- Khanat der Krim
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Das Khanat der Krim entstand während des machtpolitischen Zerfalls der turko-mongolischen Goldenen Horde im 15. Jahrhundert mit dem Zentrum auf der Halbinsel Krim. Um etwa 1441 gründeten die Krimtataren unter der Führung des tatarischen Adelsgeschlechts der Giray ein eigenes Khanat, das die Halbinsel Krim, die südlichen Steppengebiete der heutigen Ukraine, sowie die Gebiete der Nogaier-Horde zwischen Asow und Kuban umfasste. Zeitweilig kam das heute mehrheitlich zu Russland gehörende Einzugsgebiet des unteren Don hinzu. Hauptstadt des Reiches wurde das 1454 gegründete Bachtschyssaraj.
Inhaltsverzeichnis
Vorgeschichte
Ab 1280 hatte sich unter dem Prinzen Noqai die Krim und die Südukraine erstmals verselbständigt, ohne dass bereits ein eigenes Khanat entstand. Die Autonomie endete jedoch bereits 1299 mit den Tod des Mongolen-Khans, während gleichzeitig Genua 1266 und 1365 die Südküste der Halbinsel besetzte (Genueser Kolonien). Auch der Emir Mamai (Regent von 1361–1380) nutzte die Krim als ökonomische Basis für die Machtkämpfe innerhalb der Goldenen Horde.
Staatsgründung
Die eigentlichen Gründer des Khanats waren Devlet Berdi und Haji Girai. Ihre Verwandtschaftsbeziehungen und Clanzugehörigkeiten sind ungeklärt. Devlet Berdi setzte sich ab 1424 auf der Flucht vor seinen Rivalen auf der Krim fest, und Haji Girai († 1466) formierte dort Mitte des 15. Jh. mit einigen Siegen und Bündnissen ein eigenständiges Khanat.
Das Khanat der Krimtataren war das einzige der Nachfolgereiche der Goldenen Horde, welches über einen längeren Zeitraum existierte. In den folgenden Jahrhunderten unternahmen die Krimtataren immer wieder Raubzüge in die zu Polen-Litauen gehörende Ukraine, die Moldau und Russland, bei denen sie vor allem Sklaven erbeuteten, die das wichtigste „Exportgut“ der krimtatarischen Wirtschaft darstellten.[1] Sie betrieben regen Handel mit dem Osmanischen Reich, dessen Schutzherrschaft sie genossen und wurden zum Hauptverbreiter und -vertreter des Islams in der Ukraine.
Vasall des Osmanischen Reiches
Die Streitigkeiten unter den zehn Söhnen Haji Girais bedingten eine Schwächung der Macht des Khans Meñli I. Giray (reg. 1466, 1469–75 und 1478–1515), und ein Angriff Akhmat Khans (Khan der Goldenen Horde 1465–81) zwang diesen zur Flucht in das Osmanische Reich (1475–78). Die Anerkennung der osmanischen Suzeränität unter Beibehaltung hoher Autonomie, 1478, war die Folge und mit der Rückendeckung durch die „Hohe Pforte“ entwickelte sich aus dem Krimkhanat ein stabiler Staat, der sich im Kampf gegen seinen Nachbarn lange behaupten konnte und in vielen Fällen, im Gegensatz zu anderen Vasallenstaaten, sogar autarke Außenpolitik betrieb.
Im Juni 1502 besiegten die Krimtataren Shaykh Ahmad (reg. 1481–1502), den letzten Khan der Goldenen Horde, was mittelfristig die russische Eroberung der anderen Nachfolgestaaten der Goldenen Horde, der Khanate von Kasan (1552) und Astrachan (1556), förderte. Unter den Khanen Mehmed I. Giray (reg. 1515–1523), Sahib I. Giray (reg. 1532–1551) und vor allem Devlet I. Giray (reg. 1551–1577) stieg das Krimkhanat im 16. Jahrhundert zur regionalen Großmacht auf (polnisch-litauische und russische Herrscher mussten Tributzahlungen an die Krimkhane leisten).
Ein Angriff der Russen unter Adaschew auf das Krim-Khanat scheiterte 1559 zunächst ebenso wie ein tatarisch-osmanischer Versuch, Astrachan zurückzuerobern (Erster Russisch-Türkischer Krieg) 1569. 1571 setzten die Krimtataren unter Ausnutzung des Livländischen Krieges, den das Zarentum Russland um den Zugang zur Ostsee gegen Polen-Litauen und Schweden führte, sogar dessen Hauptstadt Moskau in Brand, erlitten jedoch 1572 in der Schlacht von Molodi eine empfindliche Niederlage, was eine machtpolitische Wende in Osteuropa einleitete und den Anfang des Niedergangs des Krim-Khanats markiert. Die Forderung der Rückgabe Kasans und Astrachans an das Khanat wurde vom Zaren nicht erfüllt.
1624–28 erhob sich der Khan gegen den osmanischen Sultan, unterwarf sich dann aber wieder. Trotz innerer und äußerer Rückschläge blieb das Khanat der Krim auch im Verlauf des 17. Jahrhunderts ein Machtfaktor in der Region. 1648 schlossen die Krimtataren zunächst eine Allianz mit den Saporoger Kosaken des Bogdan Chmielnicki und verhalfen so dem Hetmanat der Ukraine zur Loslösung von Polen-Litauen. Während des Zweiten Nordischen Krieges verbündeten sie sich mit den Polen und retteten den bisherigen Feind vor der Aufteilung durch die Russen, Schweden, Österreicher und Preußen. 1699 eroberten die Russen die wichtige Hafenstadt Asow am gleichnamigen Meer, mussten sie allerdings 1711 wieder an die Osmanen abtreten. Im Zuge des Russisch-Österreichischen Türkenkrieges 1736–1739 unternahmen die Russen unter Feldmarschall Burkhard Christoph von Münnich eine Strafexpedition auf die Krim, bei der die meisten Städte der Krimtataren, inklusive der Hauptstadt Bachtschissarai, niedergebrannt wurden. Eine Epidemie in den Reihen der russischen Armee zwang diese jedoch zum Rückzug. Allerdings konnten die Russen nach dem siegreichen Krieg wieder Asow und das Saporoschje behalten und besaßen wieder den Zugang zum Schwarzen Meer.
Im Jahr 1758 erhoben sich die Nogaier und ersetzten den Khan. Nach dem Russisch-Türkischen Krieg 1770–74 mussten die Osmanen im Frieden von Küçük Kaynarca 1774 die „Unabhängigkeit“ der Krim anerkennen; in der Folge sank das Krimkhanat auf die Höhe eines russischen Protektorats herab. Fortan setzte die Zarin Katharina II. je nach Belieben und Grad der Unterwürfigkeit die Khane ein oder ab. 1783 kam die Krim durch Annexion endgültig unter russische Herrschaft. Dies wurde vom Osmanischen Reich jedoch erst mit dem Vertrag von Jassy am 6. Januar 1792 anerkannt. Viele Krimtataren flohen auf das Gebiet der heutigen Türkei.
Bis zum Ende des Russisch-Österreichischen Türkenkrieges 1792 ließen die Russen, unter Berufung zweier Titularkhane, Şahbaz Giray (reg. 1787–89) und Baht Giray (reg. 1789–92), das Khanat als „Titularreich“ noch weiterbestehen; zudem hielten sich bis 1787 noch Widerstandsgruppen im Kubangebiet auf.
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ A. Fisher: The Crimean Tatars, S. 26f.
Literatur
- Albrecht, Stefan/Herdick, Michael: Im Auftrag des Königs. Ein Gesandtenbericht aus dem Land der Krimtataren. Die Tartariae Descriptio des Martinus Bronovius (1579). Mainz: Verlag des Römisch-Germanischen Zentralmuseums 2011 (=Monographien des Römisch-Germanischen Zentralmuseums 89).
- Fisher, Alan: The Russian Annexation of the Crimea 1772–1783. London: Cambridge University Press 1970.
- Fisher, Alan: The Crimean Tatars. Stanford (California): Hoover Institution Press, Stanford University 1978 (=Hoover Institution Publication 166). ISBN 0-8179-6661-7
- Hambly, Gavin: Zentralasien, aus der Reihe: Weltbild Weltgeschichte/ Band 16, Augsburg 1998.
- Kettermann, Günter: Atlas zur Geschichte des Islam. WBG/Primus, Darmstadt 2001. ISBN 3-89678-194-4
Weblinks
Commons: Crimean Khanate – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- wechselnde Ausbreitung des Khanats (in: WHKMLA Historical Atlas)
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