 1994, S. 1–6.
  • Manolis Korres: Die Athena-Tempel auf der Akropolis. In: Wolfram Hoepfner (Hrsg.): Kult und Kultbauten auf der Akropolis. Internationales Symposion vom 7. bis 9. Juli 1995 in Berlin. Berlin 1997, S. 218–43.
  • Gloria Ferrari: The Ancient Temple on the Acropolis at Athens. In: American Journal of Archaeology. Bd. 106, 2002, S. 11–35.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Wilhelm Dörpfeld: Der alte Athenatempel auf der Akropolis. In: Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Abteilung Athen. Bd. 11, 1886, S. 337–51; Wilhelm Dörpfeld: Der alte Athenatempel auf der Akropolis II. In: Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Abteilung Athen. Bd. 12 (1887), 25–61. 190–211; Wilhelm Dörpfeld: Das Hekatompedon in Athen. In: Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts. Bd. 34, 1919, S. 1–40.
  2. ablehnend: Manolis Korres: Die Athena-Tempel auf der Akropolis. In: Wolfram Hoepfner (Hrsg.): Kult und Kultbauten auf der Akropolis. Internationales Symposion vom 7. bis 9. Juli 1995 in Berlin. Berlin 1997, S. 218–43 im Anschluss an: William B. Dinsmoor: The Hekatompedon on the Athenian Acropolis. In: American Journal of Archaeology. Bd. 51, 1947, S. 109–51.
  3. William A. P. Childs: The Date of the Old Temple of Athena on the Athenian Acropolis. In: William D. E. Coulson u.a. (Hrsg.): The Archaeology of Athens and Attica under the Democracy. Proceedings of an International Conference celebrating 2500 years since the birth of democracy in Greece, held at the American School of Classical Studies at Athens, December 4–6, 1992. Oxford 1994, S. 1–6; bereits um 550 v. Chr. entstanden: Manolis Korres: Die Athena-Tempel auf der Akropolis. In: Wolfram Hoepfner (Hrsg.): Kult und Kultbauten auf der Akropolis. Internationales Symposion vom 7. bis 9. Juli 1995 in Berlin. Berlin 1997, S. 218–43
  4. Herodot 5, 77.
  5. Inscriptiones Graecae I² 91/92.
  6. Xenophon, Hellenika 1, 6, 1.

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