Jeanne Immink

Jeanne Immink
Jeanne Immink an der Kleinen Zinne (1893)

Jeanne Immink (* 10. Oktober 1853 in Amsterdam; † 20. August 1929 in Mailand) ist die Gründerin des modernen Frauenbergsteigens. Sie führte die Kletterhose ein, gilt als Erfinderin des Abseilgurts und revolutionierte mit ihren Touren im steilsten Fels das Bild der weiblichen Alpinisten.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Jeanne Immink, geborene Diest, wuchs in einer Familie deutsch-jüdischer Herkunft auf. Vater Diest, von Beruf Börsenmakler, verstarb früh. Er hinterließ Frau und vier Töchter, die es im damals verarmten Amsterdam nicht leicht hatten. Jeanne, die Älteste, war eine gute Gymnasiastin. Frauen hatten jedoch keinen Zugang zur Universität und einen weiblichen Berufsstand gab es nicht. Die Ehe war die einzige Existenzgrundlage. Sie heiratete den Schullehrer Karel Immink. Gleich nach der Hochzeit wanderte das Paar nach Südafrika aus. In der Hauptstadt Transvaals waren die Lebensumstände kaum besser.

Die Ehe scheiterte. Jeanne konnte keine Bindung mit ihrem ersten Kind, einem Jungen, aufbauen. Sie flüchtete in eine Affäre mit dem britischen Dragonerhauptmann Henry Douglas-Willan, der während der Strafexpedition von 1879 gegen die Zulu (Volk) Karriere machte. Als der spätere Regimentsoberst nach Indien abkommandiert wurde, reist Jeanne mit ihm, sich auf diese Weise einer Vorladung wegen Ehebruchs entziehend. Ihr Kind brachte sie bei Bekannten in Pretoria unter.

Das Abenteuer in den unruhigen Nordwestterritorien Indiens währte nicht lange. Die Schwangerschaft von Jeanne bedeutete das Ende der Liaison. Henrys Schwadronen waren dauerhaft im Einsatz und Kinder wurden im Umfeld der Truppe nicht geduldet. Jeanne kehrte nach Europa zurück. In der Schweiz brachte sie ihr uneheliches Kind, zur Welt, wiederum einen Sohn, um den sie sich jedoch lebenslang kümmern sollte. Dank großzügiger Alimente von Henry, der aus einer angesehenen Militärdynastie stammte, war sie fortan finanziell unabhängig. Zudem hatte sie eine glückliche Hand mit Wertpapieren. Ihr Sohn Luigi Immink war Industrieller und der erste niederländische Honorarkonsul in Italien.

Bergsteigerische Leistungen

Jeanne Immink entwickelte sich in der Schweiz rasant von der bergwandernden Sommerfrischlerin zur tüchtigen Alpinistin. In den Walliser Alpen überwand sie Höhenunterschiede von 2500 bis 3000 Metern an einem Tag. Das Matterhorn überschritt sie zweimal, von Breuil und von Zermatt. Sie eröffnete eine neue Route am Ortler und stieg vom Talboden auf die Zugspitze, nonstop hin und zurück. Ihre Gewalttouren in Schnee und Eis sowie ihre Gewandtheit im Fels waren sprichwörtlich. Richtig bekannt wurde Jeanne Immink jedoch in den Dolomiten. Aufsehen erregte sie mit den Durchsteigungen des Schmittkamins an der Fünffingerspitze und der Nordwand der Kleinen Zinne. Diese beiden Berge galten um 1890 als besondere Herausforderungen des Klettersports.

Als Felsgeherin beteiligte Immink sich energisch an der neuen Orientierung des Alpinismus im ausgehenden neunzehnten Jahrhundert: Nicht der Gipfel, sondern der Weg wurde zum Ziel. Die Imminkführe am Cusiglio in der Palagruppe ist das früheste Beispiel einer solchen rein sportlichen Kletterführe. Jeanne Immink war die erste Frau, die ständig im dritten und vierten Schwierigkeitsgrad kletterte. Das war damals die höchste erreichbare Stufe. Es gab noch keine Haken und Karabiner. Das Hanfseil bot wenig Sicherheit. Jeanne Immink initiierte Neutouren in unbetretenen Dolomitenregionen (Bosconero, Tàmer, Cimonega). Sie kannte fast alle Routen in den wichtigsten Kletterzentren (Cortina d'Ampezzo, Sexten, Gröden, San Martino di Castrozza). Praktisch jeder Tour fügte sie etwas Neues hinzu, einen Schnelligkeitsrekord (Cima della Madonna, Santnerspitze), eine Variante (Langkofel, Sass Maor) oder eine erste Überschreitung (Fünffingerspitze, Zahnkofel).

Jeanne Immink gilt als Erfinderin des Abseilgurts. Ihren Kopf schützte sie mit einer Reiterkappe, quasi dem ersten Steinschlaghelm. Sie trug eine Hose und brach so mit den Konventionen und änderte das Bild der Frau im Gebirge. Ihr Ehrgeiz versetzte sie in eine ständige Konkurrenz mit den Männern. „Ich fordere die Herren Alpinisten auf, meinen Schritten zu folgen“, schrieb sie nach einer Erstbesteigung. Sie besorgte den jungen, später ruhmvollen Bergführern Michele Bettega, Antonio Dimai und Sepp Innerkofler die ersten großen Aufträge. Jeanne Immink bestimmte stets selbst das Ziel und die Schwierigkeit einer Tour. Sie legte den Grundstein für das Winterbergsteigen im steilsten Fels (Croda da Lago im Dezember 1891, Nordwand Kleine Zinne im Januar 1895). Darüber hinaus unternahm sie auch Solotouren und Bergfahrten auf eigene Faust. Oft führte sie ihr Söhnchen auf einen schwierigen Gipfel. Ihr Verdienst ist, dass sie die Berge den Frauen leichter zugänglich machte.

In der frauenfeindlichen Bastion des damaligen Bergsteigens war Jeanne Immink eine Ausnahmeerscheinung, die jedoch von den Männern akzeptiert wurde. In der Öffentlichkeit wurde sie vor allem bekannt durch ihre Zusammenarbeit mit Theodor Wundt, dem Pionier der Bergfotografie. So entstanden die ersten Bilder einer Frau im ausgesetzten Fels. Die Aufnahme von Jeanne Immink an der Kleinen Zinne war damals eine absolute Sensation. Sie gehörte zwei leistungsbezogenen Alpenvereinen an, der Sektion Turin des Club Alpino Italiano und dem bis heute exklusiven Österreichischen Alpenklub.

Zwei nebeneinanderliegende Dolomitengipfel in der Palagruppe wurden nach Jeanne Immink benannt, die Cima Immink und der angrenzende Campanile Giovanna (= Jeanne), ein Sonderfall in der alpinen Nomenklatur.

In Bergführerkreisen hält sich die Legende um Jeanne Immink bis heute.Der italienische Extremkletterer Donato Zagonel wiederholte viele Routen von „La Immink“. Er schätzt die Abenteuerlust und Charakterfestigkeit der ersten Frau, „die das sportliche Bergsteigen zum Lebensinhalt erhob“. Ivo Rabanser, der prominente Bergführer und Autor aus dem Grödnertal, spricht von „alpiner Geschichte auf äußerst interessante Weise“.

Literatur

  • Muré, Harry: Het mysterie Jeanne Immink (de vrouw die naar de wolken klom). Elmar, 2003, ISBN 90-38914-33-4 (Niederländisch, 247 Seiten).
  • Muré, Harry: Jeanne Immink Die Frau, die in die Wolken stieg. Tyrolia, Innsbruck 2010, ISBN 978-3-7022-3075-3 (Deutsch, 272 Seiten).
  • Wundt, Theodor: Wanderungen in den Ampezzaner Dolomiten. Deutsche Verlagsanstalt, Berlin 1894.
  • Richter, Eduard: Die Erschließung der Ostalpen. Verlag des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins, Berlin 1894.

Weblinks


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