- Internet- und Projektkompetenz
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Projektunterricht bezeichnet allgemein die Organisation des Unterrichts als Arbeit an einem Projekt, wird aber speziell in der Pädagogik zusammen mit dem synonymen Begriff der Projektmethode für eine seit Anfang der 1970er Jahre verstärkt diskutierte Reformidee gebraucht, vor allem in der Hochschuldidaktik. Anfang der 1980er Jahre erfolgte eine verstärkte Adaption in der Schulpädagogik als Reaktion auf den Frontalunterricht.
Inhaltsverzeichnis
Historische Entwicklung
Die Grundintention des Projektunterrichts war ursprünglich eine gesellschaftlich-politische. Der Projektgedanke im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts war bei John Dewey und William Heard Kilpatrick, deren Name mit der Projektmethode meist verbunden wird, die Reaktion auf tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen im Produktions-, Distributions- und Konsumptionsbereich.[1]
Die Projektmethode hat in der Pädagogik eine lange Tradition. Sie reicht bis ins 16. Jahrhundert in Italien (Architekturstudenten erstellen progetti – sie mussten ihr erworbenes Wissen anwenden um selbstständig Modelle zu bauen) bzw. ins frühe 18. Jahrhundert in Frankreich zurück. Damals in Paris an der Académie Royale d'Architecture sprach man von 'projets', wenn die Studenten selbstständig Pläne und Entwürfe für ein größeres Bauvorhaben – zum Beispiel einen Pavillon – anzufertigen hatten. Von den Bauakademien und technischen Hochschulen in Frankreich verbreitete sich die Idee des Lernens am Projekt nach Deutschland, Österreich, in die Schweiz und – Mitte des 19. Jahrhunderts – auch in die Vereinigten Staaten. Calvin M. Woodward von der Washington University in St. Louis war es dann, der den Projektgedanken von der Hochschule auf die Schule übertrug. Umstritten bleibt jedoch die Relevanz der Einflüsse der frühen Wurzeln auf die heutige Projektmethode. Was die Geschichte des Projektunterrichts jedoch offenbart, ist „die Einsicht, dass zu keinem Zeitpunkt eine einheitliche Theorie existierte, auf die sich heute noch uneingeschränkt berufen ließe.“[2]
Projekte in der Pädagogik fordern eine andere Lernerpersönlichkeit als Frontalunterricht. Die im Rahmen von Projekten erzielten Lerneffekte werden von der Forschung als vielschichtiger, tiefergehend und resistenter gegen das Vergessen beschrieben. Dies ist eine Folge der Handlungsorientierung und der Wissensvernetzung mit benachbarten Wissensgebieten.
Projektunterricht - eine Definition
In der Schulpädagogik kennt man die Begriffe Projektunterricht, projektartiger oder projektorientierter Unterricht oder im tertiären Bildungsbereich Projektstudium.
Man kann Projektunterricht bezeichnen als „ganzheitliche, integrative Lernform, der ein Höchstmaß an curricularer Offenheit zukommt und die den bestmöglichen Raum für Lernermitbestimmung und Schülerorientierung bei Themenfindung und Lernzielfestlegung, für Binnendifferenzierung und kooperatives Verhalten bereitstellt.“[3]
Karl Frey erinnert mit dem Begriff „Projektmethode“ an William Heard Kilpatricks The Project Method von 1918 und verdeutlicht damit, dass die Wurzeln für seine Projektmethode im amerikanischen Pragmatismus zu Beginn des 20. Jahrhunderts liegen. Er spricht bewusst nicht von Projektunterricht, weil seine Konzeption über institutionell organisierten Unterricht hinausgeht, also auch für Erwachsenenarbeit, außerschulische Jugendarbeit und im Beruf Geltung besitzen.
Merkmale des Projektunterrichts
Zur genaueren Eingrenzung erweist sich ein Merkmalskatalog als sinnvoll. Projektunterricht zeichnet sich aus durch:
- Handlungsorientierung, wobei körperliche und geistige Arbeit gefragt sind und möglichst alle Sinne angesprochen werden sollen (vgl. auch Handlungsorientierung (Fremdsprachenunterricht))
- Selbstorganisation und Selbstverantwortung der Schüler wie bei freier Arbeit und Lernerautonomie
- Teamwork (kooperatives Lernen)
Projektunterricht kann sich auszeichnen durch:
- Situationsbezogenheit mit Verbindung zum wirklichen Leben und daraus resultierende praktische Erfahrung (Lebensweltbezug)
- Interessensbezogenheit, wobei das Interesse auch erst im Laufe der Zeit entstehen kann
- zielgerichtete Planung
- Geschwindigkeit und Vernetzung der Teilnehmer, Umformung der Klasse zum neuralen Netz
- Interdisziplinarität (fächerübergreifende Projekte)
- Gesellschaftsrelevanz
- Ganzheitlichkeit (Das Projekt wird als Ganzes gesehen, d. h. es wird nicht nur das Produkt bewertet, sondern der gesamte Arbeitsprozess)
- Produktorientierung
- demokratische Unterrichtsführung
- Miteinbeziehung außerschulischer Lernorte
Phasen des Projekts
Nach Emer/Lenzen (2002) gliedert sich der Ablauf eines schulischen Projektunterrichts in folgende Phasen[4]:
- Initiierung - Der Projektunterricht wird initiiert und Ideen für Projekte gefunden.
- Einstieg - Die Projekte werden eingeleitet und geplant.
- Durchführung - Die Projekte werden durchgeführt und begleitet.
- Präsentation - Die Projektergebnisse werden präsentiert.
- Auswertung (Reflexion) - Die Projekte werden ausgewertet und u. U. weitergeführt.
Der Klassenraumdiskurs
Jedes Unterrichtsarrangement verfügt über einen spezifischen Klassenraumdiskurs. Beim Projektunterricht fokussiert der Klassenraumdiskurs auf die Phase der Ergebnispräsentationen. Dies kann von einer einfachen Präsentation in der Art eines Referates erfolgen oder bei entsprechender Schulung im Sinne der LdL-Methode.
Lehrer-Schüler-Verhältnis
Eine Auseinandersetzung mit den oben aufgeführten Konstituenten der Projektarbeit verdeutlicht, dass auf Lehrer sowie Schüler völlig neue Aufgaben zukommen, die sich wesentlich vom traditionellen Unterricht unterscheiden und sich auf das Lehrer-Schüler-Verhältnis auswirken. Gleichzeitig wachsen mit dem Projektunterricht auf beiden Seiten wesentliche Potentiale und Möglichkeiten des Kompetenzerwerbs. Für den Lehrer bedeutet der Projektunterricht zunächst einmal die Aufgabe seines Organisationsmonopols, was ihm aber die Möglichkeit verschafft, als Lernpartner für die Schüler seine pädagogische und fachliche Kompetenz wirklich ins Spiel zu bringen. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass die Schüler mithilfe moderner Kommunikationsmittel, besonders des Internets, in der Lage sind, auf ein breites Spektrum an Wissen und Information zugreifen zu können. Für den Fremdsprachenunterricht bedeutet dies, dass sich die Lehrerrolle vom Sprachvermittler zum Human Resource Manager entwickelt. Dennoch behält er als pädagogischer, fachlich professioneller und didaktischer Experte die Koordination im Überblick, muss erspüren, wann Interventionen notwendig sind und wann selbstbestimmtes Lernen gefragt ist. Legutke fasst diese Rolle im Term „der Lehrer als teilnehmender Leiter“ zusammen.
Bezogen auf die Schülerperspektive verwendet Legutke den Begriff leitender Teilnehmer und verdeutlicht somit, dass der Schüler aus seiner passiv-rezeptiven Haltung heraus aufgefordert ist, selbst aktiv zu werden, verschiedene Kompetenzen zu erwerben und diese dann auch einzusetzen. Die für und durch den Projektunterricht zu entfaltende Projektkompetenz ist als Überbegriff zu werten und schließt folgende Teilkompetenzen mit ein:
- Kooperationskompentenz in Verbindung mit der Arbeit in Teams und Gruppen
- Kommunikationskompetenz zum Herstellen und Pflegen von Kontakten, zur gemeinsamen Reflexion und Arbeit im Projekt
- Organisationskompetenz als Teil der Methodenkompetenz schon im Planungsprozess
- Produktionskompetenz hinsichtlich der zu erstellenden Produkte wie Texte, Videos, Fotos, Reportagen, Websites usw.
- Self-Access-Kompetenz, d.h. Fähigkeit zur Selbstbestimmung, Selbstreflexion und die Selbstständigkeit der Schüler, vgl. Selbstwirksamkeit
- didaktische Kompetenz, die letztendlich darauf abzielt, dass Lernende selbst als Lehrende tätig werden, wenn sie ihre Produkte im Plenum oder sogar in der Öffentlichkeit präsentieren (vgl. Lernen durch Lehren).
Nationales
Bedeutung in Deutschland
Besonders in der Folge der PISA-Studie, die erhebliche methodische und inhaltliche Defizite im deutschen Schulsystem aufgedeckt hat, erlebt die Projektmethode einen Aufschwung. Diese Entwicklung erfasst mit Verzögerung auch den Hochschulbereich. Gefördert werden die so bewirkten Änderungen durch die Verbreitung des Internets, die eine Kommunikation auch außerhalb von Unterrichtsräumen ermöglicht und die für Projekte notwendige Arbeitskontinuität fördert.
Literatur
- H. J. Apel, M. Knoll: Aus Projekten Lernen. Grundlegung und Anregungen. Oldenburg, München 2001. ISBN 3486035053
- J. Bastian, H. Gudjons, J. Schnack, M. Speth (Hrsg.): Theorie des Projektunterrichts. Bergmann + Helbig, Hamburg 1997. ISBN 3925836314
- J. Dewey: Demokratie und Erziehung. Beltz, Weinheim 1930, 1993. ISBN 340722057X
- J. Dewey, W.H. Kilpatrick: Der Projektplan. Grundlegung und Praxis. Weimar 1935.
- Wolfgang Emer, F. Rengstorf: Projektunterricht. Eine Materialsammlung aus dem Oberstufenkolleg. Bielefeld 2006.
- Karl Frey: Die Projektmethode. 10. Auflage. Beltz, Weinheim 1982, 1990, 2005. ISBN 3407251238
- Herbert Gudjons: Handlungsorientiert lehren und lernen, Projektunterricht und Schüleraktivität. Klinkhardt, Bad Heilbrunn 2001 (6. Aufl.). ISBN 3781504417
- Herbert Gudjons: Was ist Projektunterricht? In: J. Bastian (Hrsg.): Das Projektbuch. Bergmann + Helbig, Hamburg 1994. ISBN 3925836047
- Dagmar Hänsel (Hrsg.): Handbuch Projektunterricht. Beltz, Weinheim 1997. ISBN 3407831374
- Michael Knoll: John Dewey und die Projektmethode. Zur Aufklärung eines Missverständnisses. In: Erziehung und Bildung. Köln 45.1992, S.89-108.
- Michael Knoll: Die Projektmethode - ihre Entstehung und Rezeption. Zum 75. Jahrestag des Aufsatzes von William H. Kilpatrick. In: Pädagogik und Schulalltag. Neuwied 48.1993, S.338-351. ISSN 0030-9249
- Michael Knoll: 300 Jahre Lernen am Projekt. Zur Revision unseres Geschichtsbildes. In: Pädagogik. Weinheim 45, 7-8. 1993, S.58-63. ISSN 0933-422X
- Michael Knoll: Faking a Dissertation - Ellsworth Collings, William H. Kilpatrick and the 'Project Curriculum'. In: Journal of Curriculum Studies. Abingdon 28.1996, S.193-222. ISSN 0022-0272
- Hans-Jürgen Krumm: Unterrichtsprojekte - praktisches Lernen im Deutschunterricht. In: Fremdsprache Deutsch. Ismaning 4.1991, S.4-8. ISSN 0937-3160
- Dieter Lenzen, Wolfgang Emer: Projektunterricht gestalten - Schule verändern. Schneider, Baltmannsweiler 2002, 2005. ISBN 3-89676-936-7
- Jean-Pol Martin: Vorschlag eines anthropologisch begründeten Curriculums für den Fremdsprachenunterricht. Narr, Tübingen 1994. ISBN 3823343734
- Willy Potthoff: Pädagogische und soziale Projektvariationen, Reformpädagogischer Verlag, Freiburg 2006, ISBN 9783925416286
- Volker Reinhardt (Hrsg.): Projekte machen Schule. Schwalbach 2005. ISBN 3899741781
- Michael Schart: Projektunterricht - subjektiv betrachtet, eine qualitative Studie mit Lehrenden für Deutsch als Fremdsprache. Schneider, Baltmannsweiler 2003. ISBN 3896766929
Weblinks
- Internet- und Projektkompetenz
- Projektunterricht im ZUM-Wiki (mit vielen Literaturhinweisen)
- Projektwerkstatt Geschichte Initiative der Uni Bremen zur Förderung von historischem Projektunterricht an Schulen
- Plattform für den Projektunterricht
- Digitalpro Materialien und Ideen zu Projekten, Projektunterricht und Abschlussarbeiten an Schulen.
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Einzelnachweise
- ↑ vgl. Gudjons 1994, 14
- ↑ Schart 2003, 69
- ↑ vgl. Michael Legutke
- ↑ vgl. Modell der vollständigen Handlung in der Berufspädagogik
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