Jeanny, Part I

Jeanny, Part I

Jeanny ist der Titel einer mehrteiligen Lieder-Serie des österreichischen Sängers Falco, die einen der größten Skandale in der Geschichte der deutschsprachigen Popmusik auslöste. Offiziell sind zwei Teile (Jeanny, Part I und Coming Home) der Serie erschienen, jedoch gibt es Hinweise auf weitere Lieder.

Inhaltsverzeichnis

Jeanny, Part I

Cover-Artwork zum dazugehörigen Album ‚‚Falco 3‘‘ (1985)

Der Song Jeanny, Part I ist der erste Teil der Serie. Das Lied wurde 1985 als dritte Single des Albums Falco 3 veröffentlicht und erreichte Anfang 1986 in Österreich, Deutschland sowie in der Schweiz Platz 1 der Charts. Auf der B-Seite der Single befindet sich der Song Männer des Westens.

Handlung

Der Text ist vieldeutig und kann daher auf mehrere Arten interpretiert werden. Er besteht aus vier deutschsprachigen Strophen, wobei der Refrain auf Englisch gesungen ist. Allerdings gibt es auch eine Version, die ausschließlich auf Englisch gesungen ist. Diese ist auf der Best-of-Kompilation Greatest Hits II zu finden.

Als Jeanny Platz 1 in mehreren Ländern erreichte, kamen Vorwürfe auf, Jeanny verharmlose oder verherrliche eine Vergewaltigung, obwohl im Text nicht von Gewalt die Rede ist. Allerdings zeigt der Text stark die Sichtweise, die ein Vergewaltiger gegenüber seinem Opfer haben könnte. Die Weise, in der der Text vorgetragen wird, lässt auch den Schluss zu, dass es sich um einen Stalker handelt, der sein Opfer der verschmähten Liebe wegen entführt und sie in seinem Wahn umbringt.

Der Teil Newsflash des Liedes, gesprochen von dem damals sehr populären Tagesschau-Nachrichtenssprecher Wilhelm Wieben, berichtet von einem „dramatischen Anstieg der Zahl der vermissten Personen“ und „einem weiteren tragischen Fall“ eines seit 14 Tagen verschwundenen 19-jährigen Mädchens, bei der die Polizei die Möglichkeit eines Verbrechens nicht ausschließen könne.

Der Text erweckt somit den Eindruck, an die Serienmorde von Jack Unterweger angelehnt zu sein. Außerdem wurde Falco vorgeworfen, mit dem Lied die Forderungen auf Freilassung des Mörders zu verstärken. Zur damaligen Zeit saß Unterweger seit 1974 wegen Mordes an einer 18-jährigen Deutschen in lebenslanger Haft. Allein das Alter (19), welches im Text von Jeanny erwähnt wird, ließ auf diese Anspielung schließen.

Video

Der dazugehörige Video-Clip verstärkt den Eindruck, beim Sänger handle es sich um einen psychotischen Mörder; Falco wird am Ende in Zwangsjacke innerhalb einer Gummizelle gezeigt, wo er von einer jungen Frau, dargestellt von der damals 15-jährigen Theresa Guggenberger[1], geneckt wird. Obwohl keinerlei Verfremdungseffekte benutzt werden, kann der Eindruck entstehen, bei dem Mädchen handle es sich um die Halluzinationen des geisteskranken Mörders - der Blick eines Wärters in die Zelle zeigt Falco allein. Das Video spielt zudem auf den Filmklassiker M – Eine Stadt sucht einen Mörder (1931) an, wo ein Serienkindermörder von einem blinden Ballonverkäufer identifiziert und mit einem „M“ aus Kreide auf dem Mantelrücken markiert wird. Falco trägt ein aufgemaltes „F“ auf dem Rücken, und auch ein blinder Ballonverkäufer ist zu sehen. Zu den Videolocations gehören zum Beispiel die bekannte und denkmalgeschützte ovale Opernpassage aus den 1950er-Jahren in Wien und der Drehort aus dem Dritten-Mann-Film im Wiener Kanalsystem (heute unter Karlsplatz/Esperantopark). Des Weiteren finden sich Anspielungen auf die Filme American Graffiti, Psycho und Der dritte Mann.[2] [3]

Boykott

Verschiedene Fraueninitiativen riefen zum Boykott des Liedes auf. Der Norddeutsche Rundfunk, der Sender Freies Berlin sowie der Bayerische Rundfunk schlossen sich „aus ethischen Gründen“ dem Boykott an und spielten das Lied gar nicht mehr, andere Sender sendeten das Lied nur noch in Hitparaden. Auch von DDR-Rundfunksendern wurde Jeanny nicht mehr gesendet und ebenso der Einsatz des Liedes in Diskotheken untersagt.

Die deutsche Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften lehnte am 17. April 1986 einen Antrag ab, das Lied als „jugendgefährdend“ zu indizieren.

ZDF-Nachrichtensprecher Dieter Kronzucker zeigte sich empört und äußerte dies auch im heute-journal. Daraufhin schlossen sich weitere Radiostationen dem Boykott an. In Hessen wurde der Song mit einem Warnkommentar gespielt. Bei Formel Eins wurde er allerdings, solang er auf Platz eins der Charts war, jede Woche zumindest ausschnittsweise gezeigt. Thomas Gottschalk nannte Falco in einem Zeitungskommentar ein „Wiener Würstchen“, das „Schwachsinn“ produziere: „Falcos Fieselton und die Latrinenansichten des Videos sind einfach zuviel verlangt.“[11] Falco selbst sagte dazu in der Sendung "Heute Abend" mit Blacky Fuchsberger: "Ich kann doch einem ehemaligen Lehrer nicht übelnehmen, wenn er ein Wiener Würstchen nicht von einer Bockwurst unterscheiden kann."

Interpretation

„Dein Lippenstift ist verwischt… Du hast ihn gekauft und ich habe es gesehen… Zuviel Rot auf deinen Lippen… Und du hast gesagt : "mach mich nicht an"… Aber du warst durchschaut. Augen sagen mehr als Worte. Du brauchst mich doch, hmmmh?…Alle wissen, daß wir zusammen sind… Ab heute… Jetzt hör ich sie!… Sie kommen!… Sie kommen dich zu holen… Sie werden dich nicht finden.… Niemand wird dich finden!… Du bist bei mir!“

Umstrittene Textpassagen aus Jeanny, Part I

Letztendlich spielt das Lied, vor allem in Verbindung mit dem Video, mit verschiedenen Szenarien einer (Liebes-)beziehung und überlässt dem Zuschauer die Wertung. Während das Video das Mädchen Jeanny zunächst als bedrängt und verfolgt darstellt, nimmt die Geschichte später eine Wendung. Falco wird dann als Mörder identifiziert, als die vermeintlich tote Jeanny gerade aus einem Restaurant herauskommt. In der Abschlussszene, in der Falco in einer Zwangsjacke offensichtlich in einer Irrenanstalt inhaftiert ist, tanzt Jeanny um ihn herum und verspottet ihn.

„Jeanny lebt, das geht aus dem Text und dem Video eindeutig hervor. Teil II von 'Jeanny' wird im Herbst beweisen, dass der Mann das eigentliche Opfer ist. Nicht umsonst landet er zum Schluss, von Jeanny völlig fertig gemacht, in der Klapsmühle, aber mehr wird nicht verraten.“

Falco gegenüber der Jugendzeitschrift Bravo (1986)[12]

Wenn Musik auch polarisieren soll, so hat Falco mit diesem Lied sicher sein Ziel erreicht. Dadurch, dass der Personenkreis, in dem das Lied besonders beliebt war, gleichzeitig der Personenkreis war, der hier als Täter/Opfer/Täter dargestellt wurde, hat das Lied emotionale Sprengkraft entfaltet. Auch heute noch, Jahre nach dem Lied und Jahre nach Falcos Tod, entstehen immer wieder hitzige Diskussionen. Wie immer man zu dem Lied stehen mag, künstlerisch hat Falco mit Jeanny sein Denkmal gesetzt.[3]

Musik

Der Song Jeanny, Part I wird von Falco in einem Sprechgesang vorgetragen und dabei von einer Melodie begleitet. Das Tempo des Songs ist langsam, folglich auch der Rhythmus des Liedes. Dieser Rhythmus ist signifikant für den Klaviereinsatz in den einzelnen Strophen. Das Schlagzeug kommt stärker im Refrain zum Einsatz, wobei das in den einzelnen Strophen nicht der Fall ist. Im Hintergrund zur Melodie sind auch verbundene Keyboard-Akkorde hörbar. Für manche Live-Auftritte wurden auch Geigen verwendet. Gesanglich wird Falco von einem Chor unterstützt, der im Refrain auftritt. Das Lied ist stilistisch einer rockorientierten Pop-Ballade im Stile eines Lovesongs zuzuordnen.

Fortsetzung

Coming Home

1986 veröffentlichte Falco auf seinem Album Emotional die Single Coming Home (Jeanny Part II, One Year Later), in der die mögliche Sichtweise stark relativiert wird. Das Lied wurde ebenfalls ausgekoppelt und erreichte in mehreren Ländern (darunter beispielsweise Deutschland und Schweden) die Spitzenposition der dortigen Hitparaden. In Österreich erreichte Falco mit dem Song, wider Erwartungen, Platz 4. Musikalisch geht der Song stärker in Richtung Ballade und Popmusik. Auf der B-Seite der Single ist der Song Crime Time zu finden, der ebenfalls vom Album Emotional stammt.

Die Behauptung, dass Jeanny erst nach dem Erfolg von Coming Home opportunistisch als Trilogie geplant war, lässt sich nicht halten. Falco selber hat schon nach Jeanny Part I auf eine Trilogie hingewiesen. Auch der Rückseitentext der ersten Jeanny Part I Singles enthielt neben einem Vergleich mit dem „Bett im Kornfeld“ (und den auch dort aufgetretenen Kontroversen) eine klare Aussage, dass Jeanny eine Trilogie werden sollte.

Bar Minor (Jeanny Dry)

Auf dem 1990er Album Data de Groove befindet sich ein Titel namens Bar Minor 7/11 (Jeanny Dry). Falco wird darin von einer Frau in einer Bar bedient, die Jeanny sehr ähnlich sieht. Er vermutet, singt er, dass sie sich auf Wunsch seines Plattenfirmen-Chefs Jeanny nennt. [3]

„Sag, wer hat Dir eigentlich gesagt, dass Du Jeanny heißt?“

„Sie: Das war Das ist ganz sicher der Chef meiner Plattenfirma gewesen.“

„Naja, ich versteh' ihn schon.“

Text-Auszug aus Bar Minor (Jeanny Dry)

Where Are You Now

Posthum wurde ein weiterer Jeanny-Titel, Where Are You Now? (Jeanny Part III), veröffentlicht, jedoch nicht kommerziell auf einem Tonträger, sondern ausschließlich kostenlos zum Download.[13]

Um dieses Lied ranken sich viele Theorien: Einige gehen von einer Aufnahme aus dem Jahre 1986 oder 1987 beziehungsweise 1989 aus, die Falco jedoch selbst aufgrund mangelhafter Qualität ablehnte. Andere sind der Auffassung, der Song sei aus der englischen Jeanny-(Part-I)-Version zusammen mit einem neuen, nicht von Falco eingesungenen Teil, zusammengebastelt worden. Diese Theorie scheint glaubhaft, da die Texte, die Falco singt, eindeutig aus der englischsprachigen Version von Jeanny aus dem Jahr 1985/86 stammen.

Auch die Tatsache, dass der Refrain völlig losgelöst vom restlichen Lied ist und die Musik Schlager aus der Feder von Bolland & Bolland (Falcos Produzenten aus der Zeit) darstellt, unterstützt diese These. Bolland und Bolland präsentierten diese Version am 5. Februar 2007 in einer Gedenkshow zu Falcos neuntem Todestag auf dem Fernsehsender kabel eins. [14][15] [16]

Coverversionen, Plagiate und Tributes

Die Jeanny-Trilogie, insbesondere Part I, wurde von vielen Musikern neu interpretiert oder plagiiert. Einen besonderen Skandal löste Natascha, die Coverversion der Schweizer Tenöre, aus, da man durch Thematisierung der Flucht der entführten Natascha Kampusch kommerziellen Erfolg erreichen wollte. Da der Großteil der deutschsprachigen Radiosender sich weigerte, dieses Lied zu spielen, kam es jedoch nicht zu erhofftem Profit.[17]

Einzelnachweise

Weblinks


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