Jürgen Brock

Jürgen Brock
Bazon Brock am 1. Mai 2006 in Köln anlässlich seiner Ausstellung im Museum Ludwig - am Dionysos-Brunnen ein Brunnen-Orakel begründend.

Bazon Brock[1] (eigentlich Jürgen Johannes Hermann Brock[2]; * 2. Juni 1936 in Stolp in Pommern) ist Professor für Ästhetik und Kulturvermittlung an der Bergischen Universität Wuppertal. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Entwicklung einer Neuronalen Ästhetik.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Brock genoss eine humanistische Schulbildung an der Kaiser-Karl-Schule Itzehoe, die er mit den Abiturprüfungen in Latein und Griechisch abschloss.

Ab 1957 absolvierte eine Ausbildung in Dramaturgie und arbeitete ab 1960 als Dramaturg, zunächst am Stadttheater Luzern. Von 1957 bis 1964 studierte er parallel Germanistik, Philosophie und Politikwissenschaften in Zürich, Hamburg und Frankfurt am Main. Ebenfalls ab 1957 schrieb er erste Aktionslehrstücke und es erfolgten erste Publikationen. Das Fach Kunst, mit dem er oft in Zusammenhang gebracht wird, studierte er nicht universitär, gilt dennoch als ausgewiesener Kunstkenner, sowohl alter als auch zeitgenössischer Werke. Er beteiligte sich zusammen mit Friedensreich Hundertwasser, Joseph Beuys und Wolf Vostell an Happenings.

Nach dem Studium wurde Brock als ordentlicher Professor (1965–1976) an die Hochschule für Bildende Künste in Hamburg berufen, später, zwischen 1977 und 1980 auch an die Universität für angewandte Kunst Wien. Anschließend übernahm er eine Professur an der Bergischen Universität Wuppertal, wo er 2001 emeritiert wurde.

Arbeit

Zitat von Bazon Brock auf einem Schild in einem Berliner Hinterhof

Brocks Arbeitsschwerpunkte liegen auch nach seiner Emeritierung vor allem in der Neuronalen Ästhetik und „Imaging Sciences“ am Fachbereich „Architektur, Kunst, Design, Musik“, wo er lange Jahre Dekan war und im besonderen als Fachdozent das Fach für „Nicht-normative Ästhetik“ betreut.

Er ist Mitglied der „Forscher-Familie bildende Wissenschaften“. Diese „fruchtbringende Gesellschaft“ beschäftigt sich vorrangig mit der Kulturgenetik, um Konzepte zur Zivilisierung der Kulturen auszuarbeiten. Die Ergebnisse werden in der Reihe „Ästhetik und Naturwissenschaften“ im Springer-Verlag Wien/New York veröffentlicht.

Von den Assistenten, Promovenden und Habilitanden Bazon Brocks der Jahre 1980–1995 sind inzwischen 23 als Universitätsprofessoren tätig; weitere wirken als Museumsdirektoren, Kuratoren etc.

Bazon Brock wurde am 21. November 1992 der Ehrendoktor der Technischen Wissenschaften von der Eidgenössische Technische Hochschule Zürich verliehen.

Action-teaching

Von Bazon Brock in den 60er Jahren entwickeltes Unterrichts- und Schulungskonzept, welches die künstlerischen Programmatiken von Fluxus, Happening (it happens - und ich bin dabei) und Agitprop vereint, um sie für die Rezipientenschulung nutzbar zu machen. Dabei kommen insbesondere dramaturgische und inszenatorische Effekte aus der analytischen Theaterarbeit zur Geltung. Der Seminarraum wird zur Bühne für Selbst- und Fremdinszenierungen. So hat Brock während seiner Seminarveranstaltungen Eis verteilt, um "wenigstens das Rezeptionsniveau einer Kinoveranstaltung zu erreichen", sich einen weißen Kittel angezogen, um das Phänomen der Autoritätsgläubigkeit zu konterkarieren, Vorträge im Kopfstand gehalten, usw.

Beim Action-teaching kommt es nicht nur drauf an, vorgegebene Themen abzuhandeln, sondern Anregungen und auch Störungen aller Beteiligten aufzunehmen und als Thematisierungsangebot zu nutzen. Action-Teaching lebt von der Fähigkeit zu spontaner Problematisierung (vgl. genius loci, Abstraktion). Deswegen ist aktive Mitarbeit der Teilnehmenden unverzichtbar. Das fällt den meisten Leuten allerdings recht schwer, da sie im wesentlichen in der Rolle des Beobachters geschult sind. Der plötzliche Rollenwechsel vom Beobachter zum Beobachteten unter "Echtzeitbedingungen" verlangt die Fähigkeit zur Selbstdarstellung. Die Brockschen Schulungseinheiten bieten hierfür eine hervorragende Plattform. (aus: Dr. Stefan Asmus, Ästhetisches System) *[1]

documenta-Besucherschule

Auf der Kasseler documenta 4 1968 richtete Brock erstmals eine Besucherschule ein, die den Besuchern der documenta das Verständnis für Kunstbetrachtung nahebringen und Aneignungstechniken für zeitgenössische Kunst vermitteln sollte. Sie wurde auch auf der documenta 5 1972 und documenta 6 1977 von ihm angeboten, ab der documenta 7 1982 nicht mehr. Statt dessen legte er eine Broschüre mit dem Titel „Die Hässlichkeit des Schönen“ vor.

Aktionen

  • „Wa(h)re Kunst. Der Museumsshop als Wunderkammer“, seit 1994 in 18 Städten.
  • „Die Macht des Alters. Strategien der Meisterschaft“. Berlin, Bonn, Stuttgart 1998/99.
  • „...Marsch durch Theorie.. Grabbeigaben...“. Frankfurt: Schirn, ab März 2006
  • Anlässlich seines 70. Geburtstags 2006 zog Brock Bilanz und skizzierte in einem elf Stationen durchlaufenden „Lustmarsch durchs Theoriegelände“ elf Topologien, mit denen er sich 50 Jahre lang in Literatur, Theater, Ästhetik, Film, Fernsehen, Hörfunk, Action Teaching und Ausstellungen beschäftigt hat. Diese Aktion ist seit März 2006 im Zentrum für Kunst und Medientechnologie zu sehen.
  • 24. November 2007: 1. Tag der Weltzivilisierung

Den ersten „Tag der Weltzivilisierung“ ruft der Wuppertaler Ästhetikprofessor Bazon Brock am 24. November 2007 zum Thema „Atatürk und die Hagia Sophia als Museum“ im BLM (Badisches Landesmuseum Karlsruhe) aus. Brock will mit dieser Veranstaltung das Phänomen der „Musealisierung als Zivilisationsstrategie“ würdigen und verliest eine Deklaration zur Initiierung dieses Tages. Bei der gemeinsam vom BLM und vom Zentrum für Kunst und Medientechnologie ausgerichteten Premiere im Karlsruher Schloss soll diese Interpretation am Beispiel der Hagia Sophia in Istanbul untersucht werden. Die Kirche und spätere Moschee wurde am 24. November 1934 durch Kemal Atatürk, den ersten Präsidenten der Republik Türkei, zum Museum umgewandelt und somit ein langer Kultur- und Religionskampf beendet. Als „Tag der Weltzivilisierung“ soll die Veranstaltung Auftakt einer gleichnamigen Reihe sein, die jährlich ein anderes Großereignis als Beispiel für die friedensstiftenden Auswirkungen der Musealisierung würdigt.

  • [2] Gesamte Arbeitsbiographie

Veröffentlichungen

Schriften

  • Ästhetik als Vermittlung. Arbeitsbiographie eines Generalisten. DuMont Kunstverlag, Köln 1977, ISBN 3-770-10671-7
  • Die Ruine als Form der Vermittlung von Fragment und Totalität. In: Lucien Dällenbach u. Christiaan L. Hart Nibbrig (Hrsg.): Fragment und Totalität. Suhrkamp, Frankfurt/Main 1984. ISBN 3-518-11107-8
  • Ästhetik gegen erzwungene Unmittelbarkeit. Die Gottsucherbande. Schriften 1978–1986. DuMont Buchverlag, Köln 1986, ISBN 3-770-11976-2
  • Der Barbar als Kulturheld. Dumont Literatur und Kunst Verlag, Köln 2002, ISBN 3-832-17149-5
  • Die Macht des Alters, Katalog zur Ausstellung, DuMont, Köln 1998
  • Die Re-Dekade: Kunst und Kultur der 80er Jahre. Klinkhardt und Biermann, München 1990, ISBN 3-781-40288-6
  • Die Welt zu Deinen Füßen, DuMont, Köln 1998
  • Lock Buch Bazon Brock. ‚Gebt Ihr ein Stück, so gebt es gleich in Stücken‘. DuMont Kunstverlag, Köln 2000, ISBN 3-770-15436-3
  • Lustmarsch durchs Theoriegelände, Brock, Bazon (Hg.), Verlag Dumont Literatur und Kunst, Köln 2007, ISBN 978-3-8321-9024-8

Video-Dokumentationen

  • Wir wollen Gott und damit basta. DuMont, Köln 1985
  • Selbsterregung – eine rhetorische Oper zur Erzwingung der Gefühle (vom WDR produziert, am 17. April 1992 ausgestrahlt), Schiebener und Jürgens, Köln 1990.
  • Quer Denken – Gerade Gehen 45 Min. / D, PL. Ein Portraitfilm von Ingo Hamacher Bellacoola über Bazon Brock wurde in der Reihe „Querköpfe“ von BellaCoola für den WDR produziert und im April 1991 ausgestrahlt.
  • Der Körper des Kunstbetrachters, Videokatalog zur Documenta IX im Juni 1992 hergestellt und mehrmals im Fernsehen gezeigt.
  • Ästhetik als Metatheorie – In zwanzig Kapiteln wird ein strukturierter Einstieg in die Denkwelt des KünstlerPhilosophen und GeistTäters gegeben.
  • Das Vlog ((( rebell.tv ))) führt ein „Dossier Bazon Brock“ und dokumentiert die aktuelle Tour (2006).

TV-Produktionen

  • Bazon Brock zur Geschichte der Kybernetik, 6-stündige Aufzeichnung von 3sat, 1997, anlässlich der „Installation eines Theoriegeländes“ im Portikus, Frankfurt, Februar 1997.
  • Bazon Brock ist seit 1997 Moderator der Fernsehserie „Bilderstreit“ in 3sat.

Hörspiele

Hörspiele von Bazon Brock wurden als Kassetten im S-Press Tonband-Verlag, Köln, veröffentlicht.

Anmerkungen und Quellennachweise

  1. Den Spitznamen „Bazon“, was im Griechischen „Schwätzer“ bedeutet, erhielt er von seinem Lateinlehrer, der damit die Angewohnheit des Gymnasiasten kommentierte, zu allem ellenlange Monologe zu halten.
  2. vgl. Walter-Bolhöfer: Bazon Brock: Künstler, Kämpfer, Kritiker, 2007, S.8

Literatur

  • Heller, Martin / Reck, H. U. Hg.): BB. Ästhetik nach der Aktualität des Ästhetischen. Ein Symposium zur Perspektive der Kulturentwicklung. Zürich 1998, ISBN 3-907-06566-2
  • Mühlmann, Heiner: Kunst und Krieg: Das säuische Behagen in der Kunst. Über Bazon Brock. Köln 1998, ISBN 3-932-18957-4
  • Stratmann, Nicole: Der Selbstfesselungskünstler – Bazon Brock. Einführung in eine Ästhetik des Unterlassens. VDG Verlag und Datenbank für Geisteswissenschaften, Weimar 1995, ISBN 3-929-74275-6
  • Walter-Bolhöfer, Cordula (Interview) / Wolf, Bettina (Fotografien): Bazon Brock: Künstler, Kämpfer, Kritiker. ars momentum Kunstverlag GmbH, Witten 2007, 55 S., 33 s/w-Abb., ISBN 978-3-938193-31-0. Grundlegendes Interview über Brocks Selbstverständnis als Kunstinitiator und Kunst- und Gesellschaftkritiker

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем решить контрольную работу

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Jürgen Kiwit — (* 14. April 1956 in Essen; vollständiger Name Jürgen Carl Walther Kiwit) ist ein deutscher Professor der Neurochirurgie. Inhaltsverzeichnis 1 Lebensweg 2 Mitgliedschaften und Ämter 3 Wissenschaftliche Preise …   Deutsch Wikipedia

  • Jürgen Partenheimer — (* 14. Mai 1947 in München) ist ein deutscher Künstler und Repräsentant einer subjektiven Abstraktion. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Ausstellungen 3 Literatur 4 …   Deutsch Wikipedia

  • Jurgen Partenheimer — Jürgen Partenheimer Jürgen Partenheimer (né en 1947 à Munich, Bavière) artiste allemand. Jürgen Partenheimer est au nombre des artistes allemands les plus renommés de sa génération. Depuis sa participation à la Biennale de Paris en 1980 et à la… …   Wikipédia en Français

  • Jürgen Partenheimer — (né en 1947 à Munich, Bavière) artiste allemand. Jürgen Partenheimer est au nombre des artistes allemands les plus renommés de sa génération. Depuis sa participation à la Biennale de Paris en 1980 et à la Biennale de Venise en 1986, il a connu de …   Wikipédia en Français

  • Jürgen Partenheimer — Jürgen Partenheimer, Centro Galego de Arte Contemporaneo, CGAC, Santiago de Compostela, 1999 Jürgen Partenheimer, Worl …   Wikipedia Español

  • Jürgen Partenheimer — (born 14 May 1947 in Munich, Germany) is among the most renowned German artists of his generation. Since his participation at the Paris Biennial in 1980 and the Venice Biennial in 1986, his work has been widely shown internationally.WorkThe work… …   Wikipedia

  • Brock Hooton — Kanada Brock Hooton Personenbezogene Informationen Geburtsdatum 20. März 1983 Geburtsort Nanaimo, British Columbia, Kanada …   Deutsch Wikipedia

  • Jürgen Rumrich — Deutschland Jürgen Rumrich Personenbezogene Informationen Geburtsdatum 20. März 1968 Geburtsort Miesbach, Deutschland …   Deutsch Wikipedia

  • Bazon Brock — am 1. Mai 2006 in Köln anlässlich seiner Ausstellung im Museum Ludwig – am Dionysos Brunnen ein Brunnen Orakel begründend. Bazon Brock[1] (eigentlich Jürgen Johannes Hermann Brock[2]; * 2. Jun …   Deutsch Wikipedia

  • Hans-Jürgen Müller — (* 8. April 1936 in Ilmenau; † 27. Mai 2009 in Stuttgart) war ein deutscher Galerist. Er war Mitbegründer des Kölner Kunstmarkts. Müller realisierte zahlreiche Ausstellungen und besaß eine eigene umfangreiche Kunstsammlung. 1984 gründete er auf… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”