John Dudley, 1. Duke of Northumberland

John Dudley, 1. Duke of Northumberland
John Dudley, 1. Duke of Northumberland

John Dudley, 1. Duke of Northumberland (* 1502; † 22. August 1553 in London) war ein englischer Adliger, der von 1549 bis 1553 im Namen des minderjährigen Königs Edward VI. de facto England regierte. Nach dessen Tod 1553 versuchte er, seine Schwiegertochter Lady Jane Grey als Königin zu etablieren, was jedoch scheiterte und zu seiner Hinrichtung führte.

Inhaltsverzeichnis

Aufstieg

John Dudley war der älteste Sohn von Edmund Dudley, der König Heinrich VII. als Finanzberater diente. Heinrich VIII. ließ den verhassten Steuer- und Finanzfachmann seines Vaters kurz nach seiner Thronbesteigung verhaften und hinrichten (1510).

John Dudley wurde Mündel von Sir Edward Guildford, in dessen Haushalt er aufwuchs, und dessen Tochter und schließliche Erbin Jane Guildford er heiratete. Guildford war ein wichtiger Mann am Hofe, wodurch sich auch John Dudley wieder Karrierechancen boten. Er bewährte sich bald als Kommandant an der schottischen Grenze und als Vizeadmiral zur See. Heinrich VIII. beförderte Dudley 1542 zum Lord High Admiral (Oberbefehlshaber der Kriegsmarine). Außerdem erhielt er den Titel eines Viscounts of Lisle, den er von seiner mütterlichen Abstammung her beanspruchen konnte. Im Krieg gegen Frankreich (1544) gelang es Dudley, einige Seegefechte im Kanal zu gewinnen. Dudley gewann durch diese Siege hohes Ansehen beim König.

Heinrich VIII. - schon sterbenskrank - berief am 30. Dezember 1546 John Dudley in einen sechzehnköpfigen Regentschaftsrat, der gemeinschaftlich für seinen neunjährigen Sohn Edward regieren sollte. Am 28. Januar 1547 starb Heinrich VIII. Edward Seymour, der Onkel des Kronprinzen hielt seinen Tod noch geheim, bis geklärt war, dass er als Lordprotektor den Privy Council anführen würde. Am 4. Februar 1547 wurde Edward Seymour zum Duke of Somerset erhoben. John Dudley wurde Kämmerer und Earl of Warwick. Vom Amt des Lord High Admirals musste Dudley aber zugunsten von Thomas Seymour, dem jüngeren Bruder des Lordprotektors, zurücktreten. Als Lord Lieutenant des Protektors unterstützte Dudley Edward Seymour bei dessen schottischen Kampagnen.

Im September 1547 bewährte sich Dudley in der Schlacht von Pinkie Cleigh, einem Sieg der Engländer über die Schotten. Im Sommer 1549 brachen in England infolge der Politik des Rates und aufgrund religiöser Probleme mehrere Unruhen aus. In Norfolk rebellierte der Gerber Robert Ket. Ket führte zeitweise 16.000 Bewaffnete und beherrschte das Gebiet um Norfolk. Die Ket-Rebellen hofften vergeblich, dass der „gute Herzog Somerset“ die Armen gegen die ortsansässigen Landadligen unterstützen werde. Nachdem ein früherer Kommandant, der Marquess of Northampton, gescheitert war, schickte Somerset John Dudley mit Truppen nach Norfolk. Das Bauernheer wurde in der Schlacht bei Dussindale vernichtet.[1]

De facto Regent

König Edward VI.

Protektor Somerset mag im Volk populär gewesen sein, gegenüber seinen Kollegen benahm er sich sehr arrogant, und zum jungen König hatte er kein gutes Verhältnis. Zahlreiche Ratsmitglieder (darunter Erzbischof Thomas Cranmer) stellten sich offen gegen Somerset und hinter Dudley, der eine Art Palastrevolution anführte. Somerset brachte - vorsorglich - am 6. Oktober 1549 den König nach Windsor und am 13. Oktober 1549 umstellten Dudleys Truppen Windsor Castle. Somerset und seine ehrgeizige Gemahlin wurden verhaftet und im Tower inhaftiert.

John Dudley erklärte sich zum Lord President of the Council. Er verzichtete auf den Titel „Lordprotektor“, sicherte sich jedoch alle Schlüsselstellungen in der Regierung. Unauffällig hielt er die ganze Macht in seinen Händen.[2] Schließlich wurde am 10. Februar 1550 der Duke of Somerset wieder in den Privy Council aufgenommen. Die Versöhnung wurde mit einer Hochzeit besiegelt: Am 4.Juni 1550 heiratete Dudleys ältester Sohn eine Tochter Somersets.

Als Regent beendete Dudley die kostspieligen Kriege gegen Frankreich (Frieden von Boulogne, 1550 - Boulogne ging an Frankreich) und Schottland (Frieden von Angers, 1551). Gleichzeitig vereinbarte er eine Verlobung zwischen Eduard VI. und Elisabeth von Valois, einer Tochter des französischen Königs Heinrich II.

John Dudley unterstützte den radikalen Protestantismus und forcierte die Enteignung der katholischen Kirche. Protestantische Bischöfe wurden erst nach erheblichen materiellen Zugeständnissen in ihren Ämtern eingeführt.

Am 11. Oktober 1551 wurde John Dudley vom König zum Duke of Northumberland erhoben. Wenige Tage später ließ Dudley Edward Seymour verhaften und am 24. Oktober 1551 begann der Prozess gegen den ehemaligen Lordprotektor. Ihm wurde eine Verschwörung gegen den Regentschaftsrat vorgeworfen. Seymour wurde zum Tode verurteilt und am 22. Januar 1552 hingerichtet; der junge König vermerkte die Hinrichtung seines Onkels kurz und unpersönlich in seinem Tagebuch. Dudley bezog Edward zunehmend in die Entscheidungen des Privy Council ein und entwickelte ein enges persönliches Verhältnis zu dem Heranwachsenden.

Die Änderung der Thronfolge

Im Frühjahr 1553 erkältete sich der vermutlich an Schwindsucht leidende König. Vermutlich zu dieser Zeit erarbeitete Eduard VI. ein Papier ("My devise of the Succession"), welches unter Ausschluss seiner - offiziell illegitimen - Halbschwestern Maria und Elisabeth die Thronfolge nur für männliche Nachkommen vorsah, die es jedoch nicht gab. Später änderte der König sein Manuskript dahingehend, daß die Erbfolge auf Lady Jane Grey, eine Großnichte Heinrichs VIII. war, direkt übergehen sollte. So wollte Eduard angesichts seines nahenden Todes eine katholische Nachfolge verhindern. Jane Grey heiratete am 21. Mai 1553 den zweitjüngsten Sohn Dudleys, Guildford Dudley. Ob die Heirat vor oder nach der Thronfolgeänderung vereinbart worden war, ist umstritten. Ebenso, inwiefern die Thronfolgeänderung auf das Konto Dudleys geht; wahrscheinlich ging sie vom jungen König aus.[3] Dudley geriet zusehends in Panik, wie er dem französischen Botschafter gestand: "Was würdet Ihr in meinem Falle tun?"[4] Knapp drei Wochen vor seinem Tod setzte Edward VI. mithilfe der einschüchternden Persönlichkeit Dudleys den Ausschluss Marias und Elisabeths von der Thronfolge durch.[5]

Sturz und Hinrichtung

Dudley forderte Prinzessin Elisabeth auf, Abschied vom sterbenden König zu nehmen. Diese befürchtete ihre Beseitigung und kam nicht nach London. Am 6. Juli 1553 starb Eduard VI. Dudley verheimlichte den Tod des Königs und sandte seine Truppen aus, um Maria Tudor zu verhaften, die sich ebenfalls geweigert hatte, ans Sterbebett ihres Bruders zu eilen. Dudley hatte jedoch zu lange gezögert,[6] und Maria war gewarnt und konnte sich deswegen rechtzeitig nach Norfolk zu den katholischen Howards in Sicherheit bringen. Am 9. Juli 1553 wurde Lady Jane Grey als Königin proklamiert.

Maria sammelte ihre Anhängerschaft und wurde am 10. Juli 1553 in Norfolk zur Königin ausgerufen. Dudley zog auf persönlichen Befehl Janes mit einem Heer nach Norfolk. Aber das Heer löste sich auf. Viele Soldaten desertierten und liefen zu Maria über. Das Volk war nicht bereit, die Legitimität Marias anzuzweifeln. Der Regentschaftsrat nutzte die Abwesenheit Dudleys zu dessen Sturz. Am 18. Juli 1553 wurde Dudley in Cambridge verhaftet, kurz zuvor hatte er selbst dort bereits Königin Maria proklamiert.[7]

Der Privy Council in London unterwarf sich Maria. Der Vater Janes, der Duke of Suffolk, riss das Staatswappen seiner Tochter herab und überließ sie ihrem weiteren Schicksal. Als Dudley in den Tower gebracht wurde, kam es zu spontanen Protesten gegen ihn, der von der wütenden und aufgebrachten Londoner Bevölkerung mit Steinen und Unrat beworfen wurde.[8] In dieser Zeit kursierte auch das Pamphlet The Epistle of Poor Pratte: „Der große Teufel Dudley herrscht (ich hätte Herzog sagen sollen).“[9] Nach seinem Prozess, bei dem seine bisherigen Ratskollegen über ihn zu Gericht saßen, kehrte er nach einer Aussprache mit Bischof Stephen Gardiner zum katholischen Glauben zurück.[10] Nach öffentlichen Reuebekundungen und einer geistreichen Ansprache auf dem Schafott wurde er am 22. August 1553 vor einer riesigen Menschenmenge auf dem Tower Hill enthauptet.[11]

John Dudley hinterließ zahlreiche Kinder. Guildford Dudley wurde am 12. Februar 1554 siebzehnjährig hingerichtet. Später, am selben Tag wurde auch die sechzehnjährige Jane Grey geköpft. Die anderen Söhne Dudleys wurden ebenfalls zum Tode verurteilt, aber nach achtzehn Monaten Haft freigelassen. Robert Dudley, 1. Earl of Leicester (1532–1588) war später der langjährige Favorit von Elisabeth I.

Wirtschaftspolitik

John Dudley verkörperte den im Hochadel sehr verbreiteten Typ des Grundstücksspekulanten, der sich schamlos an enteignetem Kirchenbesitz bereicherte.

Anna von Kleve schrieb 1550 an ihren Bruder: „Gott weiß, was als nächstes geschehen wird! Und alles wird in diesem Land so teuer, dass ich keine Ahnung habe, wie ich es schaffen soll, meinen Haushalt in Ordnung zu halten.“ 1551 erkannten Wirtschaftsexperten, dass die Preise sich nur stabilisieren können, wenn die seit 1544 verschlechterten Münzen aus dem Verkehr gezogen werden und durch - mit angemessenem Silbergehalt - neu geprägte Münzen ersetzt werden. Dudley gab die geplante Münzverbesserung vier Monate im Voraus bekannt. Aufgrund von Manipulationen kam es zu heftigen Preisanstiegen im Sommer 1551. Kurzzeitig nutzte Dudley die Vorteile der Münzverschlechterung, da diese Münzverschlechterung den Tuchhandel zwischen London und Antwerpen stimulierte. Dudley leitete jedoch nach der Herausgabe der neuen Münzen entschlossen die Stabilisierung der englischen Währung ein. Aufgrund dieser Maßnahmen konnte Elisabeth I. mit einer gefestigten Währung regieren.

John Dudley förderte die Seefahrt. 1552 gründete er eine Gesellschaft, die eine Expedition von Richard Chancellor ausrüstete. Chancellor sollte den nordöstlichen Seeweg nach Amerika entdecken. Er erreichte das Weiße Meer und ankerte bei Cholmogory (das heutige Archangelsk). Chancellor gelangte nach Moskau und schuf dort die Voraussetzungen für den englisch-russischen Handel. Aus der von Dudley gegründeten Gesellschaft bildete sich 1555 die Muscovy Company (Moskowitische Gesellschaft).

John Dudley versuchte, den Verfall der Flotte aufzuhalten. Dies gelang ihm nicht. Lediglich der Bau einer Werft bei Chatham an den Ufern des Medway ist seiner Initiative zu verdanken.

Literatur

  • Stephen Alford (2002): Kingship and Politics in the Reign of Edward VI. Cambridge University Press. ISBN 978-0-521-03971-0
  • Barrett L. Beer (1973): Northumberland: The Political Career of John Dudley, Earl of Warwick and Duke of Northumberland. Ohio: The Kent State University Press. ISBN 0-87338-140-8
  • Bärbel Brodt: Eduard VI. und Karl Heinz Metz Maria die Katholische. In: Englische Könige und Königinnen. Von Heinrich VII. bis Elisabeth II. Beck, München 1998, ISBN 3-406-43391-X.
  • Geoffrey R. Elton: England unter den Tudors. Callwey, München 1983, ISBN 3-7667-0683-7.
  • Dale Hoak: Edward VI (1537–1553). In: H. C. G. Matthew, Brian Harrison (Hrsg.): Oxford Dictionary of National Biography, from the earliest times to the year 2000 (ODNB), Oxford University Press, Oxford 2004, ISBN 0-19-861411-X, online, Stand: Januar 2008 (Lizenz erforderlich) (englisch) (nicht eingesehen) 
  • David Loades (1996): John Dudley, Duke of Northumberland 1504–1553. Oxford: Clarendon Press. ISBN 0-19-820193-1
  • Marita A. Panzer: Englands Königinnen - Von den Tudors zu den Windsors. Piper, München April 2003, ISBN 3-492-23682-0.
  • Ilan Rachum: Lexikon der Renaissance. Edition Atlantis, Lizenzausgabe für Atlantis Verlag Zürich, ISBN 3-7611-0725-0.

Weblinks

Anmerkungen und Nachweise

  1. Die rachedurstigen Grundherren besänftigte Dudley mit den Worten: "Is there no place for pardon? What shall we then do? Shall we hold the plough ourselves, play the carters and labour the ground with our own hands?": Hester Chapman, Lady Jane Grey, Jonathan Cape 1962 S. 63.
  2. „He is absolute master here“, kommentierte der kaiserliche Botschafter: Carolly Erickson: Bloody Mary: The Life of Mary Tudor BCA 1995 S. 251–252
  3. David Loades: Dudley, John, duke of Northumberland (1504–1553). In: H. C. G. Matthew, Brian Harrison (Hrsg.): Oxford Dictionary of National Biography, from the earliest times to the year 2000 (ODNB), Oxford University Press, Oxford 2004, ISBN 0-19-861411-X, online, Stand: Oktober 2008 (Lizenz erforderlich). gesehen am Expression-Fehler: Unerkanntes Wort „april“ (englisch)
  4. Hester Chapman: Lady Jane Grey Jonathan Cape 1962 S. 93
  5. Hester Chapman: Lady Jane Grey, Jonathan Cape 1962 S. 94–95
  6. Derek Wilson: Sweet Robin: A Biography of Robert Dudley Earl of Leicester 1533-1588 Hamish Hamilton 1981 S. 55-56
  7. Hester Chapman: Lady Jane Grey Jonathan Cape 1962 S. 148
  8. Hester Chapman: Lady Jane Grey Jonathan Cape 1962 S. 150–151
  9. "The great devil Dudley ruleth, Duke I should have said".
  10. Hester Chapman: Lady Jane Grey Jonathan Cape 1962 S. 165–166
  11. Hester Chapman: Lady Jane Grey Jonathan Cape 1962 S. 168–171
Vorgänger Amt Nachfolger
Titel neu geschaffen Earl of Warwick
1547–1553
John Dudley
Duke of Northumberland
1551–1553
Titel erloschen

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