- Imperium Ghana
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Das Reich von Ghana war eines der sagenumwobenen Reiche des Mittelalters in Westafrika. Um dieses Reich vom modernen Staat Ghana zu unterscheiden, wird es in der Literatur häufig auch "Gana" buchstabiert. Ob der Name aber tatsächlich die Eigenbezeichnung war oder ob es sich um einen von den arabischen Reisenden und Kosmographen benutzten Namen handelt, ist nicht geklärt.
Obschon die Almoraviden substantielle Kontakte mit dem Maghreb gehabt haben, spielten die Einflüsse der schwarzen Königreiche Ghanas, Malis und Songhai eine wichtige Rolle in der Geschichte Mauretaniens für ungefähr 700 Jahre, im 8. bis ins 15. Jahrhundert. Ghana, das Erste dieser großen Königreiche in Westafrika, schloss in seinem Territorium den ganzen Südosten Mauretaniens ein und reichte bis nach Tagant. Ghana erreichte seinen Höhepunkt im 9. und 10. Jahrhundert mit der Ausweitung seiner Herrschaft auf Sanhadja. Dieses große zentralisierte Königreich kontrollierte den transsaharischen Austausch von Gold, Elfenbein und Salz.
Es wurde lange Zeit angenommen, dass die Gründer ursprünglich Stämme aus Nordafrika, Fulbe oder noch wahrscheinlicher Libyo-Berber waren, die dort bis zum 10. und 11. Jahrhundert herrschten. Dann ergriffen die Soninkes, die die schwarze Bevölkerung bildeten, die Macht, doch mussten sie 1076 gegen die berberischen Mauren Sanhajas (Almoraviden) die Waffen strecken. Erst dann verbreitete sich der Islam in diesem bislang von Naturreligionen bestimmten, aus islamischer Sicht heidnisch gebliebenen Königreich. Die Thronfolge war matriarchalisch. Die Ansicht, es habe sich um eine Staatsgründung hellhäutiger Einwanderer gehandelt, geht zurück auf arabische Chronisten des Mittelalters, doch ist Vorsicht geboten, da die überlieferten Königslisten fiktiv zu sein scheinen. Archäologische Untersuchungen haben ergeben, dass der Einfluss der hellhäutigen Nordafrikaner auf die Entwicklung Ghanas sehr gering war. Sie fungierten in erster Linie als Kaufleute und residierten in der Grenzstadt Audaghost im heutigen Mauretanien. Die sporadischen Hinweise auf einen berberischen Ursprung Ghanas wurden jedoch im 19. und frühen 20. Jahrhundert von europäischen Historikern in den Vordergrund gestellt und überbewertet, weil sie sich perfekt in das allgemeine Denkmuster einfügten, nach welchem die Afrikaner in der Geschichte nie aktiv, z. B. als Staatsgründer, aufgetreten seien, weswegen sie von Hellhäutigen geführt werden müssten und ein "schwarzer Staat" nicht überlebensfähig sei.
Die Einnahme von Koumbi Saleh markierte das Ende der Hegemonie Ghanas, obwohl das Königreich noch weitere 125 Jahre bestand. Die Mandé gründeten unter den legendären Sundiata Keita das zweite große Königreich, Mali.
Al Bakri, berühmter arabischer Chronist des 11. Jahrhunderts, beschreibt 1067 in seiner 'Beschreibung vom Norden Afrikas' den Handel, der die Berber und Araber in Aoudaghast - weiterhin von der weißen Bevölkerung dominiert - (abhängig von Ghana) enorm bereichert hat. Er beschreibt uns dieses Königreich zum Zeitpunkt seines Überganges unter der Morabitoun (arabischer Name der Almoraviden) und schreibt über Kumbi Saleh:
„… Der Hof wohnte im heidnischen Teil der zweiteiligen Stadt. Die heidnische Stadt, wo der König wohnte, war ca. 10 km von der muselmanischen Stadt angesiedelt. Die erste war größer und von gekrönten Hölzern umgeben, wo die Fürsten begraben wurden. Das religiöse Leben war rein 'paläonegritisch'. Der König gab seine Audienzen, bedeckt von Juwelen mit Verzierung aus Gold auf dem Kopf (goldene Fadenmütze). Er saß in einem Pavillon, umgeben von zehn Pferden mit je einem goldenen Gespann. Hinter dem Thron hielten zehn Diener Schutzschilde und Säbel mit goldenem Griff. Die Söhne seiner Anhängerschaft hielten sich rechts vom König, mit luxuriösen Juwelen aus Gold in ihren Haaren. Vor dem Pavillon saßen die treuen Gefährten des Monarchen und die geschmückten königlichen Hunde mit kleinen Glocken aus Gold und Silber. Wenn ein König starb, begrub man ihn auf Kissen in einer hölzernen Kuppel, an seinen Seiten zahlreiche Opfergaben und jene seiner Diener, die ihm sein Essen vorbereiteten. Man stellte auf dem Gebälk Kleidung und Stoffe, und die Anwesenden warfen solange Erde, bis sich ein großer Tumulus gebildet hatte.“
Während Ghana langsam unter der Herrschaft der Almoraviden unterging, waren die späteren Melle oder Mali noch ein tributpflichtiger Staat. Als der Stamm der Sosse (Soninke) in Ghana im Jahre 1203 die Macht wieder erlangte, dauerte es nicht lange, bis ein großer Führer aus dem Königreich Melle auftauchte: Sundiata Keita. Die Soninke wurden im Jahre 1225 in der Schlacht von Kirina besiegt, folglich wurde Ghana ein abhängiger Teilstaat Malis. Niami, das heutige Niamey, ca. 1000 km südlich von Koumbi Saleh, wurde die Hauptstadt Malis, das sich nach Westen bis nach Gambia ausdehnte. Unter den Nachfolgern von Sundiata war Mansa Musa der berühmteste, der im Jahre 1307 auf den Thron stieg. Seine Wallfahrt nach Mekka über Walata mit 500 Sklaven, von denen jeder einen goldenen Stab trug, weckte die Aufmerksamkeit der arabischen und auch westeuropäischen Welt. Sundiata und seine Nachfolger übernahmen die Rolle Ghanas im Karawanenhandel, in der Verwaltung und der Tributsammlung der ausgedehnten Territorien des Sudans und der Sahelzone.
Der langsame Untergang Malis, der zum Ende des 14. Jahrhunderts begann, kam durch internen Streit und Revolten der Einwohner der Vasallenregionen, einschließlich der Songhai aus Gao. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts hatte das Imperium der Songhai das Imperium von Mali ersetzt und reichte bis zum oberen Tal des Senegalflusses in Mauretanien. Zum Ende des 16. Jahrhunderts wurden die Songhai durch eine große marokkanische Streitmacht besiegt, was das Ende der sieben Herrschaftsjahrhunderte über den Westsudan und einen großen Teil Mauretaniens durch große zentralisierte schwarze Königreiche markierte.
Der Gana-Mythos
Nach dem 2. Weltkrieg erklärten die Wortführer der Nationalisten der Goldküstenkolonie (heute: Ghana), dass die Volksgruppen auf dem Gebiet dieser britischen Kolonie direkte Nachfahren der vor den Almoraviden aus Gana geflohenen Menschen seien. Vor allem der erste Ministerpräsident Kwame Nkrumah betonte diese angebliche Abstammung, die er mit der phonetischen Ähnlichkeit von "Gana" und "Akan" (wichtigste Sprach- und Volksgruppe im modernen Ghana) zu beweisen versuchte. Weder durch historische Quellen noch durch kultur- und sprachgeschichtliche Belege ist eine solche Verbindung nachweisbar, und führende ghanaische Historiker wie Albert Adu Boahen haben dieser Behauptung scharf widersprochen. Nkrumah, der 1957 an die Spitze eines durch ethnische Spannungen bedrohten Staates trat, versuchte ein über alle ethnischen Grenzen hinweg wirkendes Nationalgefühl zu wecken, indem er allen Volksgruppen eine gemeinsame Abstammung zuschrieb, und zwar von dem ersten namentlich nachweisbaren Großreich in Westafrika. Damit trat Nkrumah gleichzeitig europäischen Historikern wie Sir Hugh Trevor-Roper entgegen, die Schwarzafrika jede Geschichtlichkeit vor der Ankunft der Europäer absprachen.[1] Der Gana-Mythos spielt in der heutigen Politik in Ghana keine Rolle mehr, scheint aber sechzig Jahre nach der Entlassung des Landes in die Unabhängigkeit noch nachzuwirken, denn ethnische Spannungen sind im heutigen Ghana weitaus weniger virulent und staatsgefährdend als in benachbarten Ländern Schwarzafrikas. Allerdings scheinen in jüngerer Zeit wieder Ideologen aus dem Lager der Akan, der größten Volksgruppe im heutigen Ghana, mit einer Herkunft ihrer Ethnie aus dem alten Gana herleiten zu wollen, um den Anspruch auf den Vorrang ihrer Ethnie zu untermauern, womit sie die ursprünglich integrierende Funktion des Gana-Mythos in sein genaues Gegenteil verkehren und ihn eher zum Zweck der Spaltung zwischen den einzelnen Volksgruppen nutzen.
Anmerkungen
- ↑ Kwame Nkrumah, I Speak of Freedom: A Statement of Afdrican Ideology. New York 1961, S. 96 f.
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