Jérôme Kerviel

Jérôme Kerviel

Jérôme Kerviel (* 11. Januar 1977 in Pont-l’Abbé, Finistère, Frankreich) ist ein ehemaliger Mitarbeiter der französischen Großbank Société Générale, der im Januar 2008 als Händler im Eigenhandel hohe Verluste verursachte.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Kerviel machte an der Universität Lyon II seinen Master für Finanzmärkte (franz. master en finance de marché). Im August 2000 nahm er bei Société Générale in der Division Corporate & Investment Banking (SG CIB) seine Arbeit auf. Seit 2005 arbeitete Kerviel in der für Arbitrage zuständigen Gruppe der Société Générale.

Verursachung der Krise bei der Société Générale

Laut internationalen Pressemeldungen vom Januar 2008 wird er beschuldigt, dem Kreditinstitut mit Spekulationsgeschäften einen Verlust von 4,82 Milliarden Euro verursacht zu haben.[1] Insgesamt soll er ohne Genehmigung Handelspositionen im Wert von 50 Milliarden Euro aufgebaut haben.[2] Die Hintergründe und Verantwortlichkeiten sind noch Gegenstand von Ermittlungen.

Gegen Kerviel wird seit Ende Januar 2008 von den Untersuchungsrichtern Renaud van Ryumbecke und Françoise Desset ermittelt. Ihm wurde dabei Vertrauensbruch, Fälschung und Benutzung von Fälschungen und Einbruch in ein Informationssystem vorgeworfen. Es ist ihm bis zum Abschluss des Verfahrens gerichtlich verboten, in der Finanzbranche zu arbeiten.

Seit seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft im April 2008 arbeitet er bei einer Computerfirma.[3]

Ein im Auftrag der Société Générale erstellter Bericht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers kam zu dem Schluss, dass Kerviel – entgegen ursprünglichen Aussagen der Bank – kein Einzeltäter war, sondern bei seinen Manipulationen durch einen Assistenten unterstützt wurde. Eine Mitwisserschaft von Vorgesetzten konnte bei dieser Untersuchung nicht nachgewiesen werden. Ihnen werden jedoch Versäumnisse bei der Überwachung von Kerviels Handelstätigkeit vorgeworfen.[4]

Seit dem 8. Juni 2010 muss sich Kerviel jedoch allein vor Gericht verantworten: Société Générale wurde lediglich verwarnt und musste eine Geldbuße von vier Millionen Euro zahlen. Der Vorwurf gegen Kerviel lautet hingegen, dass er eigenmächtige Milliardenspekulationen durchgeführt habe sowie unbefugt in Computersysteme eingedrungen sei. Außerdem wird ihm Fälschung vorgeworfen. Im Falle einer Verurteilung droht Kerviel neben einer Haftstrafe von maximal fünf Jahren eine Geldbuße von 375.500 Euro. Wesentliche strafrechtliche Vorwürfe sind Untreue und Urkundenfälschung.[5] Vor Prozessbeginn enthüllte Kerviel Details in einem Buch.[6]

Am 5. Oktober 2010 wurde er von einem französischen Gericht in Paris erstinstanzlich zu fünf Jahren Haft, davon zwei ausgesetzt zur Bewährung, wegen Veruntreuung, Fälschung und betrügerischer Manipulation verurteilt. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass Kerviel die Spekulationen eigenmächtig durchführte und es so zu den Milliardenverlusten kam. Außerdem wurde er zu einer Rückzahlung von 4,9 Milliarden Euro an seinen ehemaligen Arbeitgeber Société Générale verurteilt. Kerviels Anwalt Olivier Metzner kündigte an, in Berufung zu gehen.[7][8]

Gesellschaftliche Reaktionen in Frankreich, Comic

In einer Umfrage im Februar 2008 sahen 77 Prozent der Franzosen Kerviel eher als Opfer denn als Täter. Für viele Franzosen stellt Kerviel einen Antihelden dar, dem es gelang, elitäre Banker der Société Generale an der Nase herumzuführen. Im Verlag Thomas Jeunesse von Francois-Xavier Thomas erschien von Lorentz und Nicolas Million das Comic Das Tagebuch des Jérôme Kerviel, eine Mischung aus Realität und Fiktion, der es weniger um eine Kritik an Kerviel, sondern am Finanzsystem geht. Der Verleger des Comic-Verlags erklärte, dass auch er aus persönlichen Gründen nicht gut auf die Banken zu sprechen sei: „Alle haben sie sich geweigert uns in der Startphase einen Kredit zu geben, einschließlich der Société Générale.“ Sie seien nicht bereit gewesen, ein Risiko einzugehen. Ironischerweise zeige der Kerviel-Skandal, dass dieselben Banken erhebliches Kapital bei gewagten Finanztransaktionen aufs Spiel gesetzt hätten.[9]

Siehe auch

  • Nick Leeson verursachte 1995 durch Spekulationen den Zusammenbruch der Barings Bank.
  • Yasuo Hamanaka verursachte einen Verlust durch Spekulation von 1,6 Milliarden Dollar.
  • Kweku Adoboli ist angeschuldigt, einen Verlust von 2,3 Milliarden Dollar durch unerlaubte Spekulationen bei der UBS London verursacht zu haben

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Jérôme allmächtig, Die ZeitNr. 06/2008 vom 31. Januar 2008.
  2. Reuters, Bloomberg: Zeichentrickser, in der Financial Times Deutschland vom 25. September 2008, Seite 32
  3. http://www.iht.com/articles/2008/04/25/business/socgen.php
  4. Vorgesetzte von Kerviel trifft Mitschuld: Artikel von ftd.de am 26. Mai 2008
  5. Ex-Händler Kerviel kommt vor Gericht, Manager Magazin online vom 1. September 2009.
  6. Enthüllungsbuch von Jérôme Kerviel, spiegel online vom 2. Mai 2010
  7. Börsenzocker Kerviel soll Milliarden zurückzahlen in: Spiegel Online vom 5. Oktober 2010
  8. Gericht spricht Jerome Kerviel schuldig in: Handelsblatt vom 5. Oktober 2010
  9. Reuters, Bloomberg: Zeichentrickser, in der Financial Times Deutschland vom 25. September 2008, Seite 32

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