Jorge Semprún

Jorge Semprún

Jorge Semprún Maura (* 10. Dezember 1923 in Madrid; † 7. Juni 2011 in Paris) war ein spanischer Schriftsteller.

Sein literarisches Werk (meist in französischer Sprache geschrieben) ist gekennzeichnet vom Anschreiben gegen das Vergessen. Als ehemaliger Widerstandskämpfer in der französischen Résistance und gegen die Franco-Diktatur in Spanien blieb er, trotz aller politischen Wandlungen, der Moral des kollektiven Widerstands treu und brachte in seinen überwiegend autobiografischen Schriften eine humane Anklage gegen die Grausamkeiten von Exil, Krieg und Deportation zum Ausdruck.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Jorge Semprún (2009)

Jorge Semprún wuchs in einer großbürgerlichen und linksliberalen Familie zunächst in Madrid auf. Sein Großvater mütterlicherseits, Antonio Maura, war unter Alfons XIII. fünfmal spanischer Ministerpräsident gewesen. Beim Ausbruch des spanischen Bürgerkriegs 1936 ging Semprúns Familie ins Exil. Der Weg dorthin führte über ein Dorf bei Lourdes in die Niederlande, wo sein Vater Botschafter der spanischen Republik in Den Haag war. Nach dem Sieg des Franco-Regimes Anfang 1939 ging die Familie nach Paris, wo Semprún am Lycée Henri IV sein Abitur ablegte und an der Pariser Universität Sorbonne mit dem Studium der Philosophie begann.

Er trat 1941 der kommunistischen Résistance-Organisation Francs-tireurs et partisans bei und wurde ein Jahr später Mitglied der Kommunistischen Partei Spaniens (PCE). Bei seiner Arbeit im Untergrund gegen die deutschen Besatzer wurde Semprún 1943 in Auxerre von der Gestapo verhaftet und nach Verhören und Folter im Januar 1944 in einem Viehwaggon in das Konzentrationslager Buchenwald deportiert. Im KZ Buchenwald beteiligte er sich am lagerinternen, von den Kommunisten aufgebauten Widerstand. Da Semprún vor der Verhaftung bereits im Exil gelebt hatte, erkannte ihn das faschistische Regime Francos nicht als spanischen Staatsbürger an. So wurde er als Staatenloser erfasst. Semprún nahm die spanische Staatsbürgerschaft nach der Demokratisierung Spaniens wieder an. Nach der Befreiung des KZ Buchenwald kehrte er nach Paris zurück. Die Deportation und die Gefangenschaft verarbeitete er später in den Romanen Die große Reise (1963) und Was für ein schöner Sonntag! (1980).

Von 1953 bis 1962, im Zuge mehrerer unerlaubter Aufenthalte in Spanien, koordinierte Semprún (unter Decknamen wie Federico Sanchez oder Juan Larrea) die geheime Tätigkeit des PCE gegen das Franco-Regime. Im Jahre 1954 wurde er Mitglied des Zentralkomitees der Partei, 1956 im Politbüro. Doch wurde er 1964 wegen „parteischädigenden Verhaltens“ aus dem Exil-PCE ausgeschlossen. Vorangegangen waren Linienkämpfe zwischen den stalinistischen und den eher undogmatischen Strömungen innerhalb des PCE.

Von der Regierung Felipe González wurde er 1988 zum Kulturminister berufen; als Parteiloser übte er das Amt bis zum Jahr 1991 aus.

Jorge Semprún verstarb am 7. Juni 2011 in Paris. Der Essayist Jaime Semprun war sein Sohn.

Werk

1963 veröffentlichte Semprún sein erstes Werk, Die große Reise, das mit dem Prix Formentor ausgezeichnet wurde, und begann eine Karriere als Schriftsteller und Publizist. Neben weiteren Romanen schrieb er auch Drehbücher, z. B. für den Film Der Krieg ist aus (1966), für den Politthriller Z (1968) über das griechische Militärregime und für L’Aveu (deutsch: Das Geständnis) von Costa Gavras (1970).

Semprúns Werke sind durchweg geprägt von den Erinnerungen an das Konzentrationslager und von seinen Erfahrungen als Mitglied der Kommunistischen Partei Spaniens während der Franco-Diktatur. Dabei besteht der Autor aber darauf, dass Einzelheiten und Personen fiktiv sein können. Literarische Anspielungen bewirken zudem, dass Fiktion und autobiographische Wirklichkeit ununterscheidbar bleiben.

Semprún verfasste seine Werke auf Französisch; Ausnahmen waren die Titel Autobiografía de Federico Sánchez (1977) und Veinte años y un día (2003).

Auszeichnungen

Neben weiteren Auszeichnungen erhielt er 1994 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Seit 1996 war er Mitglied der Académie Goncourt. 1997 wurde er mit dem Jerusalempreis für die Freiheit des Individuums in der Gesellschaft, 2003 mit der Goethe-Medaille, 2004 für seinen Roman Veinte años y un día (Zwanzig Jahre und ein Tag) mit dem spanischen Lara-Literaturpreis ausgezeichnet. Semprún wurde des Weiteren der Österreichische Staatspreis für Europäische Literatur 2006 verliehen, und 2007 erhielt er die Ehrendoktorwürde der Universität Potsdam.[1]

Werke

  • Die große Reise. Paris 1963; dt. 1964 (Übersetzung aus dem Französischen: Abelle Christaller. Originaltitel: Le grand voyage.).
  • Die Ohnmacht. Paris 1967; dt. 2001 (Übersetzung aus dem Französischen: Eva Moldenhauer. Originaltitel: L’évanouissement.).
  • Der zweite Tod des Ramón Mercader. Paris 1969; dt. 1974 Übersetzung aus dem Französischen: Gundl Steinmetz. Suhrkamp Taschenbuch, Frankfurt am Main 1979, ISBN 3-518-37064-2 Originaltitel: (La deuxième mort de Ramón Mercader.).
  • Vorwort zu Fernando Claudin: Die Krise der Kommunistischen Bewegung. Herausgegeben von Ulf Wolter. Berlin 1977/1978.
  • Federico Sánchez. Eine Autobiographie. Barcelona 1977; dt. 1978 (Übersetzung: Heide Mahler-Knirsch).
  • Was für ein schöner Sonntag! Paris 1980; dt. 1981 (Übersetzung aus dem Französischen: Johannes Piron. Originaltitel: Quel beau dimanche!).
  • Algarabía oder Die neuen Geheimnisse von Paris. Paris 1981; dt. (gekürzt) 1985 (Übersetzung aus dem Französischen: Traugott König und Christine Delory-Momberger).
  • Montand, la vie continue. Paris 1983, ISBN 2-207-22876-2.
    dt: Yves Montand, das Leben geht weiter. Frankfurt am Main 1984, ISBN 3-458-14144-8 / 1986, ISBN 3-518-37779-5. (Übersetzung: Uli Aumüller).
  • Der weiße Berg. Paris 1986; dt. 1987 (Übersetzung aus dem Französischen: Eva Moldenhauer. Originaltitel: La montagne blanche.).
  • Netschajew kehrt zurück. Paris 1987; dt. 1989 (Übersetzung aus dem Französischen: Eva Moldenhauer. Originaltitel: Netchaïev est de retour.).
  • Federico Sánchez verabschiedet sich. Paris 1993; dt. 1994 (Übersetzung aus dem Französischen: Wolfram Bayer. Originaltitel: Federico Sánchez vous salue bien.).
  • Schreiben oder Leben. Paris 1994; dt. 1995 (Übersetzung aus dem Französischen: Eva Moldenhauer. Originaltitel: L’écriture ou la vie.).
  • Unsre allzu kurzen Sommer. Paris 1998; dt. 1999 (Übersetzung aus dem Französischen: Eva Moldenhauer. Originaltitel: Adieu, vive clarté...).
  • Der Tote mit meinem Namen. Paris 2002; dt. 2003 (Übersetzung aus dem Französischen: Eva Moldenhauer. Originaltitel: Le mort qu'il faut.).
  • Zwanzig Jahre und ein Tag. Barcelona 2003; dt. 2005 (Übersetzung aus dem Spanischen: Elke Wehr. Originaltitel: Veinte años y un día.).
  • Blick auf Deutschland. Frankfurt am Main 2003 (Übersetzung: Michi Strausfeld).
  • Was es heißt, Europäer zu sein. (Zusammen mit Dominique de Villepin). Paris 2005; dt. 2006 (Übersetzung aus dem Französischen: Michael Hein. Originaltitel: L’homme européen.).
  • Philosophie als Überlebenswissenschaft. Potsdamer Universitätsreden 6. Universitätsverlag Potsdam 2007. (Übersetzung: Michi Strausfeld). [2]

Filmografie

  • 1966 Der Krieg ist vorbei (La guerre est finie.) (Drehbuch, Romanvorlage, Darsteller). Regie: Alain Resnais
  • 1968 Z (Drehbuch). Regie: Costa-Gavras
  • 1969 Das Geständnis. (Drehbuch). Regie: Costa-Gavras
  • 1972 Das Attentat. (Drehbuch). Regie: Yves Boisset
  • 1974 Stavisky. (Drehbuch). Regie: Alain Resnais
  • 1974 Les deux mémoires. Drehbuch und Regie: Jorge Semprún
  • 1975 Sondertribunal – Jeder kämpft für sich allein. (Drehbuch). Regie: Constantin Costa-Gavras
  • 1976 Die Frau am Fenster. (Une femme à sa fenêtre.) (Drehbuch, nach einer Romanvorlage von Pierre Drieu la Rochelle). Regie: Pierre Granier-Deferre
  • 1978 Straßen nach Süden. (Les routes du sud.) (Drehbuch). Regie: Joseph Losey
  • 1991 Rückkehr eines Toten. (Netchaiev est de retour) (Drehbuch, Romanvorlage). Regie: Jacques Deray
  • 1994 Affaire Dreyfus. (Drehbuch). Regie: Yves Boisset
  • 1997 K – das Zeichen des Bösen. (Drehbuch)

Literatur

Weblinks

 Commons: Jorge Semprún – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität Potsdam, Potsdam 2007. Abgerufen am 12. Januar 2011.
  2. Sempruns Rede zur Verleihung der Ehrendoktorwürde Philosophie als Überlebenswissenschaft. Bei der Universität Potsdam. Abgerufen am 12. Januar 2011.

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