- Martin Sperr
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Martin Sperr (* 14. September 1944 in Steinberg bei Marklkofen; † 6. April 2002 Landshut) war ein niederbayerischer Dramatiker und Schauspieler. In seinen Stücken prangert er drastisch und im Dialekt Missstände an.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Martin Sperr wurde als Sohn eines Lehrerehepaars geboren und wuchs in Wendelskirchen auf. Später ging er auf ein Internat der Barmherzigen Brüder in Algasing beim oberbayerischen Dorfen. 1961 schloss er die Handelsschule mit der Mittleren Reife ab.
Er begann in München zunächst eine Lehre als Industriekaufmann. 1961 nahm er in München Schauspielunterricht und besuchte 1962 bis 1964 das Max-Reinhardt-Seminar in Wien und eine Schauspielschule in Wiesbaden. Seine Ausbildung als Schauspieler verdiente Sperr sich als Industriekaufmann, Hilfsarbeiter und Nachtportier. Sein Debüt gab er 1962 am Theater44. Während der Spielzeit 1965/1966 war Sperr Jungschauspieler am Bremer Stadttheater.
Seine dort 1966 uraufgeführten Jagdszenen aus Niederbayern wurden zur Theatersensation. In einer Berliner Inszenierung trat er selbst als Rovo auf. Peter Fleischmann verwendete 1968 den Stoff über einen homosexuellen Außenseiter und die Gewalt im Dorf zu einer Verfilmung mit Sperr in der Hauptrolle des Abram. Der Streifen gewann den Bundesfilmpreis, überzeugte auf der Berlinale und auch beim Filmfest in Locarno. 1971 erschien der Stoff als Erzählung unter dem Titel Jagd auf Außenseiter. 1984 war Sperr bei einer Aufführung am Münchner Volkstheater als Pfarrer zu sehen.
Sein nächster Erfolg wurde 1966 seine Übersetzung von Edward Bonds Stück Gerettet ins Bayerische. 1967 wirkte er selbst bei der Uraufführung in der Inszenierung von Peter Stein an den Münchner Kammerspielen mit. Im selben Jahr nahm Sperr ein Engagement an den Münchner Kammerspielen an, wo er als Hausautor und Schauspieler wirkte.
Seine bayerische Trilogie zur Nachkriegswirklichkeit nahm danach Gestalt an. Die Jagdszenen aus Niederbayern spielen anno 1948, eine Dekade später die 1967 erschienen Landshuter Erzählungen mit ihrer Schilderung eines Konkurrenzkampfes zweier Bauunternehmer. Die Münchner Freiheit (1971) war eine gegenwartsnahe Satire auf Grundstücksspekulation und Wohnraumzerstörung.
Auch mit historischen Stoffen ging Martin Sperr keineswegs nostalgisch um. 1970 wurde in Stuttgart von Peter Palitzsch sein Stück Koralle Meier mit Ruth Drexel uraufgeführt. Es handelt von einer alternden Prostituierten in einer niederbayerischen Kleinstadt zur NS-Zeit. 1971 schrieb er mit Reinhard Hauff das Drehbuch zu dem Fernsehfilm Der Räuber Mathias Kneißl, worin Mathias Kneißl zum Sozialrebellen wurde. Bürgerlicher Gier und Dummheit hielt er mit seiner Tragikomödie über das Leben von Adele Spitzeder in dem gleichnamigen Film den Spiegel vor. 1977 erfolgte die Uraufführung an den Bühnen der Stadt Bonn.
1969/70 war Sperr wieder in Bremen engagiert. 1972 lag er nach einer Gehirnblutung bei einem Radwechsel an seinem Wagen lange im Koma, das Gedächtnisschwund und Motivationsverlust zur Folge hatte. Er litt seitdem an epileptischen Anfällen. 1974 kehrte er am Schauspielhaus Bochum auf die Bühne zurück und spielte hier in der deutschen Erstaufführung von Brendan Behans Borstal Boy, danach folgten Auftritte in kleinen Münchner Privattheatern, besonders 1976 bei der Lesung eigener Nonsens-Gedichte und 1978 in seinem Stück Adele Spitzeder am Studiotheater München. 1982 war er am Theater Freiburg als Hamlet zu sehen.
1983 schloss er sich dem Ensemble des Münchner Volkstheaters an. Er übertrug deutschsprachige Theatertexte ins Bayrische, die dann am Volkstheater aufgeführt wurden, darunter Otto Muehls Rheinpromenade und Fitzgerald Kusz' Schweig, Bub!. Sperr trat auch weiterhin am Volkstheater und bei den Tiroler Volksschauspielen in Telfs auf.
Er war in zweiter Ehe mit der Schauspielerin Katja Barwich verheiratet und Vater einer Tochter.
Bedeutung
Der Titel seines ersten Theaterstückes Jagdszenen aus Niederbayern wurde zum geflügelten Wort. Es steht als Synonym für eine Hetz- und Verleumdungsaktion.
Martin Sperr ist mit Rainer Werner Fassbinder und Franz Xaver Kroetz in einer Linie anzusiedeln und mag als literarisches Kind von Marieluise Fleißer gelten. Er wird als ein Erneuerer im Genre kritischer Volksstücke betrachtet. Unter dem Titel Das zweite Leben des Martin Sperr wurde sein Schicksal vom Fernsehen verfilmt.
Auszeichnungen und Ehrungen
- 1965 Förderpreis des Gerhart-Hauptmann-Preises
- 1967 „Theater heute“-Preis für junge Theaterleute für Landshuter Erzählungen
- 1968 Förderpreis des Schiller-Gedächtnis-Preises des Landes Baden-Württemberg
- 1973 Bayerischer Hörfunk-Preis
- 1977 Ernst-Hoferichter-Preis
- 1981 Mülheimer Dramatikerpreis
Werke
- Jagdszenen aus Niederbayern, 1966 (verfilmt 1968)
- Landshuter Erzählungen, 1967
- Koralle Meier, 1970
- Herr Bertolt Brecht sagt. Bei Brecht gelesen und für Kinder und andere Leute ausgesucht, 1970 (gemeinsam mit Monika Sperr)
- Münchner Freiheit, 1971
- Sammelband Niederbayrische Trilogie, Suhrkamp, 1972 (enthält die Stücke Jagdszenen aus Niederbayern, Landshuter Erzählungen, Münchner Freiheit)
- Die Kunst der Zähmung (nach Shakespeares The Taming of the Shrew), 1971
- Die Spitzeder, 1977
- Willst du Giraffen ohrfeigen, mußt du ihr Niveau haben, 1979 (Prosa, Gedichte und Zeichnungen)
Weblinks
- Martin Sperr in der deutschen und englischen Version der Internet Movie Database
- Literatur von und über Martin Sperr im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Informationen zu Martin Sperr und seinen Stücken
- [1]Datenbank zum literarischen Bayern
Quellen
- GONG Radiozeitung, Sept. 2004, zur Sendung von Bayern2 anlässlich Sperrs 60. Geburtstag
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