Jorge Semprun

Jorge Semprun
Jorge Semprún 1970

Jorge Semprún (* 10. Dezember 1923 in Madrid) ist ein Schriftsteller spanischer Herkunft (vollständiger Name: Jorge Semprún y Maura). Sein literarisches Werk (meist in französischer Sprache geschrieben) ist gekennzeichnet vom Anschreiben gegen das Vergessen. Als ehemaliger Widerstandskämpfer in der französischen Résistance und gegen die Franco-Diktatur in Spanien ist er, trotz aller politischen Wandlungen, der Moral des kollektiven Widerstands treu geblieben. Er drückt in seinen überwiegend autobiografischen Schriften eine humane Anklage gegen die Grausamkeiten von Exil, Krieg und Deportation aus.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Jorge Semprún wuchs in einer großbürgerlichen und linksliberalen Familie zunächst in Madrid auf. Einer seiner Großväter war Antonio Maura, der unter Alfons XIII. fünfmal spanischer Ministerpräsident gewesen war. Beim Ausbruch des spanischen Bürgerkriegs 1936 ging er mit seiner Familie ins Exil. Der Weg ins Exil führte über ein Dorf bei Lourdes in die Niederlande, wo sein Vater Botschafter der Spanischen Republik in Den Haag war. Nach dem Sieg des Franco-Regimes Anfang 1939 ging die Familie nach Paris. Nach dem Abitur am Gymnasium Henri IV begann Semprún an der Pariser Universität Sorbonne mit dem Studium der Philosophie.

Er trat 1941 der kommunistischen Résistance-Organisation Francs-Tireurs et Partisans bei und wurde ein Jahr später Mitglied der Kommunistischen Partei Spaniens (PCE). Bei seiner Arbeit im Untergrund gegen die deutschen Besatzer wurde Semprún 1943 von der Gestapo verhaftet und nach Verhören und Folter im Januar 1944 in das Konzentrationslager Buchenwald deportiert. Da er vor der Verhaftung bereits im Exil gelebt hatte, erkannte ihn das spanische Regime von Franco nicht als spanischen Staatsbürger an. So wurde er als Staatenloser erfasst. Semprún nahm die spanische Staatsbürgerschaft nach der Demokratisierung Spaniens wieder an. Im KZ Buchenwald beteiligte er sich am lagerinternen, von den Kommunisten aufgebauten Widerstand. Nach der Befreiung des KZ Buchenwald kehrte er nach Paris zurück.

Von 1953 bis 1962, durch mehrere unerlaubte Aufenthalte in Spanien, koordonierte Semprún (unter Decknamen wie „Federico Sanchez“ oder „Juan Larrea“) die geheime Tätigkeit der PCE gegen das Franco-Regime. Im Jahre 1954 wurde er Mitglied des Zentralkomitees der Partei, 1956 im Politbüro. Doch wurde er 1964 wegen „parteischädigenden Verhaltens“ aus der Exil-PCE ausgeschlossen. Vorangegangen waren Linienkämpfe zwischen den stalinistischen und den eher undogmatischen Strömungen innerhalb der PCE. Zu diesem Zeitpunkt hatte Semprún seine Hoffnungen in den Kommunismus als tragfähiges System bereits verloren.

Von der Regierung Felipe González wurde er 1988 zum Kulturminister berufen; als Parteiloser übte er das Amt bis zum Jahr 1991 aus.

Jorge Semprún lebt heute in Paris. Er ist Vater des Essayisten Jaime Semprun.

Werk

1963 veröffentlichte er sein erstes Buch, Die große Reise, für das er mit dem Prix Formentor ausgezeichnet wurde. Semprún begann so seine Karriere als Schriftsteller und Publizist. Er veröffentlichte weitere Bücher und schrieb Drehbücher, z. B. für den Film Der Krieg ist aus (1966), für den Politthriller Z (1968) über das griechische Militärregime und für Das Geständnis (1979).

Semprúns Werke sind meist mehr oder weniger stark autobiographisch gefärbt und verarbeiten in der einen oder anderen Form das Grauen des Konzentrationslagers beziehungsweise seine Erfahrungen als Mitglied der Kommunistischen Partei Spaniens während der Franco-Diktatur. Dabei besteht er aber darauf, dass Einzelheiten und Personen durchaus fiktiv sein können. Dazu kommt, dass er stark mit literarischen Anspielungen arbeitet, so dass literarische Fiktion und autobiographische Wahrheit untrennbar miteinander verwoben bleiben.

Semprún schreibt fast alle Bücher auf Französisch, bis auf die Titel Autobiografía de Federico Sánchez (1977) und Veinte años y un día (2003). Diese Haltung wird in fast allen Romanen und Büchern problematisiert.

Auszeichnungen

Neben weiteren Auszeichnungen erhielt er 1994 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Seit 1996 ist er Mitglied der Académie Goncourt. 1997 wurde er mit dem Jerusalempreis für die Freiheit des Individuums in der Gesellschaft, 2003 mit der Goethe-Medaille, 2004 für seinen Roman Veinte años y un día (Zwanzig Jahre und ein Tag) mit dem spanischen Lara-Literaturpreis ausgezeichnet. Semprun wurde des Weiteren der Österreichische Staatspreis für Europäische Literatur 2006 verliehen. Am 25. Mai 2007 erhielt er die Ehrendoktorwürde der Universität Potsdam.

Werke im Einzelnen

  • Die große Reise, Paris, 1963, dt. 1965 (Ü. Abelle Christaller)
  • Die Ohnmacht, Paris 1967, dt. 2001 (Ü. Eva Moldenhauer)
  • Der zweite Tod des Ramón Mercader, Paris, 1969, dt. 1974 (Ü. Gundl Steinmetz).
  • Vorwort zu Fernando Claudin, Die Krise der Kommunistischen Bewegung, herausgegeben von Ulf Wolter, Berlin 1977/78
  • Federico Sánchez. Eine Autobiographie, Barcelona 1977, dt. 1978 (Ü. Heide Mahler-Knirsch)
  • Was für ein schöner Sonntag!, Paris, 1980, dt. 1981 (Ü. Johannes Piron).
  • Algarabía oder Die neuen Geheimnisse von Paris, Paris, 1981, dt. (gekürzt) 1985 (Ü. Traugott König und Christine Delory-Momberger)
  • Der weiße Berg, Paris, 1986, dt. 1987 (Ü. Eva Moldenhauer)
  • Netschajew kehrt zurück, Paris 1987, dt. 1989 (Ü. Eva Moldenhauer)
  • Federico Sánchez verabschiedet sich, Paris 1993, dt.1994 (Ü. Wolfram Bayer)
  • Schreiben oder Leben, Paris, 1994, dt. 1995 (Ü. Eva Moldenhauer)
  • Unsre allzu kurzen Sommer, Paris 1998. dt. 1999 (Ü. Eva Moldenhauer)
  • Der Tote mit meinem Namen, Paris, 2002, dt. 2003 (Ü. Eva Moldenhauer))
  • Zwanzig Jahre und ein Tag, Barcelona 2003, dt. 2005 (Ü. Elke Wehr)
  • Blick auf Deutschland, 2003 (Ü. Michi Strausfeld)
  • Was es heißt, Europäer zu sein (zus.m. Dominique de Villepin), Paris 2005, dt. 2006
  • Philosophie als Überlebenswissenschaft. - Potsdam: Universitätsverlag, 2007

Filmographie

  • 1966 Der Krieg ist vorbei (La guerre est finie) (Drehbuch, Romanvorlage, Darsteller), Regie: Alain Resnais
  • 1968 Z
  • 1969 Das Geständnis (Drehbuch), Regie: Constantin Costa-Gavras
  • 1972 Das Attentat (Drehbuch), Regie: Yves Boisset
  • 1974 Stavisky (Drehbuch), Regie: Alain Resnais
  • 1975 Sondertribunal - jeder kämpft für sich allein (Drehbuch), Regie: Constantin Costa-Gavras
  • 1976 Die Frau am Fenster (Une femme à sa fenêtre) (Drehbuch nach einer Romanvorlage von Pierre Drieu la Rochelle), Regie: Pierre Granier-Deferre
  • 1978 Straßen nach Süden (Les routes du sud) (Drehbuch), Regie: Joseph Losey
  • 1991 Rückkehr eines Toten (Netchaiev est de retour) (Drehbuch, Romanvorlage), Regie: Jacques Deray
  • 1994 Affaire Dreyfus (Drehbuch), Regie: Yves Boisset
  • 1997 K - das Zeichen des Bösen (Drehbuch)

Literatur

  • Augstein, Franziska Von Treue und Verrat - Jorge Sumprún und sein Jahrhundert', München 2008 ISBN 978-3-406-57768-0
  • Wilfried F. Schoeller Jorge Semprun München: Text & Kritik 2006 ISBN 3-88377-832-X
  • Monika Neuhofer: "Écire un seul livre, sans cesse renouvelé". Jorge Sempruns literarische Auseinandersetzung mit Buchenwald, Frankfurt am Main 2006, ISBN 3-465-03501-1
  • Ulrike Vordermark: Das Gedächtnis des Todes. Die Erfahrung des Konzentrationslagers Buchenwald im Werk Jorge Semprúns (= Europäische Geschichtsdarstellungen 17). Böhlau Verlag: Köln 2008. ISBN 978-3-412-20145-6

Weblinks


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