Kleinkastell Ebnisee

Kleinkastell Ebnisee
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Kleinkastell Ebnisee
Limes ORL Wp 9/117 (RLK)
Strecke (RLK) Obergermanischer Limes
Vorderer Limes, Strecke 9
Datierung (Belegung) 2. Jahrhundert n. Chr.(oder 233 n. Chr.?[1])
bis 259/260 n. Chr.
Typ Kleinkastell
Größe 21 m × 23 m = 450 Quadratmeter
Bauweise Steinkastell
Erhaltungszustand Umfassungsmauer als Schuttwall erkennbar
Ort Kaisersbach
Geographische Lage 48° 55′ 33,6″ N, 9° 37′ 9,3″ O48.9269.61925
Vorhergehend Kastell Murrhardt (nördlich)
Anschließend Kleinkastell Rötelsee (südlich)
Standort des Kleinkastells Ebnisee. Die Reste der Mauern sind im bewaldeten Gelände noch erkennbar

Das Kleinkastell Ebnisee ist eine ehemalige römische Fortifikation des Obergermanischen Limes, der im Jahre 2005 den Status des UNESCO-Weltkulturerbes erlangte. Das Kleinkastell wurde 25 Meter hinter der römischen Reichsgrenze errichtet und befindet sich heute in der Nähe des Ebnisees auf der Gemarkungsfläche der Gemeinde Kaisersbach im Rems-Murr-Kreis in Baden-Württemberg.

Inhaltsverzeichnis

Lage und Forschungsgeschichte

Das Kleinkastell Ebnisee befindet sich rund 400 Meter südlich des als Hauptvermessungspunkt dieser Limesstrecke geltenden Wachturms Wp 9/116 rund 30 Meter hinter dem heute noch sehr gut wahrzunehmenden Limeswall des Vorderen Limes. Von der exponierten Lage, am höchsten Punkt dieses Limesabschnittes, konnte die Reichsgrenze hervorragend überwacht werden. Heute befindet sich der in einer zerwühlten Terrasse nur schlecht auszumachende Schuttwall der Anlage[2] in einem Fichtenbestand, der 1957 noch jung war und entsprechend niedrig stand.[3] Seinen heutigen Namen trägt das Kleinkastell von dem 1745 unter Herzog Eberhard Ludwig künstlich angelegten Ebnisee. 1895 wurde die römische Wehranlage durch Gustav Sixt (1856–1904) im Zuge seiner Forschungen für die Reichs-Limes-Kommission (RLK) erstmals wahrgenommen und untersucht. Aus dieser Zeit stammt seine Bezeichnung als Wp 9/117. Eine verschiedene noch offene Fragen klärende, moderne Ausgrabung ist bis heute nicht erfolgt.

Baugeschichte

Das fast quadratische, 21 × 23 Meter große Lager[4] besaß nur einen Einlass an der Prätorialfront, der Feindseite, im Osten und war etwas größer als das nächstgelegene südliche Kleinkastell Rötelsee, besitzt aber den gleichen Grundriss.[2] Im Gegensatz zu Rötelsee, bei der es keinen steinernen Wehrturm am Tor gegeben hat, rekonstruiert die Forschung Ebnisee mit eben einem solchen Turm über der östlich gelegenen Zufahrt. Neben dem üblichen umlaufenden Wehrgang an der Kastellmauer, der von einer hölzernen Konstruktion getragen worden ist, besaß die kleine Anlage wohl eine in Holzbauweise errichtete Innenbebauung. Sixt konnte allerdings keinen Kastellgraben feststellen.[5] Als Besatzung werden zehn bis zwanzig Soldaten angenommen, die von einer größeren Garnison hierher zur Grenzüberwachung abkommandiert worden sind.

Kleinkastelle gehörten neben den Türmen zu den wesentlichen Stützpunkten der römischen Truppe direkt hinter dem Limes. Ihre Nutzung ist in der Regel jedoch wie die sie bewohnenden Einheiten unbekannt.

Im Zuges des Limesfalls, der 259/260 n. Chr. in der Aufgabe der Agri decumates (Dekumatland) mündete, wurden die noch bestehenden römischen Grenzanlagen von den Truppen geräumt, wenn sie nicht schon zuvor gewaltsam zerstört worden waren. Münzen aus der Regierungszeit des Kaisers Gallienus (253–260) fanden sich im südlicher gelegenen Kleinkastell Rötelsee. Aus dem ebenfalls am Vorderen Limes errichteten Kleinkastell Haselburg ist ein Antoninian des Gallienus belegt, der frühestens 259 geprägt wurde.[6]

Funde

Die 1896 durch Sixt geborgenen Fundstücken umfassen den Läufer einer Handmühle, wie sie von der kleinsten Einheit in der römischen Armee, dem Contubernium, regulär mit sich geführt wurde sowie die Spitze eines Pilums.[5]

Zu Funktion und Datierung

Der Archäologe und Limesexperte Dieter Planck fasste eine Reihe sich in Größe, Bauweise und Entfernung vom Grenzwall ähnelnder Anlagen von Kleinkastellen am obergermanischen Limes, darunter Ebnisee, unter der Bezeichnung Feldwachen vom Typus Rötelsee zusammen. Anhand datierbarer Funde in von ihm untersuchten Anlagen geht er davon aus, dass dieser Typus vermutlich erst im späten 2. Jahrhundert entstanden sei. Der Archäologe Andreas Thiel datiert diesen Kastelltyp sogar noch jünger, in die späte Limeszeit. Die Reduzierung der Truppen zu diesem Zeitpunkt habe eine Umorganisation der Grenzüberwachung nach sich gezogen. An die Stelle der ständig besetzten Turmstellen seien nun die Kleinkastelle dieses Typus getreten, um die Überwachung der Grenze mit einer Mannschaftsstärke zu bewältigen, die zur Besetzung der Turmstellen nicht mehr genügt hätte.[1]

Limesverlauf zwischen dem Kleinkastell Ebnisee und dem Kleinkastell Rötelsee

Sichtbare Reste und Verlauf der in diesem Abschnitt liegenden Limesbauwerke
ORL[A 1] Name/Ort Beschreibung/Zustand
Wp 9/116[A 2] Dieser Wachturm, direkt an der Straße errichtet, liegt am Liasrand. Nachdem das Turmfundament 1814 erstmals erkannt worden war, erfolgten 1896 die ersten Grabungen an diesem Platz. Das Landesdenkmalamt Baden-Württemberg führte 1977 erneut Ausgrabungen durch. Der 6 × 6 m große Steinturm besaß zwei Bauphasen. Gegründet wurde das Bauwerk aus solidem Mauerwerk auf einem 1,3 bis 1,4 m breiten Ringgraben, der bis zu 0,5 m tief gewesen ist und im Osten, zur Feindseite hin, mit einem Übergang aussetzte. Die zu dieser ältesten Ausbauphase gehörende Holzpalisade konnte bisher jedoch nicht ermittelt werden. Mit oder kurz nach dem ersten Alamannensturm 233 ist der Turm zerstört worden. Sein Wiederaufbau erfolgte nun nicht mehr in der alten soliden Qualität. Mit dem Limesfall um 260 wurde der Platz von den Römern geräumt. Die Forschung geht davon aus, dass dieser Turm, der höchstgelegene am gesamten Vorderen Limes, ein Hauptvermessungspunkt an dieser Strecke gewesen ist. Feuerzeichen konnten den etwa 75 km entfernten Turm nahe dem Kleinkastell Hönehaus erreichen. Auf einer Länge von 1,5 km beginnt ab hier eine der besterhaltendsten Strecken am Obergermanisch-Rätischen Limes. Nahe bei Wp 9/116 liegt das Kleinkastell Ebnisee.
Wp 9/117 Kleinkastell Ebnisee siehe oben
Wp 9/118 Von diesem Wachturm[A 3] sind nur geringe Spuren sichtbar.
Wp 9/119 Turmstelle[A 4] nicht sichtbar.
Wp 9/120 Turmstelle[A 5] nicht sichtbar.
Wp 9/121 Die Ruine des Wachturm[A 6] ist sichtbar. Von hier aus nach Süden über das offene Ackerland sind die Reste des Limes nur noch spärlich wahrnehmbar.
Wp 9/122 Turmstelle[A 7] nicht sichtbar.
Wp 9/123 Sichtbare Turmstelle.[A 8]
Wp 9/124 Turmstelle[A 9] nicht sichtbar.
Wp 9/125 Turmstelle[A 10] nicht sichtbar.
Wp 9/126 Sichtbare Turmstelle.[A 11]
Wp 9/127 Turmstelle[A 12] nicht sichtbar.
KK[A 13] Kleinkastell Rötelsee
Hauptartikel: Kleinkastell Rötelsee
[A 14]


Denkmalschutz

Das Kleinkastell Ebnisee und die erwähnten Bodendenkmale sind als Abschnitt des Obergermanisch-Rätischen Limes seit 2005 Teil des UNESCO-Welterbes. Außerdem sind die Anlagen Kulturdenkmale nach dem Denkmalschutzgesetz des Landes Baden-Württemberg (DSchG). Nachforschungen und gezieltes Sammeln von Funden sind genehmigungspflichtig, Zufallsfunde an die Denkmalbehörden zu melden.

Siehe auch

Literatur

  • Dietwulf Baatz: Der Römische Limes. Archäologische Ausflüge zwischen Rhein und Donau. 4. Auflage, Gebr. Mann, Berlin 2000, ISBN 3-786-12347-0, S. 245.
  • Christian Fleer: Typisierung und Funktion der Kleinbauten am Limes. In: E. Schallmayer (Hrsg.): Limes Imperii Romani. Beiträge zum Fachkolloquium „Weltkulturerbe Limes“ November 2001 in Lich-Arnsburg. Bad Homburg v.d.H. 2004, ISBN 3-931267-05-9 S. 75–92 (Saalburg-Schriften 6).
  • Dieter Planck, Willi Beck: Der Limes in Südwestdeutschland. 2. völlig neubearbeitete Auflage, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1987, ISBN 3-8062-0496-9.
  • Adolf Schahl, Johannes Gromer: Die Kunstdenkmäler des Rems-Murr-Kreises. Deutscher Kunstverlag, Berlin 1983, ISBN 3422005609.

Anmerkungen

  1. ORL = Nummerierung der Limesbauwerke gemäß der Publikation der Reich-Limes-Kommission zum Obergermanisch-Rätischen-Limes
  2. Wp = Wachposten, Wachturm. Die Ziffer vor dem Schrägstrich bezeichnet den Limesabschnitt, die Ziffer hinter dem Schrägstrich in fortlaufender Nummerierung den jeweiligen Wachturm.
  3. Ungefähr bei 48° 55′ 15,15″ N, 9° 37′ 14,85″ O48.9208759.6207916666667.
  4. Ungefähr bei 48° 55′ 2,6″ N, 9° 37′ 19,6″ O48.9173888888899.6221111111111.
  5. Ungefähr bei 48° 54′ 51,5″ N, 9° 37′ 23,5″ O48.9143055555569.6231944444444.
  6. Ungefähr bei 48° 54′ 37,55″ N, 9° 37′ 28,8″ O48.9104305555569.6246666666667.
  7. Ungefähr bei 48° 54′ 30,75″ N, 9° 37′ 31,4″ O48.9085416666679.6253888888889.
  8. Ungefähr bei 48° 54′ 17,9″ N, 9° 37′ 35,3″ O48.9049722222229.6264722222222.
  9. Ungefähr bei 48° 54′ 0″ N, 9° 37′ 42,7″ O48.99.6285277777778.
  10. Ungefähr bei 48° 53′ 50,5″ N, 9° 37′ 46,3″ O48.8973611111119.6295277777778.
  11. Ungefähr bei 48° 53′ 36,5″ N, 9° 37′ 53,4″ O48.8934722222229.6315.
  12. Ungefähr bei 48° 53′ 23,25″ N, 9° 37′ 56″ O48.8897916666679.6322222222222.
  13. KK = nicht nummeriertes Klein-Kastell
  14. Bei 48° 53′ 11,72″ N, 9° 38′ 1,84″ O48.8865888888899.6338444444444.

Einzelnachweise

  1. a b Andreas Thiel: Zur Funktion der Kleinkastelle am Obergermanischen Limes. In: Jahrbuch 2003/2004 des Heimat- und Altertumsvereins Heidenheim an der Brenz e.V. Heidenheim 2004. ISSN 0931-5608. S. 72f.
  2. a b Dieter Planck: Die Römer in Baden-Württemberg. Römerstätten und Museen von Aalen bis Zwiefalten. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2005. S. 197.
  3. Wilhelm Schleiermacher: Der römische Limes in Deutschland. Ein archäologischer Wegweiser für Autoreisen und Wanderungen. Mann Verlag, Berlin 1967. S. 155.
  4. Oscar Paret: Württemberg in vor- und frühgeschichtlicher Zeit, W. Kohlhammer Verlag, Stuttgart 1961, S. 341.
  5. a b Der obergermanisch-raetische Limes des Roemerreiches Band 4: Strecken 7 bis 9 (Der obergermanische Limes von Miltenberg am Main bis zum Haghof bei Welzheim), Verlag von Otto Petters, Heidelberg, Berlin und Leipzig 1931. S. 185.
  6. Egon Schallmayer: Der Limes. Geschichte einer Grenze. C.H. Beck Verlag, München 2006. ISBN 3406480187. S. 65.

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