Katakombenschulen

Katakombenschulen

Die Katakombenschulen waren eine illegale Einrichtung, die während des Faschismus in Südtirol (seit 1919 zu Italien) geschaffen wurde, um die systematische Unterweisung von Schülern in deren Muttersprache (Deutsch) zu gewährleisten. Rund 30.000 Schüler waren betroffen.

Im Rahmen des Versuchs, Südtirol zu italianisieren, wurde mit Dekret vom Oktober 1923 (Lex Gentile) verfügt, dass ab dem Schuljahr 1925/26 Italienisch als ausschließliche Unterrichtssprache in allen Schulen gelten sollte.

Die Südtiroler Lehrerinnen wurden entlassen und durch italienische, die oft kein Deutsch konnten, ersetzt.

Ebenso wurde ab Oktober 1924 die deutsche Sprache in allen Kindergärten verboten.

Als daraufhin Eltern Privatunterricht und private Spielstuben organisierten, wurde dies per Dekret vom November 1925 strikt verboten.

Um den Kindern Unterricht in ihrer Muttersprache zu gewährleisten, musste ein Netz von Untergrundschulen begründet werden.

Geeignete Räumlichkeiten mussten gefunden, Lehrmittel beschafft und Lehrkräfte finanziert werden. Treibende Kraft waren Kanonikus Michael Gamper und engagierte Persönlichkeiten wie Rechtsanwalt Dr. Josef Noldin. Neben vielen anderen verschrieben sich der Lehrer Rudolf Riedl sowie die junge Lehrerin Angela Nikoletti mit Leib und Seele dem verbotenen Deutschunterricht.

Die Lehrmittel wurden aus Deutschland und Österreich nach Südtirol geschmuggelt. Die Lehrer wurden zunächst in Südtirol ausgebildet, wobei die Gruppen z.B. als Nähkurse o.Ä. getarnt wurden. Später waren diese Kurse nur noch im Ausland möglich. Auf diese Weise wurden ca. 200 Lehrerinnen ausgebildet.

Die Lehrerinnen tarnten sich oft als Bäuerinnen, die "Schulklassen" trafen sich nachmittags, nach dem regulären Unterricht, auf Bauernhöfen oder in Gaststätten.

Sobald eine Katakombenschule enttarnt wurde, mussten Lehrer und Eltern mit drakonischen Geldstrafen, Freiheitsentzug oder Verbannung rechnen.

1928 wurde religiöse Unterweisung in deutscher Sprache an Sonntagsschulen wieder zugelassen.

1939 wurde im Rahmen der Option Kindern aus Optantenfamilien wieder Unterricht in deutscher Sprache gewährt.

1943 nach der Besetzung durch deutsche Truppen (s. Operationszone Alpenvorland) wurde deutscher Schulunterricht wieder zugelassen. Nun diente die deutsche Schule Südtirols offen den politisch-ideologischen Absichten des Nationalsozialismus.

Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte das deutsche Schulwesen in Südtirol unter demokratischen Bedingungen neu begründet werden, wobei es lange dauerte, bis die Altlasten beider Diktaturen gänzlich abgestreift wurden. Im Rahmen des Südtiroler Autonomiestatuts wurde das öffentliche Schulsystem mit deutscher Unterrichtssprache eine starke Institution des Minderheitenschutzes im Lande.

Siehe auch: Geschichte Südtirols

Literatur

  • Gatterer, Claus: Schöne Welt, böse Leut. Kindheit in Südtirol, Wien/Bozen 2005
  • Villgrater, Maria: Katakombenschule, Bozen 1984
  • Seberich, Rainer: Südtiroler Schulgeschichte: muttersprachlicher Unterricht unter fremdem Gesetz, Bozen 2000
  • Seberich, Rainer; Conrad, Claus: Das Südtiroler Schulwesen im Schatten des Großdeutschen Reiches. In: Steinacher, Gerald (Hrsg.), Südtirol im Dritten Reich/L'Alto Adige nel Terzo Reich, Bozen 2003

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем сделать НИР

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Katakombenschulen — Les Katakombenschulen étaient des écoles créées illégalement pendant la période fasciste dans le Tyrol du Sud (qui appartenait depuis 1919 à l Italie) pour assurer une instruction régulière des élèves dans leur langue maternelle, c est à dire l… …   Wikipédia en Français

  • Katakombenschule — Katakombenschulen (underground schools) were set up in the province of Bolzano Bozen in the mid 1920s during the period of Fascist Italianization when teaching of the German language was banned (Lex Gentile, October 1923) by the authorities of… …   Wikipedia

  • ADO (Südtirol) — Die Arbeitsgemeinschaft der Optanten für Deutschland (ADO) entstand am 30. Jänner 1940 und war eine Vereinigung von auswanderungswilligen Südtirolern. Inhaltsverzeichnis 1 Vorgeschichte 2 Option 3 Deutsche Besetzung 4 Nachkriegszeit // …   Deutsch Wikipedia

  • Italienisierung — Die Italianisierung bezeichnet den Versuch der ab 1922 regierenden faschistischen Regierung Italiens die im Rahmen des Irredentismus einverleibten Gebiete mit nicht italienischer Bevölkerungsmehrheit sprachlich und kulturell italienisch zu… …   Deutsch Wikipedia

  • Katakombenschule — Die Katakombenschulen waren eine illegale Einrichtung, die während des Faschismus in Südtirol (seit 1919 zu Italien) geschaffen wurde, um die systematische Unterweisung von Schülern in deren Muttersprache (Deutsch) zu gewährleisten. Rund 30.000… …   Deutsch Wikipedia

  • Alto Adige Option Agreement — The Alto Adige Option Agreement ( it. Opzioni in Alto Adige; de. Option in Südtirol) refers to the period between 1939 and 1943, when the native German speaking people in the province of Bolzano Bozen were given the option of either emigrating to …   Wikipedia

  • History of Alto Adige-South Tyrol — Present day Alto Adige South Tyrol coincides with the province of Bolzano Bozen, a province of Italy created in 1927. Until 1918 its area was part of the Austrian County of Tyrol and it was ceded to Italy after World War I.Annexation to Italy :… …   Wikipedia

  • Italianization — is a term used to describe a process of cultural assimilation in which ethnically non or partially Italian people or territory become Italian. The process can be voluntary or forced. It also refers to the sphere of linguistics where foreign words …   Wikipedia

  • A.K.V. Tirolia Innsbruck — Wappen Zirkel Basisdaten Universitäten …   Deutsch Wikipedia

  • AKV Tirolia — Die Akademische katholische Studentenverbindung Tirolia Innsbruck oder A.k.V. Tirolia wurde am 6. Dezember 1893 als nicht farbentragende Studentenverbindung gegründet. Sie gehört zu den Christlichen Studentenverbindungen Verschiedenes Bundesland …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”