- Karatschaier
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Die Karatschaier (karatschaisch Къарачайлыла Qaratschajlyla) sind eine turksprachige Ethnie des Kaukasusgebietes. Sie zählen zu den Turkvölkern und sind mit den benachbarten Balkaren verwandt, von denen sie durch das Massiv des Elbrus räumlich getrennt werden. Ihre Sprache Karatschaisch ist ein Dialekt des Karatschai-Balkarischen. In Russland leben nach der Volkszählung 2002 über 192.000 Karatschaier. Weltweit wird ihre Zahl auf über 220.000 Menschen geschätzt, darunter noch einige muttersprachliche Nachkommen von Flüchtlingen des 19. Jahrhunderts in der Türkei.
Inhaltsverzeichnis
Siedlungsraum
Karatschaier leben heute vor allem in der zu Russland gehörenden Republik Karatschai-Tscherkessien, wo sie mit über 169.000 Menschen (fast 39%) die größte Bevölkerungsgruppe bilden, und in der Region Stawropol. Hauptort ihres Siedlungsgebietes ist heute die Stadt Karatschajewsk.
Herkunft
Die Karatschaier sind wahrscheinlich Nachkommen kumanischer und tatarischer Turkstämme. Der eigenen Tradition nach stammen sie jedoch von der Halbinsel Krim, bevor sie im 15. Jahrhundert in den Nordkaukasus abgedrängt wurden. Dort gerieten sie mit den Tscherkessen, später mit Kosaken um Weidegründe in Konflikt und zogen höher ins Bergland. Dort assimilierten sie Teile der ansässigen iranisch-alanischen und kaukasischsprachigen Bevölkerung.[1]
Religion
Bis Ende des 17. Jahrhunderts waren die meisten Karatschaier orthodoxe Christen. Danach traten sie zum sunnitischen Islam über.
Tradition
Im Gegensatz zu den benachbarten kaukasischsprachigen Tscherkessen und Kabardinern hatten die Karatschaier keine ausgeprägte Adels-und Fürstenschicht, sondern lebten in traditioneller Stammesgesellschaft. Sie waren, wie die meisten nordkaukasischen Völker, Halbnomaden bzw. lebten in Transhumanz. Ihre Wohnorte wechselten also zwischen sommerlich höheren Weide- und Anbaudörfern und niedrigeren Überwinterungsgebieten und die Karatschaier galten als unabhängig und kriegerisch.
Die karatschaische Gesellschaft teilte sich in über 30 Stämme bzw. Clans und ein überliefertes Gewohnheitsrecht regelte Fragen des Lebens-Verhalten, Heirat, Gastfreundschaft, Vergeltung, Feste, Clanentscheidungen, Bestattung usw. Prinzipiell war die Kultur aber stark kaukasisch beeinflusst.
Geschichte
Die Karatschaier sind seit dem 15. Jahrhundert nachweisbar. Im 16. Jahrhundert kamen sie in den Einflussbereich des Krimkhanates und etwas später unter den Einfluss des Osmanischen Reiches. Im 17. Jahrhundert folgte die Oberhoheit des persischen Safawidenreiches. Ende des 17. Jahrhunderts wurden sie vor allem durch Krimtataren zum Islam bekehrt. Im 18. Jahrhundert wurden sie von den benachbarten Tscherkessen und in den 1820er Jahren vom russischen Kaiserreich unterworfen. Viele Karatschaier beteiligten sich am Aufstand unter Imam Schamil, nach deren Ende nach Schätzungen die Mehrheit der Karatschaier ins Osmanische Reich flüchtete. Die Zurückgebliebenen wurden im Zarenreich einer weitgehenden Selbstverwaltung überlassen, weshalb diese teilweise loyal waren.
Aufgrund ihres Widerstandes gegen die 1943 wiedereinrückende Rote Armee wurden sie auf Befehl Josef Stalins unter dem falschen Vorwurf der Kollaboration mit der Wehrmacht nach Sibirien und Mittelasien verbannt. Nikita Chruschtschow rehabilitierte die Karatschaier 1957 und sie durften zurückkehren. Zusammen mit den Tscherkessen haben sie heute im Kaukasus wieder eine eigene autonome Republik innerhalb Russlands. Deren Zusammenhalt war zeitweilig 1996 bis 1999 gefährdet, weil tscherkessische Vereinigungen die Unabhängigkeit forderten. Seitdem hat sich die Lage stabilisiert. Bereits seit den 1960er Jahren ist das Elbrus-Gebiet eine wirtschaftlich aufstrebende Region des Tourismus.
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ Heinz-Gerhard Zimpel: Lexikon der Weltbevölkerung, S. 260
Literatur
- Rudolf A. Mark: Die Völker der ehemaligen Sowjetunion/GUS. Die Nationalitäten der GUS, Georgiens und der baltischen Republiken. Ein Lexikon. Opladen 1992, Eintrag "Karatschaier".
- Swetlana Tscherwonnaja: Die Karatschaier und Balkaren im Nordkaukasus : Konflikte und ungelöste Probleme. Köln 1999.
- Heinz-Gerhard Zimpel: Lexikon der Weltbevölkerung. Geografie - Kultur - Gesellschaft, Nikol Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG Hamburg 2000, ISBN 3-933203-84-8
Weblinks
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