Jüdische Gemeinde Fellheim

Jüdische Gemeinde Fellheim

Die Jüdische Gemeinde Fellheim war eine von 1716 bis 1942 bestehende jüdische Gemeinde im oberschwäbischen Fellheim im Landkreis Unterallgäu in Bayern.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Rathaus von Fellheim - Ehemalige jüdische Schule

Nach dem Dreißigjährigen Krieg erlaubte Freiherr Phillip Bernhard von Reichlin-Meldegg den Zuzug von Juden nach Fellheim. 1716 wurde Marx Nissont als Rabbiner von der Gemeinde angestellt. Er war Vorsänger, Religions- und Elementarlehrer, Gemeindeschreiber und Schächter. 1738 wurde auf dem heutigen Grundstück Memminger Straße 17 eine Synagoge erbaut. Später kam noch ein jüdischer Friedhof hinzu. Davor gab es für die jüdischen Familien einen Betsaal. 1794 wurde eine Mikwe, ein Gebäude für das rituelle Tauchbad der Gemeinde, errichtet und 1836 eine jüdische Schule (Memminger Straße 44), in der heute das Rathaus seinen Sitz hat. Des Weiteren gab es eine rituelle Metzgerei in der Memminger Straße 16. Die Wohnhäuser der jüdischen Familien befanden sich im südwestlichen Teil des Dorfes. Die Häuser sind noch heute an ihrem allgemeinen Erscheinungsbild, einer geringen Grundfläche und dichten oftmals zusammenhängenden Bebauung, erkennbar.

Bis 1806 gehörte Fellheim dem Adelshaus der Reichsfreiherrn von Reichlin-Meldegg. Anfang des 19. Jahrhunderts wurde die Höchstzahl an jüdischen Einwohnern mit etwa 500 Personen erreicht. Die jüdische Gemeinde gehörte zum Bezirksrabbinat von Augsburg. Danach fand eine Aus- und Abwanderung der jüdischen Gemeinde statt. 1910 wurden noch 22 jüdische Einwohner gezählt, fünfzehn Jahre später 1925 noch 20. Nach 1933 konnten, allerdings erst in den Jahren 1938 bis 1941 12 jüdische Einwohner auswandern. Die letzten 14 wurden 1942 deportiert.

Pogrom vom 10. November 1938

Während des Pogroms am 10. November 1938 kamen circa vierzig Männer in drei Lastautos aus dem benachbarten Boos nach Fellheim. Sie drangen in die Synagoge ein und zerschlugen einen Teil der Inneneinrichtung. Danach entwendeten sie die Gegenstände für Ritus und Kult, zehn alte Torarollen und einen Toramantel aus dem 18. Jahrhundert und verbrannten diese auf dem Rückweg nach Boos. Zur Unterstützung der geplanten Aktion kamen zusätzlich SS-Leute aus dem nahen Memmingen nach Fellheim. Die SS-Leute zerstörten den Rest des Inventars und beschädigten den Toraschrein schwer. Einige Dorfbewohner beteiligten sich an der Verwüstung. Die Mehrheit der Fellheimer Einwohnerschaft widersetzte sich aber der Zerstörung der Synagoge. Während des Krieges wurde das leerstehende Gebäude militärisch genutzt und diente der Unterbringung von Flugzeugmotoren.

Nach 1945

Nach 1945 wurde das Gebäude von der einrückenden US-Armee beschlagnahmt und der jüdischen Vermögensverwaltung JRSO (Jewish Restitution Successor Organization) übertragen. 1951 wurde es an Privatleute verkauft, die es 1954 renovierten und zu einem Wohnhaus umbauten. Im August 1948 wurde vor dem Landgericht Memmingen gegen acht Personen wegen Beteiligung am Pogrom Anklage erhoben. Zwei wurden freigesprochen, sechs erhielten Gefängnisstrafen zwischen 4 und 15 Monaten. Im Jahre 2007 kaufte die Gemeinde Fellheim das Gebäude der ehemaligen Synagoge und den Platz zwischen Synagoge und Friedhof.[1]

Jüdische Kriegsveteranen

  • Ludwig Heilbronner aus Fellheim, Gefreiter im 12. Bayerisches Infanterie-Regiment, wurde wegen seines ausgezeichneten Verhaltens in der Schlacht bei Sedan mit dem Eisernen Kreuz dekoriert.
  • Am 5. August 1926 starb Albert Einstein, ältester jüdische Veteran Schwabens, Korporalschaftsführer, Antiquitätenhändler und Kriegsteilnehmer der Feldzüge 1866 und 70/71 und langjähriger Vorstand der Kultusgemeinde Fellheim. Bahnvorstand Ostermann wies in seiner Traueransprache darauf hin, dass der Korporalschaftsführer Einstein die Behauptung Lügen strafte, dass Soldatenehre und Tapferkeit von der Konfession abhingen.

Ehemalige Rabbiner von Fellheim

  • Max Nissont (1716–?)
  • Jacob Bär
  • Simon Leopold Laupheimer
  • Joel Nathan Greilsheimer (1778–1800)
  • Marx Hayum Seligsberg (1830–1877)

Literatur

  • Fellheim an der Iller. Eine bebilderte Führung durch den ehemaligen jüdischen Ortskern Fellheims, hgg. v. Arbeitskreis Geschichte, Brauchtum und Chronik in Zusammenarbeit mit dem Amt für ländliche Entwicklung und der Gemeinde Fellheim (2007)
  • Georg Dehio: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler Bayern III. Schwaben. Deutscher Kunstverlag, München 1989 (Aktualisierung geplant für 2006–2008)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Memminger Zeitung: Förderkreis für Synagoge geplant, eingesehen am 31. Dezember 2010

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