In seiner frühen Kindheit ein Garten

In seiner frühen Kindheit ein Garten

In seiner frühen Kindheit ein Garten ist ein 2005 erschienener Roman von Christoph Hein. Er greift den Fall des 1993 bei einem Polizeiansatz in Bad Kleinen durch Selbstmord ums Leben gekommenen RAF-Terroristen Wolfgang Grams auf (der im Roman Oliver Zurek heißt), thematisiert die Zweifel an der offiziellen Version und beschreibt die Suche seines Vaters Richard Zurek nach der Wahrheit über den Tod seines Sohns.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

In dem Roman geht es um den Tod des Terroristen Oliver Zurek und den Kampf zwischen dessen Eltern und den staatlichen Organen um eine wahrheitsgemäße Darstellung des Tathergangs am Bahnhof von Kleinen. Dort soll sich Oliver Zurek gemäß den Ermittlungen der Polizei selbst erschossen haben. Freunde Zureks und Anhänger der linksextremen Szene sind aber der Meinung, Zurek sei gezielt von der Polizei getötet worden. Ein weiteres Thema des Romans ist die Reaktion der Eltern des Getöteten, ihre Emotion und wie sie mit dem Medienrummel um den Tod des Sohnes umgehen.

Im ersten Abschnitt des Romans beschreibt der Erzähler die Zeit 5 Jahre nach dem Tod Olivers. Olivers Eltern haben immer noch nicht mit dem Fall abgeschlossen, Richard Zurek sichtet immer wieder das von ihm gesammelte Material zu dem Fall. Fünf Jahre nach dem Todesfall schreibt er schließlich den zweiten Brief an den Minister. Auf der anderen Seite beginnt für das Ehepaar Zurek allmählich der normale tägliche Alltag, und auch Richard, der sich jahrelang vollständig in sein Haus zurückgezogen hatte, fängt wieder an, sich in die Gesellschaft einzufügen, so besucht er ein Restaurant und trifft sich mit dem Gemeindekirchenrat.

Im zweiten Teil wird die Zeit unmittelbar nach dem Tod Zureks beschrieben. Dies ist die schwierigste Zeit für die Eltern. Sie werden von der Presse belagert, kennen selbst keine Details über den Tathergang, geschweige denn die Wahrheit über den Tod des Sohnes. In diesem Abschnitt wird auch die Position von Olivers Schwester, Christin, gegenüber ihrem verstorbenen Bruder deutlich. Christin steht im Staatsdienst. Sie empfindet wenig Trauer, denn sie gibt dem Bruder die Schuld für diesen Vorfall. Dass es nach ihrer Meinung "früher oder später so kommen mußte" ist ein Streitpunkt zwischen ihr und ihrem Vater, da dieser durch die widersprüchlichen Ermittlungsergebnisse, die den Sohn einerseits belasten, die dann aber wieder durch einen widerrufenen Obduktionsbericht in Frage gestellt werden, immer misstrauischer gegenüber den Staatsorganen wird und deshalb immer stärker auf einer gründlichen Ermittlung in diesem Fall beharrt. Zureks jüngerer Bruder Heiner bekennt sich zu Oliver und setzt auch alles daran, die "Wahrheit" zu ergründen. Er spricht in der Öffentlichkeit, um auf die Widersprüche in diesem Fall aufmerksam zu machen. Dieser Abschnitt des Romans endet mit der Beerdigung Oliver Zureks, auf die die Eltern lange warten mussten, nachdem sich die Freigabe des Leichnams durch die nicht enden wollenden Ermittlungen immer wieder hinausgezögert hatte.

Der letzte Teil des Romans umfasst die Zeit ab dem siebten Monat nach Olivers Tod, wobei ab Kapitel 21 sich die Handlungen zum Teil wiederholen. Das Verfahren zur Ermittlung der Todesumstände Zureks ist eingestellt worden und die Staatsanwaltschaft veröffentlicht ihren Abschlussbericht. Er besagt, dass Zurek nicht rechtswidrig von einem Polizisten getötet worden sei. Richard Zurek ist empört über diesen Bericht und stellt sich die Frage, wie dieses Ergebnis in einem Rechtsstaat möglich sein kann. Er ändert seine anfänglich positive Einstellung zum Staat, als er noch der Meinung war, dass in einem Rechtsstaat immer alles getan werde, um die Wahrheit herauszufinden. Die Eltern machen sich auf, Leute aus Olivers Umfeld näher kennenzulernen (z.B. Katharina Blumenschläger), um auf diesem Wege mehr über ihren Sohn zu erfahren, den sie nach seinem Untertauchen, fünf Jahre vor seinem Tod, nicht mehr lebend gesehen hatten.

Den Schluss des Romans bildet eine Rede von Richard Zurek vor einigen wenigen Schülern und Lehrern in der Aula seiner alten Schule, in der er seinem Ärger über den Staat Luft macht, seinen Amtseid widerruft und sich so endgültig gegen den Staat wendet.

Personen

  • Dr. Richard Zurek: Ehemaliger Schuldirektor und Vater Oliver Zureks, der für das Herausfinden der Wahrheit kämpft
  • Friederike Zurek: Hausfrau und Mutter Oliver Zureks, die versucht die Familie zusammen zu halten
  • Christin Zurek: Ist im Staatsdienst. Sie lehnt Olivers Engagement, sowie jegliche Aktivitäten in einer terroristischen Vereinigung ab.
  • Heiner Zurek: der jüngere Bruder, sieht in Oliver ein Vorbild und kann dessen Haltung gegenüber dem Staat nachvollziehen.
  • Feuchtenberger: Anwalt der Familie Zurek, der sich engagiert um Gerechtigkeit bemüht.
  • Gerd Schmückle: Durch ihn kam Oliver in die linksextreme Szene. Er ist gewaltbereit und hat eine aggressive Haltung gegenüber dem Staat. Außerdem organisiert er linksextreme Veranstaltungen und versucht, Richard Zurek dazu zu bewegen auf einer solchen über seinen Sohn zu sprechen.
  • Karin Gloedel: Mit Oliver befreundet, aber nicht in der linksextremen Szene aktiv. Sie überbringt seinen Eltern seine Hinterlassenschaften: Einige Aquarelle und sein Tagebuch.
  • Katharina Blumenschläger: Olivers Freundin und ebenfalls Mitglied in der linksextremen Szene. Sie wurde mit ihm verhaftet und später auf lebenslänglich verurteilt.
  • Lutz Immenfeld: Alter Schulfreund Richard Zureks. Er ermutigt Richard, weitere juristische Maßnahmen zu ergreifen, um mehr Details über den Fall von Kleinen zu erfahren.
  • Susanne Parlitzke: Eine Affäre Richard Zureks aus vergangenen Tagen. In der Erzählgegenwart trifft er sie zufällig in einem Blumenladen wieder.
  • Sigrid Erckmann: Arbeitskollegin von Heiner Zurek.

Historischer Hintergrund

Historischer Hintergrund des Romans ist der Tod des RAF-Mitglieds aus dritter Generation, Wolfgang Grams. Wolfgang Grams sollte zusammen mit Birgit Hogefeld 1993 am Bahnhof von Bad Kleinen durch einen GSG 9-Einsatz festgenommen werden. Dabei wurden Wolfgang Grams und der Polizist Michael Newrzella getötet, Birgit Hogefeld wurde verhaftet.

Tathergang und die Ermittlungsergebnisse mit ihren Folgen sind den Ereignissen vom Bahnhof Bad Kleinen 1993 sehr ähnlich und werden im Roman detailliert wiedergegeben, der Rücktritt eines Ministers beispielsweise oder die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft, nach der sich Oliver Zurek selbst erschossen habe, stimmen mit den damaligen Vorfällen überein. Weitere Personen aus dem Umkreis von Wolfgang Grams finden sich unter anderen Namen im Roman wieder, z. B. wird Birgit Hogefeld, Grams Freundin, im Roman als Katharina Blumenschläger dargestellt.

Heins Erzählung endet vor dem Jahr 2001. Nicht berücksichtigt wird das Ergebnis einer DNA-Analyse, dass Wolfgang Grams 1991 mit hoher Wahrscheinlichkeit an der Ermordung von Karsten Rohwedder, dem Treuhand-Chef, beteiligt gewesen sein dürfte.[1]

Rezension

Der Roman ist von der Presse unterschiedlich, aber insgesamt zurückhaltend aufgenommen worden und wird als eine der schwächeren Arbeiten Heins bewertet. Die Zeit bemängelt neben der „Betulichkeit und Eintönigkeit“ des Stils, „dramaturgische Sorglosigkeit“ und bezeichnet den Roman als frommes Traktätchen für enttäuschte Genossen[2] .Die FAZ kritisiert „hölzerne Dialoge“ und „steife Erzählschritte“, „leblosen Pseudorealismus“ statt realistischer Detailgenauigkeit , die NZZ „haarscharfes Schrammen am Kitsch“. Zudem wird die grundsätzliche Tendenz des Buches kritisiert. Hein mache sich zum „Sprachrohr jener Mythologisierungen“, die die Verbrechen der RAF verkläre. Anders als Jan Philipp Reemtsma sei es ihm nicht gelungen, Mechanismen der Mythologisierung zu analysieren und zu beschreiben. Hein mache sich die These der RAF zu eigen, dass der Kampf der Terroristen „schmutzig war, weil der Staat schmutzig“ war. „Vielleicht habe Hein mit der einfachen Botschaft seines Buches, dass die BRD nicht der moralisch überlegene Staat war, als der er zu Wendezeiten bisweilen erschien, den in „postsozialistischer Depression Versunkenen Trost spenden wollen“ (Die Zeit). Nach Ansicht der TAZ ist der Autor mit seinem Roman „literarisch gescheitert, weil er es zu gut meinte. Weil er in seiner Aufarbeitungsgeschichte um die RAF und die bundesrepublikanische Demokratie mehr um engagierte Argumentation bemüht ist, als um komplexe, glaubhafte Figuren“. Die Frankfurter Rundschau wertet den Roman als „‚Lehrstück‘, aber eines, das uns sowohl ‚anrührt‘ als auch ‚angeht‘.“ [3] Die Süddeutsche Zeitung resümiert: „Eine trockene Sprache ist keine Gewähr für die Wahrheit des Gesagten: Christoph Hein besichtigt die späten Tage der RAF und erfindet eine falsche Geschichte.“[4]

Der Intendant des Theaters Heilbronn schrieb mit Christian Marten-Molnár und Birte Werner eine Bühnenfassung, die im Juni 2009 in Heilbronn uraufgeführt wurde.[5]

Einzelnachweise

  1. Neue Zürcher Zeitung. 1. Februar 2005
  2. Da ließ Herr Zurek ihn ins Haus auf Zeit-online, eingesehen am 25. Mai 2011
  3. Alle Zitate aus Perlentaucher.de, abgerufen am 16. Oktober 2010.
  4. Rezensionszusammenfassung auf bücher.de
  5. Otto Paul Burkhardt: Trauer auf der langen Bank. 13. Juni 2009. In: nachtkritik.de

Ausgaben

Literatur

  • Rüdiger Bernhardt: Interpretation zu Christoph Hein "In seiner frühen Kindheit ein Garten". Königs Erläuterungen und Materialien. 2010.ISBN 3-8044-1889-9

Weblinks


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