Kleinkastell Hankertsmühle

Kleinkastell Hankertsmühle
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Kleinkastell Hankertsmühle
Limes ORL zwischen Wp 9/76 und 9/77 (RLK)
Strecke (RLK) Obergermanischer Limes
Vorderer Limes, Strecke 9
Datierung (Belegung) spätes 2. Jh.
(oder ab 233 n. Chr.?[1])
bis um 260 n. Chr.
Typ Kleinkastell
Größe 16,32/17 × 19/18,05 m = 300 Quadratmeter
Bauweise Steinkastell
Erhaltungszustand Mauerstümpfe im Boden erhalten (nicht sichtbar)
Ort Mainhardt
Geographische Lage 49° 3′ 19,4″ N, 9° 34′ 18,2″ O49.0553780199519.5717310905457434
Höhe 434 m ü. NHN
Vorhergehend Kleinkastell Mainhardt-Ost (nördlich)
Anschließend Kastell Murrhardt (südlich)

Das Kleinkastell Hankertsmühle ist eine ehemalige römische Fortifikation des Obergermanischen Limes, der im Jahre 2005 den Status des UNESCO-Weltkulturerbes erlangte. Das Kleinkastell wurde rund 50 Meter von der römischen Reichsgrenze entfernt errichtet und befindet sich heute auf der Gemarkungsfläche von Mainhardt, einer Gemeinde im Landkreis Schwäbisch Hall in Baden-Württemberg.

Inhaltsverzeichnis

Lage und Forschungsgeschichte

Das im oberen Rottal liegende Kleinkastell wurde 1897 von Gustav Sixt, dem zuständigen Streckenkommissar der Reichs-Limes-Kommission, aufgefunden und untersucht.[2] Sixt selber bezeichnete es als Zwischenkastell.[3] Es liegt in dem schmalen, ebenen Wiesengrund auf dem nördlichen Ufer der Rot, 50 Meter hinter dem Limes, ihm ungefähr parallel. Es wurde die Umwehrung untersucht, das Innere des Bauwerks wurde jedoch nicht ausgegraben. Weitere Untersuchungen wurden nicht durchgeführt. Die Reste der Anlage liegen unter einer Wiese und sind nicht sichtbar. Die Nordwestecke der Ummauerung war bereits im Jahr 1897 durch den Bau der Straße von der Hammerschmiede zur ehemaligen Hankertsmühle zerstört. Die Entfernung zum nächstbenachbarten Kastell Mainhardt ist mit 6,5 Kilometer verhältnismäßig weit. Vermutlich sollte es dazu dienen, den Zugang vom Barbaricum über das Tal der Rot als aus Gründen der Topographie sensibler Limesstelle zu überwachen. Nach Ansicht des Archäologen Andreas Thiel ist die Situation eines Überganges über den Limes an dieser Stelle abzulehnen, da die Lage in dem engen, gewundenen Tallauf dagegen spricht, dass ein Fernweg an der Feldwache vorbeilief.[1] Eine Sicht auf den Grenzwall selber, der östlich über eine steile Hügellandschaft verläuft, war vom Standort der Feldwache aus kaum möglich. Das Areal wird als Wiese genutzt und ist zugänglich. Am Weg weist eine Informationstafel auf das Kleinkastell hin.

Lageskizze des Kleinkastells auf der Grundlage der Ausgrabung durch Gustav Sixt 1897.

Baugeschichte

Die Anlage gehört dem kleinsten Typus der Kleinkastelle an, für den in der Literatur der Begriff Feldwache verwendet wird. Die Länge der Seiten wurde im Osten und Westen zu 16,32 und 17 im Norden und Süden zu 19 und 18,05 m gemessen, die Mauerstücke zu 1,85 m. Die Ecken waren abgerundet. Auf der Ostseite – zum Pfahlgraben hin ausgerichtet – befand sich ein 1,52 m breiter Eingang, eingefasst von 3,50 m langen und 1,80 m starken Wangenmauern.[4] Die Stärke der Mauern und Torwangen bewertete die Reichs-Limes-Kommission angesichts der Kleinheit des Bauwerkes als befremdlich. Die Anlage gehört zu den kleinsten ihrer Art am obergermanischen Limes. Die Besatzung wird nicht mehr als 10–20 Personen betragen haben. Ein Graben vor der Umwehrung sowie ein hölzerner Wehrgang können angenommen werden, wie auch ein U-förmiger Innenausbau mit offener Seite zum Tor. Das Lager gehört zu den Anlagen vom Typ Rötelsee.

Zu Funktion und Datierung

Der Archäologe und Limesexperte Dieter Planck fasste eine Reihe sich in Größe, Bauweise und Entfernung vom Grenzwall ähnelnder Anlagen von Kleinkastellen am obergermanischen Limes, zu denen auch das Kleinkastell Hankertsmühle zählt, unter der Bezeichnung Feldwachen vom Typus Rötelsee zusammen. Anhand datierbarer Funde in von ihm untersuchten Anlagen geht er davon aus, dass dieser Typus vermutlich erst im späten 2. Jahrhundert entstanden sei. Der Archäologe Andreas Thiel datiert diesen Kastelltyp sogar noch jünger, in die späte Limeszeit. Die Reduzierung der Truppen zu diesem Zeitpunkt habe eine Umorganisation der Grenzüberwachung nach sich gezogen. An die Stelle der ständig besetzten Turmstellen seien nun die Kleinkastelle dieses Typus getreten, um die Überwachung der Grenze mit einer Mannschaftsstärke zu bewältigen, die zur Besetzung der Turmstellen nicht mehr genügt hätte.[1] Für das Kleinkastell Hankertsmühle sind allerdings keine Funde überliefert, so dass konkrete, vom Rückgriff auf vergleichbare Anlagen unabhängige Aussagen zum Zeitpunkt seiner Entstehung und zum Zeitraum seiner Nutzung nicht möglich sind.

Hankertsmühle

Nahe des Kastell befinden sich heute wenige Reste der 1371 schon existierenden, aber damals erstmals urkundlich erwähnten Hankertsmühle. Nach dem Unfalltod der letzten Müllersfrau verließ der Müller 1912 mit seinen 13 Söhnen das Anwesen und wanderte in die USA aus. 1913 wurde die Mühle vom Staat auf Abbruch gekauft.[5] Eine kleine römische Säule, die sich heute am einstigen Torbogen des Anwesens befindet und von einem Limesbauwerk stammt, zeigt, daß im Mittelalter die römischen Baureste genauso als billiger Steinbruch genutzt wurde, wie im 20. Jahrhundert die Hankertsmühle selbst. An der Mühle mündet das Kümmelsbächle, der einstige Mühlbach, in die Rot.

Denkmalschutz

Das Bodendenkmal ist geschützt als eingetragenes Kulturdenkmal im Sinne des Denkmalschutzgesetzes des Landes Baden-Württemberg (DSchG). Nachforschungen und gezieltes Sammeln von Funden sind genehmigungspflichtig. Zufallsfunde sind an die Denkmalbehörden zu melden.[6]

Siehe auch

Literatur

  • Dietwulf Baatz: Der römische Limes. Archäologische Ausflüge zwischen Rhein und Donau. 3. Auflage. Gebrüder Mann Verlag, Berlin 1993, ISBN 3-7861-1701-2.
  • Christian Fleer: Typisierung und Funktion der Kleinbauten am Limes. In: Egon Schallmayer (Hrsg.): Limes Imperii Romani. Beiträge zum Fachkolloquium „Weltkulturerbe Limes“ November 2001 in Lich-Arnsburg. Saalburgmuseum, Bad Homburg v. d. H. 2004, ISBN 3-931267-05-9, S. 75–92, speziell S. 78 (Saalburg-Schriften. Band 6).
  • Dieter Planck, Willi Beck: Der Limes in Südwestdeutschland. 2. völlig neubearbeitete Auflage. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1987, ISBN 3-8062-0496-9, S. 79.
  • Andreas Thiel: Zur Funktion der Kleinkastelle am Obergermanischen Limes. In: Jahrbuch 2003/2004 des Heimat- und Altertumsvereins Heidenheim an der Brenz e.V. Heidenheim 2004, ISSN 0931-5608, S. 69–77.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c Andreas Thiel: Zur Funktion der Kleinkastelle am Obergermanischen Limes. In: Jahrbuch 2003/2004 des Heimat- und Altertumsvereins Heidenheim an der Brenz e.V. Heidenheim 2004, ISSN 0931-5608, S. 72f.
  2. Der Obergermanisch-Raetische Limes des Roemerreichs. Abteilung A, Band III und IV. Die Strecken 6-9. Verlag Otto Petters, Berlin und Leipzig 1933, S. 168.
  3. Limesblatt. Mitteilungen der Streckenkommissare bei der Reichslimeskommission. 1892–1903. Verlagsbuchhandlung von Jacob Lintz, Trier 1903, S..  675.
  4. Dieter Planck, Willi Beck: Der Limes in Südwestdeutschland. 2. völlig neubearbeitete Auflage. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1987, ISBN 3-8062-0496-9, S. 79.
  5. Gedenktafel an der Hankersmühle.
  6. § 12 DSchG Baden-Württemberg.

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