IRA

IRA

Die Bezeichnung Irish Republican Army (IRA, deutsch: Irisch-Republikanische Armee, irisch: Óglaigh na hÉireann (wörtlich: Freiwillige Irlands)) wird für mehrere paramilitärische und teilweise terroristische Bewegungen in Irland während des 20. und 21. Jahrhunderts benutzt.

Der Terminus tauchte erstmals in den 1860er Jahren bei Aktionen der Fenian Brotherhood auf. Die verschiedenen Gruppen verstehen sich jedoch meist als eine direkte Fortsetzung und Nachfolgerin der Irish Republican Army, welche aus den Irish Volunteers hervorging. Diese old IRA war die Armee der Irischen Republik, die 1919 vom illegalen Untergrundparlament Dáil Éireann ausgerufen wurde, und führte den Irischen Unabhängigkeitskrieg gegen die britische Besatzungsmacht. Um diese von den anderen Organisationen abzugrenzen, die sich nach ihr bildeten, wird sie oft als Old bzw. Original Irish Republican Army bezeichnet.

Dieser Artikel gibt einen Überblick über die Entwicklung der verschiedenen Gruppen, die sich seit 1916 als IRA bezeichneten. Auf die neuere Geschichte seit 1969 geht der Artikel über die Provisional Irish Republican Army detailliert ein.

Inhaltsverzeichnis

Entwicklung

Die („alte“) Irisch-Republikanische Armee entstand aus dem Zusammenschluss eines Teils der Irish Volunteers mit der Gewerkschaftsmiliz Irish Citizens Army nach dem Osteraufstand von 1916, und bildete den militärischen Teil der irischen Unabhängigkeitsbewegung.

Nach der einseitigen Unabhängigkeitserklärung durch das irische Parlament 1919 führte die IRA bis 1921 Krieg gegen die britische Besatzung (Anglo-Irischer Krieg). 1921 wurde die Teilung Irlands im Anglo-Irischen Vertrag festgeschrieben. Die IRA und die damalige Regierungspartei Sinn Féin spalteten sich jeweils an der Frage, ob man dem Vertrag zustimmen soll oder nicht. Beide Seiten, Vertragsgegner als auch Regierungsanhänger, nannten sich aus Legitimationsgründen eine Zeit lang weiterhin IRA. Später bezeichneten sich die Vertragsbefürworter jedoch als National Army, um sich von der IRA abzugrenzen, die in der Folge in beiden Teilen Irlands verboten wurde. Der damalige irische Ministerpräsident Arthur Griffith setzte auf Druck der Briten am 28. Juni 1922 erstmals die Armee gegen die IRA ein. In dem darauf folgenden Irischen Bürgerkrieg bekämpften sich beide Seiten erbittert, bis die IRA im Mai 1923 kapitulierte.

Die weitere Geschichte der ("anti-treaty") IRA war vom Streit zweier Strömungen geprägt: auf der einen Seite eine linke Strömung, die die IRA auf einen antikapitalistischen Kurs festlegen wollte, auf der anderen Seite eine oft als traditionalistisch oder militaristisch bezeichnete Strömung, die sich im Wesentlichen als unpolitisch begriff. Mit einer Reihe von Bomben-Kampagnen in Nordirland und Großbritannien versuchte diese Strömung, die Regierung Großbritanniens zum Rückzug aus Nordirland zu bewegen.

Die linke Fraktion verzeichnete in den 30er Jahren einige Erfolge bei dem Versuch, die Spaltung zwischen Katholiken und Protestanten in Nordirland zu überwinden. Mit dem Republican Congress unternahm sie 1934 einen vielbeachteten Versuch, die IRA in eine antifaschistische Volksfront einzubinden. Die Weigerung der IRA-Führung, diesen Kurs mitzutragen, führte zu einer erneuten Spaltung. Frank Ryan führte einen Teil der Congress-Fraktion nach Spanien, wo sie im Spanischen Bürgerkrieg gegen Franco kämpften.

Im Zweiten Weltkrieg versuchte die IRA, getreu dem Motto „Englands Schwierigkeit ist Irlands Chance“ sogar mit Deutschland zusammenzuarbeiten, um England zu schaden. Die Regierungen beider irischer Staaten antworteten mit Internierungen, zahlreiche Republikaner verbrachten die Kriegsjahre in Gefangenschaft. Von 1945 bis 1967 führte die IRA ein Schattendasein am Rande der Auflösung und wurde immer bedeutungsloser.

Im Zuge des Nordirlandkonflikts rief das brutale Vorgehen der nordirischen Polizei gegen die Bürgerrechtsbewegung und die Überfälle loyalistischer Paramilitärs 1967 die IRA wieder auf den Plan. Zu dieser Zeit und bis Ende der 80er Jahre lebten nordirische Katholiken quasi in einem rechtsfreien Raum und waren der Willkür der von Großbritannien unterstützten nordirisch-protestantischen Polizeitruppen und paramilitärischen Gruppierungen ausgeliefert. Nachdem sie jahrelang Opfer von offener Gewalt, Diffamierungen und Verfolgungen sowie von qualifizierter Ausbildung und öffentlichen Ämtern ausgeschlossen wurden, unterstützten sie zu weiten Teilen die bereits totgesagte IRA, welche nun den Status einer Schutzmacht erlangte.

Die Differenzen in den 60ern zwischen den militärisch orientierten Provisionals und den eher marxistisch-theoretisch ausgerichteten Officials führten 1969 zur erneuten Spaltung in die Provisional Irish Republican Army PIRA und die „offizielle“ Fraktion OIRA, die sich stark an der Bürgerrechtsbewegung orientierte. Der „offizielle“ Flügel der IRA löste sich nie formal auf, spielt aber de facto seit etwa 1980 keine Rolle mehr, so dass seitdem im Allgemeinen die „Provos“ gemeint sind, wenn von „der IRA“ die Rede ist.

In den 80er Jahren wechselte die Führung der Provisional IRA; anstelle der Veteranen aus dem Süden übernahmen jüngere Aktivisten aus Nordirland die Schlüsselpositionen. An die Spitze der Sinn Féin trat Gerry Adams, der die Partei deutlich nach links führte. 1993 initiierte er gemeinsam mit dem Sozialdemokraten John Hume den Friedensprozess, im August 1994 erklärte die IRA einen einseitigen Waffenstillstand, der die Voraussetzung für das Karfreitags-Abkommen schuf. Dieses wurde ebenfalls von den protestantischen Paramilitärs anerkannt. Trotz des Waffenstillstandes löste sich die IRA jedoch nicht auf.

Nur zwei sehr kleine Splittergruppen hielten bis zuletzt am Kriegszustand fest: Die Real IRA und die Continuity IRA. Bei einem Autobombenanschlag der Splittergruppe, die sich als "Real IRA" bezeichnete, im August 1998 im nordirischen Omagh kamen insgesamt 29 Menschen ums Leben.

Am 28. Juli 2005 erklärt die IRA das Ende des bewaffneten Kampfes. „Alle IRA-Einheiten sind angewiesen worden, ihre Waffen niederzulegen,“ heißt es in einer Erklärung der IRA vom Tage und weiter: „Wir glauben, dass es jetzt einen alternativen Weg gibt, (…) die britische Herrschaft in unserem Land zu beenden.“

Am 26. September 2005 wurde die vollständige Entwaffnung der IRA vom Leiter der internationalen Entwaffnungskommission, dem kanadischen General John de Chastelain, bekannt gegeben. Der Kommission gehörte auch der protestantische Pfarrer Harold Good an.

Vom radikalen Protestantenführer Pfarrer Ian Paisley wird die mangelnde Transparenz der Entwaffnung kritisiert, da es vereinbarungsgemäß weder Fotos noch Angaben über den Umfang des abgegebenen Waffenarsenals gibt.

Am 29. Oktober 2005 sprach der Sinn Féin-Vorsitzende Gerry Adams erstmals davon, dass der Krieg der IRA „offensichtlich zu Ende“ sei. Dies entspricht einer Formulierung, die von britischen Unionisten seit Jahren gefordert wurde, wenn von der IRA und ihrem Kampf die Rede war.

Anfang März 2009 gab es erneut Terroranschläge, zu der sich die "Real IRA" bekannte.

Hungerstreiks

Eng verbunden mit der Politik der IRA ist der Widerstand gegen Besatzung und Repression in der Gefangenschaft mittels Hungerstreik. Diese Aktionen führten zu vielen Todesfällen:

  • Thomas Ashe starb nach Zwangsernährung 1917 im Dubliner Mountjoy Prison.
  • Der Oberbürgermeister von Cork, Terence MacSwiney, starb 1920 im Gefängnis von Brixton (London). Von ihm stammt der Ausspruch, der immer wieder im Zusammenhang mit den Hungerstreiks der IRA fällt: Nicht die werden gewinnen, die am stärksten zuschlagen können, sondern jene, die am meisten einstecken können.
  • Von 1940 bis 1946 wurden Hungerstreiks als Druckmittel gegen die Politik der Regierung de Valeras eingesetzt. Drei Gefangene, die den Status politischer Gefangener erkämpfen wollten, starben dabei.
  • Nachdem das Internierungslager Lager Long Kesh aufgelöst und in den Hochsicherheitstrakt Maze Prison umgebaut wurde, wehrten sich die IRA-Volunteers Jahre lang dagegen, als Kriminelle behandelt zu werden, indem sie die Sträflingskleidung verweigerten und sich lediglich mit dem Bettlaken und Decken bekleideten. Ein erfolgreicher Hungerstreik am 27. Oktober 1980 wurde von Tausenden in so genannten H-Block-Komitees unterstützt. Den Gefangenen wurde zugestanden, Zivilkleidung zu tragen. Nachdem sich der Gefängnisdirektor von Maze jedoch nicht an die Zusage hielt, erreichte der Widerstand gegen die Kriminalisierung der IRA-Gefangenen am 1. März 1981 eine weitere Zuspitzung, als IRA-Volunteer und Gefangenensprecher Bobby Sands einen Hungerstreik begann, der international für Aufsehen sorgte. Bobby Sands wurde während seiner Gefangenschaft zum Parlamentsmitglied gewählt. Premierministerin Margaret Thatcher ging jedoch auf keine der Forderungen der Gefangenen ein. In fünf Monaten Nahrungsverweigerung starben dabei Bobby Sands, Francis Hughes, Raymond McCreesh, Patsy O’Hara, Joe McDonnell, Martin Hurson, Kevin Lynch, Kieran Doherty, Tom McElwee und Mickey Devine. In den Unruhen, die diese Kampagne begleitete, starben über 60 Menschen.

Noch heute ist das Symbol des Hungerstreiks, das „H“ (Kurzform für H-Block), überall als Logo in den katholischen Gebieten von Belfast zu sehen, etwa an Häuserwänden, Bäumen, öffentlichen Gebäuden und Kirchen.

Siehe auch

Filme und Filmzitate

Literatur

  • Kevin Bean, Mark Hayes (Hg.): Republican Voices. Stimmen aus der irisch-republikanischen Bewegung. Vorwort Bernadette McAlliskey, ISBN 3-89771-011-0 (deutsch: Interviews mit ehemaligen Mitgliedern)
  • J. Bowyer Bell: The Secret Army. A History of the IRA 1915–1970. Sphere Books (englisch)
  • Tim Pat Coogan: The IRA. ISBN 0-00-636943-X, Fontana (englisch)
  • Sean Cronin: Irish Nationalism. A History of its Roots and Ideology. ISBN 0-86104-393-6 (englisch)
  • T. Ryle Dwyer: Michael Collins. ISBN 3-928300-62-8 (deutsch)
  • Kevin Kelley: The Longest War. Northern Ireland and the IRA. ISBN 0-86232-024-0, Brandon (englisch)
  • Danny Morrison: Aus dem Labyrinth. Schriften auf dem Weg zum Frieden in Nordirland. ISBN 3-89771-000-5
  • Peter Neumann: IRA: Langer Weg zum Frieden. Rotbuch Verlag, 1999, ISBN 3-434-53043-6
  • Pit Wuhrer: Die Trommeln von Drumcree. Nordirland am Rande des Friedens. Rotpunktverlag, 2000, ISBN 3-85869-209-3
  • Jochen Bittner, Christian Ludwig Knoll: Ein unperfekter Frieden. Die IRA auf dem Weg vom Mythos zur Mafia R.G. Fischer Verlag, 2001, ISBN 3-830-10315-8

Belletristik

  • Tom Clancy: Patriot Games. Roman über einen IRA-Anschlag an der Royal Family.
  • Brendan Behan: Borstal Boy. Autobiographischer Roman, der den Weg eines Jugendlichen durch IRA und Gefängnis ohne Pathos und Beschönigungen beschreibt. Verlag: Kiepenheuer & Witsch (März 2002), ISBN 3-462-02544-9 und ISBN 978-3462025446

Weblinks


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