Topologie (Philosophie)

Topologie (Philosophie)

In der Philosophie ist die Topologie (gr. τόπος tópos ‚Ort‘ und λόγος lógos ‚Lehre‘) vor allem eine Theorie der geometrischen Beschreibung von Orten und Feldern im Raum als Sphäre der Außenwelt. Je nach Ausprägung kann sie als Teilbereich der philosophischen Metaphysik, der Phänomenologie oder der Sozial- und Kulturphilosophie angesehen werden.

Besonders durch die „topologischen Wende“ in den Geisteswissenschaften hat die Berücksichtigung von Ort-, Feld- und Raumkategorien in der Philosophie Aufmerksamkeit erfahren. Damit wird zugleich der Anschluss an die japanische Philosophie geschaffen, in der der Ort (場所, basho) seit Beginn des 20. Jahrhunderts eine zentrale Rolle spielt. Der dort verwendete Begriff „bashoron“ (場所論, Lehre vom Ort) bezeichnet diese Art der philosophischen Topologie.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Ein erster Ansatz zur geometrischen Beschreibung eines Ortes im Raum ist das Cartesische Koordinatensystem. Im 17. Jahrhundert bis in das 19. Jahrhundert wird statt Topologie noch der Begriff „Geometria situs” (Geometrie der Lage) oder auch „Analysis situs“ verwendet, so z.B. bei Leibniz, der in der Schrift „De analysi situs“ das Verhältnis von Raumpunkten zueinander unabhängig von den metrischen Verhältnissen untersuchte.[1] Ein Anwendungsbeispiel für die Geometria situs ist die Untersuchung von Eigenschaften geometrischer Körper wie im Polyedersatz, der sowohl auf Descartes (1639) als auch auf Euler zurückgeführt wird.[2]

Den Begriff „Topologie“ verwendete 1847 erstmals Johann Benedict Listing in der Schrift „Vorstudien zur Topologie“. Er beschrieb wie August Ferdinand Möbius das Möbiusband. Möbius entwickelte eine „Theorie der elementaren Verwandtschaft“, mit der man topologisch – äquivalente Gegenstände beschreiben kann, die durch umkehrbar eindeutige und stetige Verzerrung auseinander hervorgehen. Im Rahmen des Erlanger Programms bestimmte Felix Klein die Topologie als eine Invariantentheorie der umkehrbar eindeutigen Transformationen. Zur Weiterentwicklung der Topologie trugen schließlich Henri Poincaré (algebraische Topologie) und Georg Cantor (mengentheoretische Topologie) bei.

Literatur

  • Edward S. Casey: The Fate of Place. A Philosophical History. University of California Press, Berkeley CA 1997, ISBN 0-520-20296-1.
  • Thomas Latka: Topisches Sozialsystem. Die Einführung der japanischen Lehre vom Ort in die Systemtheorie und deren Konsequenzen für eine Theorie sozialer Systeme. Verlag für Systemische Forschung im Carl-Auer-Systeme-Verlag, Heidelberg 2003, ISBN 3-89670-321-8, (Zugleich: München, Hochschule für Philosophie, Diss., 2002/03).
  • Kitarō Nishida: Logik des Ortes. Der Anfang der modernen Philosophie in Japan. Übersetzt und herausgegeben von Rolf Elberfeld. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1999, ISBN 3-534-13703-5.
  • Wolfram Pichler, Ralph Ubl (Hrsg.): Topologie. Falten, Knoten, Netze, Stülpungen in Kunst und Theorie. Turia + Kant, Wien 2009, ISBN 978-3-85132-556-0.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Gottfried Wilhelm Leibniz: De analysi situs, 1693, Mathematische Schriften, hrsg. Von C.I. Gerhardt, 1858, deutsch: Hauptschriften zur Grundlegung der Philosophie, übersetzt von A. Buchenau, hrsg. Von Ernst Cassirer, Band 1, 1904, 69
  2. K. Mainer: Stichwort „Topologie“ in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Band 10, 1289-1290

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