Wolfgang Grams

Wolfgang Grams
Wolfgang Grams auf einem Fahndungsplakat aus den 1980er-Jahren

Wolfgang Werner „Gaks“ Grams (* 6. März 1953 in Wiesbaden; † 27. Juni 1993 in Bad Kleinen) war ein Mitglied der Rote Armee Fraktion.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Grams' Eltern, Werner und Ruth Grams, waren Flüchtlinge aus dem Osten. Wolfgang Grams hatte noch einen Bruder namens Rainer.

In jungen Jahren nahm Wolfgang Grams Geigenunterricht, man bescheinigte ihm ein absolutes Gehör. Außerdem spielte Grams Gitarre und war später Statist am Wiesbadener Theater. Als Berufswunsch gab er Förster oder Pastor an. Politisch geprägt wurde Grams unter anderem durch die Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg. Wegen dieser Erfahrungen verweigerte Grams den Kriegsdienst.

Rote Armee Fraktion

Nach der Verhaftung der ersten Generation der Rote Armee Fraktion schloss er sich der „Sozialistischen Initiative Wiesbaden“ an. Später engagierte er sich in einer „undogmatischen“ Rote Hilfe-Gruppe, die die inhaftierten RAF-Mitglieder während des Hungerstreiks 1974 unterstützte. So solidarisierte sich Grams mit den Inhaftierten und besuchte einige von ihnen in der von ihm als unmenschlich empfundenen Haft. Zudem übernahm er gelegentlich Kurierdienste für die RAF[1].

Als 1978 Willi-Peter Stoll von Polizisten erschossen wurde, fanden sich in dessen Notizbuch Hinweise auf Wolfgang Grams. Er wurde verhaftet und saß in Frankfurt 153 Tage in Untersuchungshaft. Nach seiner Entlassung erhielt er Haftentschädigung in Höhe von 10 Mark pro Hafttag.[2]

Später lernte Grams Birgit Hogefeld kennen. Als Paar bezogen sie zusammen eine Wohnung. Hogefeld und Grams schlossen sich dem aktiven Kreis der Rote Armee Fraktion an und gingen 1984 in den Untergrund. 1985 entdeckte die Polizei eine konspirative Wohnung der RAF in Tübingen und fand Fingerabdrücke von Christoph Seidler, Barbara Meyer, Horst Ludwig Meyer, Thomas Simon, Eva Haule und auch Wolfgang Grams. Am 15. Februar 1987 wurde in der Tagesschau der ARD ein Suchaufruf nach Grams und Hogefeld gesendet.

Im Herbst 1990 kam es zum letzten Treffen Grams’ mit seinen Eltern im Taunus.

Bad Kleinen

Am 27. Juni 1993 sollte Grams zusammen mit Birgit Hogefeld im Verlauf eines GSG-9-Einsatzes in Bad Kleinen auf dem dortigen Bahnhof festgenommen werden. Dabei kam es zu einem Schusswechsel, bei dem Grams den 26-jährigen GSG-9-Beamten Michael Newrzella erschoss. Nach Auswertung der Ermittlungsergebnisse wurde festgestellt, dass sich Grams selbst erschoss, um der Verhaftung zu entgehen, Birgit Hogefeld wurde festgenommen. Nach dem Kopfschuss wurde Grams per Helikopter an die Medizinische Universität zu Lübeck gebracht, wo er wenige Stunden später seinen Verletzungen erlag.

Auch nach Abschluss der Untersuchungen wurde diese Darstellung von mehreren Seiten angezweifelt.[3] Der GSG-9 wurde unterstellt, sie habe Grams absichtlich erschossen, und Grams’ Eltern klagten erfolglos durch alle Instanzen. Zunächst lehnte der Generalstaatsanwalt von Mecklenburg-Vorpommern ihre Beschwerde gegen die Einstellung des Ermittlungsverfahrens ab. Es folgte ein Klageerzwingungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Rostock, das den Antrag am 29. März 1996 als unbegründet verwarf. Darauf erhoben die Eltern Verfassungsbeschwerde. Am 17. Juli 1996 beschloss das Bundesverfassungsgericht, dass die Beschwerde „nicht zur Entscheidung angenommen“ wird. Nun wurde eine Zivilklage der Eltern vor dem Landgericht Bonn auf Erstattung von Beerdigungskosten angestrengt, die mit der Begründung abgewiesen wurde, dass weder für die Selbsttötung noch für einen Schuss eines GSG-9-Beamten hinreichende Beweise vorlägen. Darauf legten die Eltern eine Menschenrechtsbeschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg ein. Am 5. Oktober 1999 entschied der Gerichtshof einstimmig, dass die Beschwerde unbegründet sei und die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Schwerin korrekt durchgeführt wurden.

DNA-Analyse im Fall Rohwedder

Grams wurde im Jahr 2001 aufgrund einer DNA-Analyse von Haaren, die von einem am Tatort gefundenen Handtuch stammten, mit der Ermordung Detlev Rohwedders im Jahr 1991 in Verbindung gebracht.[4] Die Bundesanwaltschaft benannte Grams jedoch ausdrücklich nicht als Tatverdächtigen, da sie dieses Indiz als nicht ausreichend bewertete.[5]

Vereinzelt wurden auch Zweifel an der Aussagekraft der DNA-Analyse geäußert. So äußerte der Journalist Helmut Lorscheid Zweifel an der Stichhaltigkeit des Untersuchungsergebnisses, unter anderem weil die Methode zum ersten Mal eingesetzt wurde und die Bundesanwaltschaft keinerlei Detailfragen beantworten wollte.[6] Auch der Zeitpunkt der Identifizierung, die erst acht Jahre nach Grams' Tod vorgenommen wurde, gab Anlass zu kritischen Nachfragen. Auf eine Anfrage[7] der PDS-Fraktion des Bundestags hatte die Bundesanwaltschaft bestätigt, dass ein kriminaltechnischer (morphologischer) Abgleich der Haarspur mit den Haaren von Grams auch zu einem früheren Zeitpunkt ohne eine DNA-Analyse möglich gewesen wäre. Dies sei aber nicht durchgeführt worden, weil nach Grams' Tod in Bad Kleinen zwar eine Blut-, aber keine Haarprobe entnommen worden sei. Zudem seien erst seit Mai 2000 molekulargenetische Untersuchungen für die Fallbearbeitung eingesetzt worden.[8]

Film, Theater, Bücher, Musik

Grams wurde posthum zusammen mit dem von der RAF ermordeten Deutsche Bank-Vorstandssprecher Alfred Herrhausen im mehrfach ausgezeichneten Dokumentarfilm Black Box BRD porträtiert. Der Film stellt die Lebenswege von Herrhausen und Grams vor und enthält zahlreiche Interviews mit Verwandten und Freunden der beiden.

Eine literarische Verarbeitung des Themas erschien 2005 in Form des Romans In seiner frühen Kindheit ein Garten von Christoph Hein, der 2006 auch als Theaterstück aufgeführt wurde. Der Krimi-Autor Wolfgang Schorlau nahm sich in seinem Roman Die Blaue Liste des Themas an.

Die Punk-Band WIZO widmete ihm das Lied Kopfschuss, in dem es heißt:

„Das war kein Selbstmord, das war Mord –
Und ich glaube euch kein Wort“

Ebenso widmete ihm die Band Slime das Lied Gewalt, mit folgender Textstelle:

„Wolfgang Grams mit ‘ner Kugel im Kopf
am hellichten Tag – Leute haben’s gesehn
ein Killerkommando ohne Instruktion
und sie lügen und tun als wäre nichts geschehn“

Die Punkband Dritte Wahl schrieb das Lied Bad K., das durch den abgekürzten Namen des Tatortes bereits auf den Vorfall hinweist. Um Ärger zu vermeiden, benutzte die Band im Text nur Abkürzungen statt Details. Es heißt darin:

„Das ist natürlich das Signal genug gedauert hat’s ja auch
Jetzt kommt der Schuß auf die Beine doch getroffen wird der Bauch
Und Wolfgang G. bricht zusammen und fällt auf die Gleise
In Sekunden danach ist dann alles ganz leise“

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Das Ende des Schreckenst, auf Zeit-online, eingesehen am 25. Mai 2011
  2. Willi Winkler: Die Geschichte der RAF; Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2008; S. 397
  3. Z. B. in: ID-Archiv im IISG (Herausgeber): Bad Kleinen und die Erschießung von Wolfgang Grams; ISBN 3-89408-043-4
  4. Das „RAF-Phantom“ nimmt Gestalt an - Nach zehn Jahren erste heiße Spur im Mordfall Rohwedder, afp 16. Mai 2001
  5. Mordfall Rohwedder: Hogefeld soll vernommen werden / Warnung vor voreiligen Schlüssen, WDR online, 17. Mai 2001
  6. Helmut Lorscheid: DNA-Analyse als Stimmungsmache? Generalbundesanwalt verweigert Angaben zum angeblichen „Grams-Haarfund“; Telepolis, 3. Juli 2001
  7. Bundestagsdrucksache 14/6297 vom 18. Juni 2001: Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Fraktion der PDS: Neue Verdachtsmomente des Generalbundesanwalts im Mordfall Rohwedder und Berichte über eine angebliche „neue RAF“.
  8. Bundestagsdrucksache 14/6525 vom 2. Juli 2001: Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Fraktion der PDS.

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