Hungerstreik

Hungerstreik
Liege zur Zwangsernährung im Gefangenenlager der Guantanamo Bay Naval Base

Der Hungerstreik ist eine Form des passiven Widerstands. Ein Einzelner oder eine Gruppe verweigern dabei die Nahrungsaufnahme mit dem bewussten Risiko, Schaden zu nehmen.

Der Hungerstreik wurde weltweit schon früh als Form des politischen Widerstands praktiziert. Wie jede Streikaktion ist der politische Hungerstreik eine öffentliche Demonstration mit einem konkreten Ziel. Das unterscheidet den Hungerstreik vom Fasten, dessen Ziele entweder spirituell oder medizinisch gesteckt sind.

Inhaltsverzeichnis

Folgen

Die Nahrungsverweigerung kann ab etwa drei bis vier Wochen zu ernsthaften, zum Teil bleibenden gesundheitlichen Schäden bis hin zum Tod führen, siehe Hungerstoffwechsel.

Einige hungerstreikende Menschen haben 50 bis 70 Tage überlebt. Bobby Sands, ein Mitglied der IRA, starb während des Hungerstreiks von 1981 nach 66 Tagen. Holger Meins, Mitglied der Rote Armee Fraktion, starb nach 57 Tagen im Jahre 1974.

Gelegentlich wird der Hungerstreik durch Zwangsernährung mittels Magensonde gebrochen.

Geschichte des Hungerstreikes

Zelt eines Hungerstreikenden in der Öffentlichkeit

Politischer Hungerstreik

Mahatma Gandhi in Indien verweigerte in den 1930er und 1940er Jahren mehrfach wochenlang die Nahrungsaufnahme, um sein Volk von einem Bürgerkrieg abzuhalten, zu dem es dann tatsächlich nicht kam.

Louis Lecoin (1888–1971) trat in seinem 1958 begonnenen, auch von Albert Camus unterstützten Kampf für Legalisierung der Kriegsdienstverweigerung am 1. Juni 1961 in einen Hungerstreik, der bald von der großen Presse (besonders der satirischen Zeitung Canard enchaîné) unterstützt wurde. Am 22. Tag brach er das Fasten aufgrund eines Einlenkens von Premierminister Georges Pompidou ab, aber erst auf Androhung eines erneuten Hungerstreiks zwei Jahre später kam es zum Nachgeben der Regierung und schließlich im Dezember 1963 zum Erlass eines Gesetzes und zur Freilassung der inhaftierten Verweigerer. Seine Nominierung für den Friedensnobelpreis ließ er 1964 zugunsten von Martin Luther King zurückziehen.

1967 protestierte Fritz Teufel gegen seine Verhaftung nach dem Schah-Besuch mit einem politischen Hungerstreik.

Die inhaftierten Mitglieder der linksextremistischen Terrororganisation Rote Armee Fraktion setzen ab 1972 in Westdeutschland den Hungerstreik massiv als politisches Mittel ein, um ihre Haftbedingungen zu verbessern. Die Justiz ging auf einige Forderungen ein, die wichtigste Forderung nach Zusammenlegung aller RAF-Häftlinge wurde jedoch nie gewährt. Die RAF-Häftlinge führten bis 1994 insgesamt zehn kollektive Hungerstreiks durch, an deren Folgen zwei Gefangene starben. Vor allem der Tod von Holger Meins 1974 wurde von der RAF als Märtyrertum bezeichnet und trug dazu bei, dass eine zweite Generation entstand.

Der Tübinger Lehrer Hartmut Gründler setzte zwischen 1975 und 1977 mehrfach das Druckmittel des Hungerstreiks (Saftfasten, Wasserfasten) ein, um in Wyhl, Tübingen und Kassel gegen vermeintliche „Falschinformation“ in der Atomenergiepolitik, speziell zur Endlagerung, zu protestieren.

Hungerstreik gegen Werks- und Grubenschließungen

In Deutschland kam es in den 1960er Jahren im Zusammenhang mit der Schließung verschiedener Steinkohle-Zechen mehrfach zu Hungerstreikaktionen, die zwar großes Medienecho hervorriefen, aber die Schließungen nicht verhindern konnten. Auch die Stilllegung der Kaligruben der ehemaligen DDR konnte in den 1990er Jahren durch Hungerstreiks der Bergleute nicht abgewendet werden.

Hungerstreik gegen Haftbedingungen

Wegen angeblicher Schikanen gegen Gefängnisinsassen befanden sich, nach Angaben des Organisators, seit dem 1. August 2008 mehr als 550 Häftlinge aus insgesamt 49 bundesdeutschen Gefängnissen in einem einwöchigen Hungerstreik. Aus Solidarität mit ihnen verweigerten auch einige wenige Gefängnisinsassen aus Belgien, Frankreich, den Niederlanden, der Schweiz und Spanien für eine Woche die Nahrung. Unabhängige Bestätigung dieser Zahlen liegt nicht vor. [1]

2011 führten fünf Sicherheitsverwahrte in der JVA Celle einen 37-tägigen Hungerstreik für bessere Unterbringungsbedingungen durch. Dabei beriefen sie sich eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Mai 2011, nach der die Sicherungsverwahrung vom Strafvollzug abzugrenzen ist. [2]

Positionen zur Zwangsernährung

Artikel 6 der Erklärung von Tokio[3] der World Medical Association von 1975 hält klar fest, dass Ärzte sich nicht an Maßnahmen zur Zwangsernährung beteiligen dürfen.

In der Deklaration von Malta von 1992 erneuerte der Weltärztebund seine Forderung an die Ärzteschaft, Zwangsernährung nicht zu unterstützen. Die "Declaration on Hunger Strikers" wurde 1996 und 2006 überarbeitet und aufgrund der vermehrten Anwendung von Zwangsernährung im US-Gefängnis Guantanamo, im Wortlaut weiter verschärft.

Ärzte im deutschen Sprachraum sind durch ihre Mitgliedschaft in der deutschen Bundesärztekammer, der Österreichischen Ärztekammer bzw. der Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH) an diese Erklärung gebunden. Dennoch wird im deutschen Sprachraum über die Zwangsernährung von hungerstreikenden Asylbewerbern diskutiert.

Ähnliches gilt für die Debatte über die Zwangsernährung von hungerstreikenden Gefangenen durch US-amerikanische Ärzte im Internierungslager in Guantánamo.

Weblinks

 Commons: Hungerstreik – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Quellen

  1. http://www.heise.de/tp/r4/artikel/28/28468/1.html Vgl dazu auch die WebPage des Strafvollzugsarchivs.
  2. Sicherungsverwahrte beenden fünfwöchigen Hungerstreik in: Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 7. September 2011
  3. The World Medical Association Declaration of Tokyo

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно решить контрольную?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Hungerstreik — Hụn|ger|streik 〈m. 6 oder m. 1〉 Verweigerung der Nahrungsaufnahme, um etwas zu erzwingen (bes. aus polit. Gründen) ● in den Hungerstreik treten * * * Hụn|ger|streik, der: Verweigerung der Nahrungsaufnahme als Mittel zur Durchsetzung bestimmter… …   Universal-Lexikon

  • Hungerstreik — Hụn·ger·streik der; 1 die Weigerung (über lange Zeit), etwas zu essen, um dadurch ein bestimmtes (meist politisches) Ziel zu erreichen 2 in den Hungerstreik treten sich weigern, etwas zu essen, um dadurch ein bestimmtes Ziel zu erreichen: Die… …   Langenscheidt Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache

  • Hungerstreik — der Hungerstreik, s (Aufbaustufe) Streik, bei dem eine Gruppe von Personen die Nahrungsaufnahme bewusst verweigert Beispiel: Alle Häftlinge sind bereit, in den Hungerstreik zu treten …   Extremes Deutsch

  • Hungerstreik Info — Angehörigen Info ist eine seit dem Hungerstreik der Gefangenen aus der Rote Armee Fraktion von Frühjahr 1989 mittlerweile monatlich erscheinende Zeitschrift. Der inhaltliche Schwerpunkt liegt auf Berichterstattung zu politischen Gefangenen und zu …   Deutsch Wikipedia

  • Hungerstreik — Hụn|ger|streik …   Die deutsche Rechtschreibung

  • Irischer Hungerstreik von 1981 — Wandgemälde zum Hungerstreik in Belfast Der Irische Hungerstreik von 1981 bildete den Endpunkt eines fünf Jahre lang anhaltenden Protests während des Nordirlandkonflikts durch republikanische Gefangene. Der Hungerstreik von 1981 entwickelte sich …   Deutsch Wikipedia

  • Guillermo Fariñas — Hernández (* 3. Januar 1962 in Santa Clara) ist ein kubanischer unabhängiger Journalist sowie politischer Dissident. Bekannt wurde er durch zahlreiche Hungerstreiks gegen das kubanische Regime zunächst unter Fidel Castro, später unter dessen… …   Deutsch Wikipedia

  • Zwangsernährung — Der Hungerstreik ist eine Form des passiven Widerstands. Ein Einzelner oder eine Gruppe verweigern dabei die Nahrungsaufnahme mit dem bewussten Risiko, Schaden zu nehmen. Inhaltsverzeichnis 1 Politischer Hungerstreik 2 Zwangsernährung 3… …   Deutsch Wikipedia

  • Dirty Protest — Der Dirty Protest (deutsch: Schmutziger Protest), auch in Irland No Wash Protest genannt[1], war ein Teil des fünf Jahre anhaltenden Protests während des Nordirlandkonflikts den Gefangene der Provisional Irish Republican Army (IRA) und der Irish… …   Deutsch Wikipedia

  • H-Blocks — Wandbild in Belfast H Blocks ist eine umgangssprachliche Bezeichnung für das Maze Gefängnis in Long Kesh nahe Belfast, Nordirland. Der Name leitet sich von den Anfangs der 70er Jahre neugebauten, acht h förmigen Gefängnisbauten ab, in denen ab… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”