KZ Kislau

KZ Kislau

Das KZ Kislau war ein Konzentrationslager im nationalsozialistischen Deutschland.

Das Lager befand sich im Jagd- und Lustschloss Kislau bei Mingolsheim (Baden) und bestand vom 21. April 1933 bis zum 1. April 1939. Das Konzentrationslager blieb während der gesamten Dauer seiner Existenz dem badischen Innenministerium unterstellt und wurde im Gegensatz zu den meisten anderen frühen KZ nicht bereits Anfang der Dreißiger Jahre aufgelöst oder der Inspektion der Konzentrationslager unterstellt.

Im Schloss Kislau selbst gab es bereits seit 1819 eine Strafanstalt. Bis 1854 diente das Schloss als Außenstelle der Feste Rastatt als Staatsgefängnis von Baden, anschließend als polizeiliche Verwahranstalt für Frauen. Seit den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts war auf dem Gelände auch ein Arbeitshaus für Männer untergebracht, welches während der gesamten NS-Zeit bis 1945 parallel zum Konzentrationslager existierte. Im Ersten Weltkrieg war Kislau zunächst Lazarett, später Kriegsgefangenenlager. Von 1930 bis Ende 1933 befand sich im Schloss auch eine Außenstelle für „geistesschwache Frauen“ der Wieslocher Heil- und Pflegeanstalt.

Geschichte

Am 21. April 1933 gab das badische Staatsministerium die Eröffnung des KZ bekannt. Anlass war die Nußbaum-Affäre, die als Vorwand für die Verhaftung von Kommunisten, Sozialdemokraten und auch Zentrumsangehörigen diente. Die euphemistisch als „Schutzhäftlinge“ bezeichneten Opfer der Verfolgungswelle wurden in einem Nebengebäude des Schlosses Kislau untergebracht, die Insassen des Arbeitshauses (im Schnitt etwa 200 Männer) hielten sich im eigentlichen Schlossgebäude auf. Der Direktor des Arbeitshauses - Theodor Zahn - übernahm jedoch kommissarisch auch die Leitung des Konzentrationslagers. Zur Unterscheidung der Zugehörigkeiten trugen die Männer des Arbeitshauses helle Kleidung, die KZ-Häftlinge dunkelblaue. Die Arbeitsdienste wurden jedoch oft von Angehörigen beider Gruppen gemeinsam durchgeführt. Für das Konzentrationslager war eine Kapazität von insgesamt 70 Mann vorgesehen, die Ende der 1930er Jahre jedoch deutlich überschritten wurde. Von Mai bis Juni 1933 wurden weitere 65 Häftlinge eingeliefert, sie zählten allesamt zu den „Politischen“, d.h., es handelte sich wie bei der ersten Gruppe auch um missliebige Oppositionelle. Die höchste Belegungsstärke des KZ wurde 1937/1938 mit 173 Häftlingen erreicht.

Die Zustände im Lager waren insgesamt weit besser als in den meisten anderen Konzentrationslagern. Die Insassen hatten eine erträgliche Verpflegung und wurden medizinisch und seelsorgerisch betreut. Ein vierzehntäglicher Briefwechsel und der wöchentliche Besuch von Angehörigen war in der Regel erlaubt. Der Tag der Häftlinge begann um 6 Uhr morgens. Mit zehnstündigen Arbeitstagen wurden die Lagerinsassen in der Landwirtschaft, beim Küchendienst oder Sanierungen am Schlossgebäude beschäftigt. Die Arbeit wurde durch eine einstündige Mittagspause unterbrochen, ansonsten wurden den Häftlingen lediglich 1,5 Stunden sog. „Freizeit“ zugestanden. Um 20 Uhr wurde Bettruhe angeordnet.
Diese Zustände gehen darauf zurück, dass in Kislau weder die SA noch die SS das Kommando führten. Beide Gruppen stellten zwar die 18 Mann der Wachtruppe, Lagerleiter war ab dem 7. Juni 1933 allerdings der ehemalige Polizeimajor Franz Konstantin Mohr. Dieser war ehemaliger Kolonialoffizier und verachtete die Mitglieder der NSDAP-Parteiformationen als Pöbel. Diese wiederum fühlten sich unter anderem wegen der schlechten Bezahlung (1,80 RM pro Tag) übervorteilt, so dass das Verhältnis zwischen dem Vorgesetzten und seinen Mannschaften gespannt war. Mohrs Vorstellungen von einem Gefängnis waren noch traditionell geprägt und hatten mit den „Abrechnungsabsichten“ der SA oder SS wenig gemein. So ist in Kislau lediglich ein Todesfall dokumentiert worden. In der Nacht vom 28. zum 29. März 1934 nutzten vier SS-Männer die Abwesenheit des Lagerleiters, um den Sozialdemokraten Ludwig Marum zu erdrosseln.

Seit Ende 1934 wurde Kislau auch als Interimslager für zurückkehrende deutsche Fremdenlegionäre genutzt, vorgeblich aufgrund gesundheitlicher Risiken, tatsächlich galten sie jedoch als politisch unzuverlässig und sollten während einer üblicherweise 12-wöchigen Haft im Sinne der neuen Machthaber „geschult“ werden. Obwohl sich die Behandlung unter den Heimkehrern herumsprach, durchliefen bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs etwa 1800 ehemalige Legionäre das seit 1936 so bezeichnete „Bewahrungslager“. Anfang 1939 wurde das KZ schließlich aufgelöst und die verbliebenen Häftlinge nach Dachau deportiert. Ab dem 1. April 1939 diente Kislau als Strafgefängnis, später vor allem als Ausweichlösung, um Kapazitätsengpässe in den kriegsbeschädigten Gefängnissen Mannheim und Saarbrücken aufzufangen. Am 15. Februar 1940 inspizierten zwei Beauftragte Himmlers das Areal, um die erneute Einrichtung eines Konzentrationslagers zu prüfen. Die Pläne wurden jedoch nicht verwirklicht.
Im Strafgefängnis fanden sich unterschiedlichsten Gruppen wieder - so zum Beispiel die so genannten „Rotspanier“, Polen und „Arbeitsverweigerer“. Seit Ende 1942 wurden ebenfalls Franzosen und Belgier eingeliefert, die wegen Diebstahls oder ähnlicher Vergehen verurteilt worden waren.

Am 2. April 1945 wurde das Gefängnis von französischen Soldaten besetzt und zum 18. Mai aufgelöst. Die Tradition des Gefängnisses bestand jedoch weiter: Bis 1970 war Kislau Außenstelle der Landesstrafanstalt Bruchsal, bis 1991 gehörte es zur JVA Karlsruhe. Seither ist das ehemalige KZ und Gefängnis wieder der JVA Bruchsal unterstellt. An das eigentliche Konzentrationslager und den NS-Terror erinnert seit 1985 ein von der Sozialdemokratischen Partei errichteter Gedenkstein im Schlosshof, den der Bildhauer Gerhard Karl Huber angefertigt hat.[1]

Literatur

  • Angela Borgstedt: Das nordbadische Kislau: Konzentrationslager, Arbeitshaus und Durchgangslager für Fremdenlegionäre in: Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hrsg.): Herrschaft und Gewalt. Frühe Konzentrationslager 1933-1939. S. 217-229, Metropol-Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-932482-82-4
  • Elisabeth Marum-Lunau, Jörg Schadt (Hrsg.): Ludwig Marum. Briefe aus dem Konzentrationslager Kislau. C.F. Müller, Karlsruhe 1988, ISBN 3-7880-9759-0
  • Julius Schätzle: Stationen zur Hölle. Konzentrationslager in Baden und Württemberg 1933-1945. Röderberg-Verlag, Frankfurt/Main 1980, ISBN 3-87682-035-9

Einzelnachweise

  1. Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus. Eine Dokumentation, Bd.I, Bonn 1995, S. 23, ISBN 3-89331-208-0
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