Jagdszenen aus Niederbayern

Jagdszenen aus Niederbayern
Daten des Dramas
Titel: Jagdszenen aus Niederbayern
Gattung: Volksstück
Originalsprache: Deutsch
Autor: Martin Sperr
Erscheinungsjahr: 1965
Uraufführung: 27. Mai 1966
Ort der Uraufführung: Bremen, Theater Bremen
Ort und Zeit der Handlung: Reinöd in Niederbayern, 1948
Personen
  • Barbara, Tagelöhnerin
  • Abram, ihr Sohn
  • Tonka, Dienstmädchen
  • Maria, Bäuerin und Zimmerwirtin Abrams
  • Rovo, ihr Sohn
  • Volker, Marias Knecht
  • Großbauer, der Bürgermeister
  • Georg, sein Knecht
  • Zenta, Tagelöhnerin beim Bürgermeister
  • Metzgerin
  • Knocherl, Totengräber und Gemeindearbeiter
  • Paula, Bürogehilfin in Landshut
  • Pfarrer

Jagdszenen aus Niederbayern ist ein Bühnenstück in 17 Bildern von Martin Sperr aus dem Jahr 1965.

Inhaltsverzeichnis

Handlung

Im Dorf Reinöd in Niederbayern ist nach der Währungsreform das gewohnte, nach außen idyllische Leben zurückgekehrt. Doch hinter den Kulissen geht der dörfliche Kleinkrieg weiter, der sich gegen alle Außenseiter richtet. Die Bäuerin Maria, die mit ihrem Knecht Volker zusammenlebt, nachdem ihr Mann nicht aus dem Krieg zurückkam, wird als Schandfleck angesehen. Ihr 18-jähriger Sohn Rovo, der an einer im Krieg verursachten Neurose leidet, gilt als Dorftrottel.

Als Abram, der wegen Homosexualität eine Haftstrafe verbüßt hat, in das Dorf zurückkommt, bietet sich jedoch eine neue Zielscheibe. Maria erwischt ihn im Gespräch mit Rovo und behauptet, er habe ihren Sohn verführt. Aus Verzweiflung über den Psychoterror, dem er ausgesetzt ist, vergeht sich Abram an der Magd Tonka. So will er beweisen, dass er ein richtiger Mann ist. Das verwahrloste Dorfmädchen wird jedoch als Hure diffamiert.

Als Tonka Abram erzählt, dass sie ein Kind von ihm erwartet und ihn zu erpressen versucht, ersticht er sie in einem Anfall von Wut und Verzweiflung. Es wird eine Belohnung von 2.500 Mark auf seine Ergreifung ausgesetzt. Schließlich können die Dörfler Abram fassen, und er landet im Zuchthaus. Rovo erhängt sich.

Maria hingegen gelingt die Rückkehr in die Dorfgemeinschaft, indem sie Volker heiratet. Mit der Belohnung für Abrams Ergreifung wird die Kirchenorgel repariert. Beim Erntedankfest feiert man ausgiebig, dass endlich wieder Ruhe im Dorf eingekehrt ist.

Weiteres

Sperr wollte nicht Einzelschicksale, sondern „die Jagd von Menschen auf Menschen und die Zusammenrottung zu solchem Vergnügen[1] darstellen. Keine der handelnden Figuren stellt die Werte der dargestellten Dorfwelt in Frage, am wenigsten die Außenseiter: Rovo beschimpft Tonka als Hure, Tonka nennt Abram eine schwule Drecksau, und Maria gelingt durch Denunziation und Heirat die Reintegration.

Sperrs Volksstück ist eines der ersten des neuen sozialkritischen Volkstheaters. Es machte den Autor schlagartig bekannt. Sperr baute das Werk mit den Nachfolgern Landshuter Erzählungen (1967) und Münchner Freiheit (1970) zur Trilogie aus. In der 1968 entstandenen Verfilmung von Peter Fleischmann spielte er selbst den Abram. 1969 fand erstmals in München unter der Regie von Ulrich Heising eine Aufführung an den Münchner Kammerspielen mit Hans Brenner, Maria Singer, Therese Giehse, Günther Maria Halmer und Ruth Drexel statt. Im selben Jahr verarbeitete Sperr die Handlung in einer Erzählung für Jugendliche unter dem Titel Jagd auf Außenseiter. 1984 war Sperr bei einer Aufführung am Münchner Volkstheater als Pfarrer zu sehen. Im Oktober 2003 brachte Regisseur Florian Fiedler unter dem Titel Nieder Bayern am Münchner Volkstheater eine Neubearbeitung zur Aufführung.

Kritiken

Unter dem Deckmantel dörflicher Wohlanständigkeit zeigt der Film Grausamkeit, unterdrückte Sexualität und Intoleranz gegenüber Außenseitern jeder Art [...] Der Film entspricht dem konventionellen Problemfilm, allerdings auf dem Stand heutiger gesellschaftlicher Aufklärung gebracht. Was den Film aber letztlich zu Fall bringt, ist seine konventionelle Machart, die das ganze Anliegen in Langeweile erstickt.

Hans Scheugl[2]

„Ein Meisterwerk; die zugleich erbarmungslose und brillant amüsante Studie einer Dorfgemeinschaft, die einen Bauernburschen wegen seinen vermuteten päderastischen Neigungen ächtet und ihn zu einem Mord treibt, ehe sie ihn in einer organisierten Menschenjagd zur Strecke bringt. Die Szenen vom Landleben [...] sind so reich im Detail, als hätten Breughel und Flaubert zusammengewirkt.

Jan Dawson in der Zeitschrift Sight and Sound[3]

Einzelnachweise

  1. Zitat bei Kindlers Literaturlexikon, Oktober 1974, Bd. 24, S. 10718
  2. Hans Scheugl: Sexualität und Neurose im Film. Die Kinomythen von Griffith bis Warhol. - Genehmigte, ungekürzte Taschenbuchausgabe. - Heyne, München 1978 (Heyne-Buch; 7074), ISBN 3-453-00899-5, S. 207
  3. hier zitiert nach: Robert Fischer; Joe Hembus: Der Neue Deutsche Film, 1960-1980. 2. Aufl. Goldmann, München 1982 (Citadel-Filmbücher) (Goldmann Magnum; 10211), ISBN 3-442-10211-1, S. 52

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