Julius Spohn

Julius Spohn
Portraitrelief des Mäzens Julius Spohn an einer Gedenktafel der Stadt Ravensburg im Spohn-Gymnasium Ravensburg
Familiengrab Spohn auf dem Hauptfriedhof Ravensburg. Die Grabplatte für Julius Spohn ist im rechten Flügel des Grabmals die zweite von links.

Julius Spohn (* 31. Juli 1841 in Ravensburg; † 16. Oktober 1919 ebenda) war ein württembergischer Mäzen, Textil- und Zementunternehmer.

Inhaltsverzeichnis

Unternehmer

Textilien

1866 übernahm Julius Spohn gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Georg (1843-1886) die von ihrem Vater Christian Paul Spohn (1803-1884) 1832/33 in Ravensburg gegründete Florettseiden- und Leinenspinnerei „Gebrüder Spohn“. 1904 verlagerte Julius Spohn die Produktion aus Ravensburg in das verkehrsgünstige Neckarsulm (Neckarhafen). Dort errichtete er eine moderne Jutespinnerei, deren Leitung 1919 sein Sohn Richard Spohn (1880-1959) übernahm. Ab 1922 war das Werk Necharsulm ein Zweigwerk der Vereinigte Jutespinnereien und Webereien AG mit Sitz in Hamburg und Mannheim[1]. Nachdem sich das Unternehmen von der Rezession der Textilindustrie in den 1970er Jahren nicht mehr erholte, wurde die Produktion 1986 eingestellt.

Zement

Portland-Zement Blaubeuren Gebrüder Spohn AG

Julius Spohn war außerdem gemeinsam mit seinem Bruder Georg und dem örtlichen Gastwirt Albert Ruthardt der Gründer der Zementwerke „Spohn & Ruthard“ in Blaubeuren. 1875 wurde das Zementwerk fertiggestellt. Den ersten Zement lieferte man nach Ravensburg zum Ausbau der Spinnerei der Familie Spohn. Zunächst machte das Unternehmen jedoch wirtschaftliche Verluste, so dass Ruthardt aus der Firma ausschied. Ab 1887 konnte die „Cementfabrik Blaubeuren Gebrüder Spohn“ dann Portlandzement gewinnbringend und in guter Qualität herstellen. Im Oktober 1900 übergab Julius Spohn die Leitung des Blaubeurener Zementwerks an seinen Sohn Dr.-Ing. Georg Spohn (1870-1948).

Angesichts des durch verschärfter Konkurrenz andauernden Preisverfalls und zugleich anstehenden Neuinvestionen in Mahlwerke und Öfen, gründete der Blaubeurer Betrieb 1903 mit den anderen 25 süddeutschen Zementwerken ein Kartell, die „Süddeutsche Cement-Verkaufstelle GmbH“ mit Sitz in Heidelberg.

Im folgenden Jahr wandelten Julius Spohn und seine Sohn Georg ihr Zementwerk in eine Aktiengesellschaft um, die „Portland-Zement Blaubeuren Gebrüder Spohn AG“. Diese wurde 1938 mehrheitlich von der „Portland-Zementwerke Heidelberg AG“ übernommen, der späteren „HeidelbergCement AG“. Aber erst 1966 erfolgte die gänzliche Integration des Zementwerks Blaubeuren in den Heidelberger Zementkonzern. 1998/99 wurde das unrentabel gewordenen Zementwerks ersatzlos durch die HeidelbergCement AG abgebrochen.

Die Blaubeurer Zementfabrik der Familie Spohn bildete den Grundstein des Baustoffzweigs der Merckle-Gruppe.[2] Die Unternehmerfamilie Spohn tauschte die Anteile an ihrem Zementwerk in eine Minderheitsbeteiligung an der „Portland-Zementwerke Heidelberg AG“ (heute „HeidelbergCement AG“) um. Nachdem eine Enkelin von Julius Spohn, Luise Spohn († 13. Dezember 1984 in Blaubeuren), Ludwig Merckle (Senior) geheiratet hatte, gelangte dieses Aktienpaket in den Besitz der aus Aussig (heute Ústí nad Labem in Böhmen, Tschechien) stammenden Unternehmerfamilie Merckle. Der Sohn von Ludwig Merckle und Luise Spohn, Adolf Merckle, baute diese Beteiligung 2005 zu einer Aktienmehrheit bei der „HeidelbergCement AG“ aus.

Mäzen

1896/97 unterstützte Julius Spohn finanziell wesentlich den von ihm mitinitiierten Bau eines Konzerthauses in Ravensburg im Stil des Neobarock nach Plänen der Wiener Theaterarchitekten Fellner & Helmer, das heute als bedeutendstes Ravensburger Baudenkmal aus dem späten 19. Jahrhundert gilt.[3]

Nordportal des „Spohnschlössles“ in Ravensburg (ehem. Wohnhaus Julius Spohn, heute Teil des Welfen-Gymnasiums)

1912 konnte der damalige Ravensburger Oberbürgermeister Andreas Reichle Julius Spohn zu einer Stiftung zum Bau eines neuen Schulgebäudes bewegen, das bis 1914 auf 8000 m² ehemaligen Spohnschen Grundstücken nach Entwurf des Heilbronner Architekten Adolf Braunwald errichtet wurde und seit den 1930er Jahren Spohn-Gymnasium heißt. Julius Spohn finanzierte auch eine Sternwarte im neuen Schulgebäude für fast 5.000 Mark (nach anderen Angaben 30.000 Goldmark). Der 1914 von Zeiss (Jena) bezogene Refraktor hatte einen Linsendurchmesser von 110 mm und eine Brennweite von 164 cm (2004 ersetzt durch Spiegelteleskop).[4]

Das ehemalige Wohnhaus von Julius Spohn in Ravensburg („Spohnschlössle“) ist heute Teil des Welfengymnasiums. Julius Spohn, der an technischen Neuheiten interessiert war, soll im Spohnschlössle den ersten Telefonanschluss in Württemberg gehabt haben.[5] 1897 wurde er Mitglied des „Vereins für vaterländische Naturkunde in Württemberg“.[6]

Julius Spohn zählte außerdem zu den Darlehensgebern für den 1911–1913 erfolgten Bau des ersten Heilbronner Stadttheaters.

Ehrungen

Kommerzienrat Julius Spohn wurde 1897 zum Ehrenbürger von Ravensburg ernannt. Mit Gemeinderatsbeschluss vom 12. Juli 1906 wurde Julius Spohn und fünf weitere Persönlichkeiten auch Ehrenbürger der Gemeinde Ilsfeld im Landkreis Heilbronn, wegen seiner Verdienste um den Wiederaufbau des Ortes nach dem großen Brand von 1904.

Familie

Julius Spohn heiratete 1868 mit die aus Biberach an der Riß stammende Apothekerstochter Luise Heiß (1845-1900). Sie brachte eine erhebliche Mitgift mit in die Ehe. Das Ehepaar hatte sieben Kinder. Dazu gehörten:

  • Georg Spohn (1870-1948): Zementunternehmer;
  • Hermann Spohn (1876-1923): Gründete die Karosseriebaufirma „Hermann Spohn“;
  • Richard Spohn (1880-1959): Textilunternehmer.

1886 verstarb Julius Spohns Bruder Georg nur drei Jahre nach seiner Frau Auguste. Einem Versprechen gemäß, nahm Julius Spohn die nun zu Vollwaisen gewordenen acht Kinder seines Bruders zu den sieben eigenen in seiner Villa auf.

Literatur

  • Alfred Lutz: Julius Spohn, Industrieller, Mäzen. In: Maria Magdalena Rückert (Hrsg. im Auftrag der Kommission für geschichtliche Landeskunde): Württembergische Biographien, Bd. I, S. 264–266. Stuttgart: W. Kohlhammer, 2006, ISBN 978-3-17-018500-5;
  • Thilo Pflugfelder: Ein früher Spo(h)nsor : der Fabrikant Julius Spohn und seine Familie. In: Um Mehlsack und Martinsberg: Geschichten zur Geschichte des Schussentals. Biberach an der Riß: Biberacher Verlags-Druckerei, 1991, S. 170–178;
  • Georg Spohn: Geheimer Kommerzienrat Julius Spohn, Inhaber der Firma Gebrüder Spohn in Ravensburg, Blaubeuren und Neckarsulm. Stuttgart: W. Kohlhammer, 1922 (6 Seiten; nicht im Handel erschienen);
  • Ulrich Viehöver: "Die Einflussreichen - Henkel, Otto und Co. - Wer in Deutschland die Macht hat", Campus Verlag, Frankfurt am Main/ New York 2006, S.35ff., ISBN 978-3-593-37667-7.

Weblinks

 Commons: Julius Spohn – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen und Einzelnachweise

  1. Dieser Zusammenschluss mehrerer Textilunternehmen gehörte zum sogenannten „Blumenstein-Konzern“ um den jüdischen Unternehmer Julius Blumenstein und dessen Brüder. Quelle: Jacob Toury, Peter Zimmermann: Jüdische Textilunternehmer in Baden-Württemberg, 1683-1938, Verlag Mohr Siebeck, 1984, ISBN 9783167448243 .
  2. Ulrich Viehöver: Die einflussreichen: Henkel, Otto und Co - wer in Deutschland Geld und macht hat. Campus Verlag, 2006, ISBN 9783593376677, S. 11–48.
  3. Alfred Lutz: Vom Handelslehrling zum Großindustriellen. Aufstieg, Repräsentation und Mäzenatentum der Ravensburger Familie Spohn 1765-1919. (pdf). Stadt und Bürgertum im Bodenseeraum. Stadtarchiv Dornbirn. Archiviert vom Original am 25. April 2011. Abgerufen am 25. April 2011.
  4. Carsten Przygoda (2008): Wie alles begann. ratt-rv.de. Archiviert vom Original am 25. April 2011. Abgerufen am 25. April 2011.
  5. Helmut Wagner: Renovierung und Modernisierung der Sternwarte. Jahrbuch. Spohn-Gymnasium. Archiviert vom Original am 25. April 2011. Abgerufen am 25. April 2011.
  6. Jahreshefte des Vereins für vaterländische Naturkunde, 53. Jg, 1897.

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